Die preußische Armee unter Friedrich Wilhelm I. (1713 - 40) - 3. Kapitel - Die Infanterie

Die preußische Armee war eine Landstreitmacht, Kernbestand derselben waren die Fußtruppen.  Nach einer „Specification“ vom 24.07.1713 umfasste die altpreußische Armee 255 Kompanien Infanterie mit 32895 Mann und 60 Kompanien Kavallerie und 45 Kompanien Dragoner mit 8748 Mann (jeweils einschließlich der Unteroffiziere und ausschließlich der Spielleute), d.h. die Infanterie und Kavallerie verhielten sich zueinander wie 4:1. Dazu kamen noch die Garnisontruppen, die Artillerie sowie die Kadettenanstalten. Im Rahmen der systematischen Verstärkung der Armee wuchs die Infanterie wie folgt: 21746 (1713), 35134 (1715), 48967 (1731), 52391 (1739), analog zur Infanterie wurde auch die Kavallerie vermehrt: 7737 (1713), 9914 (1715), 15876 (1731), 17842 (1739).

Zustand der Königl. Peuß. Armee vom Jahr 1715 und 1721. Auszug aus einem Druckwerk gegen Ende des 18. Jhdt.s.
Zustand der Königl. Peuß. Armee vom Jahr 1715 und 1721. Auszug aus einem Druckwerk gegen Ende des 18. Jhdt.s.
Zustand der Königl. Peuß. Armee vom Jahr 1715 und 1721. Auszug aus einem Druckwerk gegen Ende des 18. Jhdt.s.

Beim Tode König Friedrich I. zählte die Infanterie 16 Stäbe, 156 „prime planen“, 18500 Gemeine, mithin insgesamt 21746 Soldaten. Unter den 17 Infanterieeinheiten befanden sich neben dem Leib-Regiment (1406) und dem Regiment Kronprinz (2082) auch die Schweizer Garde (124), die Grenadier-Garde (1223) und die Füsilier-Garde (2136). Dazu kamen noch eine Reihe von Garnisons- und Freikompanien, die zusammen 4841 Mann zählten1. Im Todesjahr König Friedrich Wilhelms I. (1740) zählte die Infanterie: das Leib-Grenadier-Regiment oder Königs-Regiment (No. 6) mit 3 Bataillonen, 30 Infanterie-Regimenter mit jeweils 2 Bataillonen (außer No. 3, welches auch 3 Bataillone zählte) und die Bataillone v. Lilien und v. Raders, die in der Folge das Infanterie-Regiment No. 32 formierten. Die Regimenter No. 28, 29, 30 und 31 waren in den Jahren 1723, 1728 und 1729 als sogenannte Füsilier-Regimenter entstanden und wiesen insgesamt Soldaten mit einer kleineren Körpergröße auf. Die Infanterie zählte im Jahre 1740 demnach 1639 Offiziere, 3876 Unteroffiziere, 1223 Tamboure, 6495 Grenadiere und 38820 Gemeine, zusammen 52053 Soldaten2 und hatte damit im Verhältnis zum Bestand des Jahres einen Zuwachs von 42 % erfahren.

Das Regiment bestand in der altpreußischen Armee als Organisationseinheit in erster Linie aus verwaltungstechnischen Gründen, Gefechtseinheit war das Bataillon. Die Ordre de Bataille stellte deshalb stets nur auf die Bataillone ab. Die taktische Organisation des Bataillons unterschied sich vollkommen von der verwaltungsmäßigen Gliederung, denn das Bataillon zerfiel taktisch in vier Abteilungen (Divisionen) zu je zwei Zügen (Pelotons). Ein Bataillon umfaßte somit taktisch acht Pelotons (vom rechten Flügel von 1 - 8 durchnummeriert). Die Umstellung von 5 Kompanien auf 8 Züge vor jedem Exerzieren usw. war eine höchst umständliche Angelegenheit, erst im Ersten Schlesischen Krieg erging im Rahmen einer "Weisung für die Infanterie über ihr Verhalten bei nächtlichen Angriffen" der Befehl, daß im Alarmfall nur jede Kompanie in 2 Züge geteilt werden sollte3.

Nach dem Reglement von 1714 (S. 3) umfaßte das Bataillon 5 Kompanien, wobei jede Kompanie: 11 Unteroffiziere, 3 Tamboure, 12 Grenadiere, 1 Zimmermann und 107 Musketiere stark war. Einer der Unteroffiziere stand stets bei den Grenadieren. Bei jedem Regiment sollten 6 Pfeifer stehen, dafür hatten die entsprechenden Kompanien einen Musketier weniger. 1726 (Reglement von 1726, S. 3 ff.) zählte ein Infanterie-Regiment insgesamt 1420 Kombattanten, nämlich: 40 Offiziere, 110 Unteroffiziere, 30 Tamboure, 1080 Musketiere, 130 Grenadiere, 1 Regimentsquartiermeister, 1 Feldprediger, 1 Auditeur, 1 Regimentsfeldscher, 10 Kompaniefeldscher, 1 Regimentstambour, 6 Hautbois, 6 Pfeifer, 1 Büchsenmacher (ab 01.06.1722), 1 Schäfter (ab 01.06.1722) und 1 Profoß.

Das Bataillon bestand aus 5 Kompanien und zählte 20 Offiziere, 55 Unteroffiziere, 3 Pfeifer, 15 Tamboure, 65 Grenadiere und 540 Musketiere (Reglement von 1726, S. 4). Die Kompanie war 4 Offiziere, 11 Unteroffiziere, 3 Tamboure, 13 Grenadiere (einschließlich eines Zimmermanns), 108 Musketiere und 1 Feldscher stark (Reglement von 1726, S. 4). Hiervon wichen aber der Etat der Leibkompanie und der ersten, also ältesten Kompanie des II. Bataillons ab. Die Leibkompanie, stets beim I. Bataillon stehend, hatte die größte Kopfstärke im Regiment. Das Reglement von 1726 bestimmte: "Der Regiments-Tambour