Ausbruch des Ersten Weltkrieges und die deutsche Mobilmachung
Ausbruch des Ersten Weltkrieges
Aufrüstung und gegenseitiges Misstrauen schufen zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein Klima, in welchem ein Funke die Explosion auslösen konnte. Der erste Weltkrieg wurde bereits in den Jahren vor 1914 immer mehr zur Gewissheit. Auslösender Faktor wurde letztlich eine Bluttat auf dem Balkan. Am 28.06.1914 wurde der österreichische Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand und dessen Frau in Sarajewo ermordet. Hintergrund dieses Attentates bildeten die Freiheitsbestrebungen der Slawen innerhalb der Grenzen der morschen Donaumonarchie. Hass und Agitation gegen die habsburgische Monarchie hatten ihr Zentrum in dem nach den Balkankriegen mächtig angewachsenen Serbien, gestützt durch das russische Zarenreich wollte es die slawischen Minderheiten zur politischen Selbstbestimmung verhelfen. Der Nationalismus bedrohte die Existenz des österreichisch-ungarischen Vielvölkerstaates. Auf das Attentat reagierte Österreich-Ungarn deshalb mit einem faktisch unannehmbaren Ultimatum an Serbien. Aufgrund der wechselseitigen Bündnisverpflichtungen wurde aus dem österreichisch-serbischen bald ein europäischer bzw. weltweiter Konflikt.
Der Automatismus der verschiedenen Mobilmachungen
... gestaltete sich nach Hubatsch wie folgt:
25.07.1914 | 15.00 Uhr | Serbien befiehlt die Mobilmachung |
25.07.1914 | 21.00 Uhr | Österreich macht gegen Serbien teilweise mobil |
26.07.1914 | 3,26 Uhr | Russland befiehlt Kriegsvorbereitung |
29.07.1914 | Nachmittags | England erklärt den Zustand der drohenden Kriegsgefahr |
29.07.1914 | Abends | Russland macht gegen Österreich-Ungarn teilweise mobil |
30.07.1914 | 18.00 Uhr | Russland befiehlt die Gesamtmobilmachung |
30.07.1914 | 18.00 Uhr | Frankreich macht den Grenzschutz mobil |
30.07.1914 | 18.00 Uhr | Deutschland befiehlt Sicherung für die Flottenverbände |
31.07.1914 | Morgens | Österreich-Ungarn befiehlt Grenzschutz gegen Russland |
31.07.1914 | 12.23 Uhr | Österreich-Ungarn befiehlt die Gesamtmobilmachung |
31.07.1914 | 13.00 Uhr | Deutschland befiehlt drohende Kriegsgefahr |
31.07.1914 | 19.00 | Belgien befiehlt Mobilmachung |
01.08.1914 | 16.30 Uhr | Frankreich macht mobil |
01.08.1914 | 17.00 Uhr | Deutschland macht mobil |
01.08.1914 | 18.00 Uhr | Russische Kavallerie überschreitet deutsche Grenze |
02.08.1914 | 2.25 Uhr | England macht die Flotte mobil |
05.08.1914 | Morgens | England macht mobil |
04.08.1914 | 16.00 | Die Feindseligkeiten haben im Westen begonnen. |
Das Reichsheer und die Mobilmachung
Deutschland zählte 1914 ca. 67 000 000 Einwohner. Die gesamte Kriegsstärke des gesamten Heeres belief sich auf 3 823 000 Mann, davon gehörten 2 398 000 zum Feldheer. Die Gesamtzahl der vorhandenen Ausgebildeten soll 4 900 000 Man betragen haben. Im Winter 1913/ 14 war das deutsche Heer effektiv 599 000 Mann stark (0,9 v. H. der Einwohnerzahl, einschließlich der Einjährig-Freiwilligen und Unteroffiziere 1,08 v. H., einschließlich der Offiziere 1,15 v. H.). Bei Mobilmachung umschloss das deutsche Feldheer 1627 Bataillone, 360 Maschinengewehr-Kompanien, 655 Eskadrons, 516 Feldartillerie- und 769 Fußartillerie-Batterien, 364 Pionier-Kompanien, 41 Fliegerabteilungen, 18 Luftschifferabteilungen und 60 Funkstationen. Neben den 25 aktiven Armeekorps wurden noch 13 Reservekorps und 1 Landwehrkorps mobil gemacht., ferner kamen 6 mobile Ersatz-Divisionen, 1 einzelne Ersatzbrigade, 2 Reserve-Divisionen als Hauptreserve von Festungen und 1 höherer Landwehrkommandeur mit einer Anzahl mobiler Landwehr-Brigaden hinzu, was zusammen 86 – 87 Divisionen ergab. Zum Feldheer gehörten die aktiven (Feld-)truppen, Reserve-, mobilen Ersatz- und Landwehrformationen, das Besatzungsheer bestand aus den Festungsformationen und immobilen Ersatz-, Landwehr- und Landsturmtruppen.
Kriegsstärke des deutschen Heeres
Die etatsmäßige Kriegsstärke des deutschen Heeres betrug nach am 02.08.19141:
| Offiziere | Mannschaften |
Höchste Kommandobehörden | 598 | 2891 |
Festungs-Gouvernementsstäbe usw. | 3023 | 6366 |
Feldtruppen | 46622 | 1281904 |
Reservetruppen | 19330 | 567309 |
Belagerungsformationen | 434 | 7548 |
Eisenbahn-, Kraftfahr-, Etappen-Formationen | 7419 | 84320 |
Stellv. Behörden | 4487 | 71679 |
Mobile Landwehrtruppen | 7233 | 263115 |
Immobile Landwehrtruppen | 2098 | 79905 |
Besondere immobile Formationen für Festungen | 953 | 2 6980 |
Ersatztruppen | 17927 | 936183 |
Landsturmtruppen | 9630 | 374496 |
Summe | 119754 | 3702696 |
Insgesamt |
| 3822450 |
Gliederung der Feld- und Reservetruppen
Die Feld- und Reservetruppen gliederten sich wie folgt:
| Offiziere | Mannschaften |
Feldtruppen |
|
|
Stäbe | 4156 | 13470 |
Infanterie | 19390 | 745144 |
Kavallerie | 4138 | 78622 |
Feldartillerie | 7604 | 203971 |
Fußartillerie | 2728 | 85429 |
Pioniere | 1480 | 48314 |
Telegraphenformationen | 442 | 10753 |
Luftschiffer und Flieger | 678 | 9153 |
Train | 6006 | 87048 |
zusammen | 46622 | 1281904 |
| ||
Reservetruppen |
|
|
Stäbe | 1863 | 6024 |
Infanterie | 9924 | 373627 |
Kavallerie | 891 | 16863 |
Feldartillerie | 2291 | 59981 |
Fußartillerie | 2058 | 62942 |
Pioniere | 408 | 17256 |
Telegraphenformationen | 113 | 3249 |
Train | 1782 | 27367 |
zusammen | 19330 | 567309 |
An der Spitze des Feldheeres stand die OHL (Chef des Generalstabes: Helmuth von Moltke, * 1848, + 1916). Das Feldheer selbst setzte sich aus 8 Armeen, 1 Armeeabteilung, 4 Kavalleriekorps zusammen. 7 Armeen marschierten im Westen (insgesamt 1 600 000 Mann), 1 im Osten (insgesamt 200 000 Mann) auf. Die Armeeabteilung stand in Schleswig-Holstein (2 Divisionen). Die 4 Kavalleriekorps unterstanden der OHL unmittelbar, 6 ½ Divisionen bildeten die Reserve. Die Kräfteverteilung entsprach dem deutschen Kriegsplan, der im Westen eine rasche Entscheidung vorsah, während im Osten die 8. Armee zunächst in der Defensive verharren sollte. Die Truppen in Schleswig-Holstein sicherten gegen Dänemark.
Aufmarsch der deutschen Armee
Insgesamt waren in den ersten Mobilmachungstagen der deutschen Armee beinahe 18000 Bahntransporte notwendig. Es folgten weitere 11000 Transporte um den Aufmarsch zu vollenden. In den 10 Tagen der ersten Mobilmachungsphase mussten insgesamt 3 120 000 Mann, 860 000 Pferde und 400 000 Tonnen Material transportiert werden. Täglich überfuhren während des Aufmarsches 560 Züge die Rheinbrücken in Richtung Westen, insgesamt sollen es 21000 Züge gewesen sein. Der Leutnant – und der spätere Generalfeldmarschall - Erwin Rommel beschreibt die Fahrt an die Front wie folgt: „Ich begrüße die Männer der 7. Kompanie, mit denen ich nun voraussichtlich ins Feld ziehen darf. Das ist ein Leuchten vor Freude, Begeisterung und Tatendrang in all den jungen Gesichtern. Gibt es etwas Schöneres, als an der Spitze solcher Soldaten gegen den Feind zu ziehen? … Abends marschiert das stolze 6. Württembergische Regiment mit klingendem Spiel und strammem Tritt aus der Garnison (Weingarten) zur Verladung nach Ravensburg. Zu tausenden zieht die Bevölkerung mit … Unter nicht endenwollenden Hurrarufen fährt das Regiment bei einbrechender Nacht ab … Die Fahrt ins Feld am 5. August durch die herrlichen Täler und Auen der Heimat unter dem Jubel aller Volksgenossen ist unbeschreiblich schön. Die Truppe singt Lied auf Lied. Bei jedem Halt wird sie mit Obst, Schokolade und Brötchen überschüttet … Nachts geht es über den Rhein. Scheinwerfer tasten den Himmel nach feindlichen Fliegern und Luftschiffen ab. Die Lieder sind verklungen. Auf Bänken und Fußböden schlafen die Musketiere… Ich stehe auf der Lokomotive, sehe ins flackernde Feuer der Maschine und dann wieder hinaus in das Rauschen und Raunen der dunklen, schwülen Sommernacht. Was mögen die nächsten Tage bringen?“2.
Auch Paul Schwarzenberg (* 1892) berichtet in einem Brief vom 12.08.1914 im Stil der Zeit über den Kriegsbeginn: "Die eisernen Räder, die uns einem unbekannten Geschicke entgegenführen, rollen nun Tag und Nacht. Draußen zieht das schöne Thüringer Land vorbei; Weimar, Erfurt, Eisenach, die Wartburg – überall Winken, Tücherwehen, Abschiedsworte, gedankenlos hingeworfen und zurückgetan. Doch die Bäume und das Buschwerk am Wege, die recken ihre tausend grünen Arme im Wind und winken ein stilles, inniges Lebewohl, ganz ohne Lärm und darum unbeachtet. Der rote Mohn blüht im Klee und leuchtet wir frisches Herzblut und deutet auf kommende Tage.- Wer weiß? Heute rot – morgen tot. Doch gleichviel, die Gewehrläufe blitzen lustig, bläulich schimmert der Stahl, sie freuen sich auf Schlachtenlärm". Schwarzenberg fiel am 06.10.1916 bei Chaulnes.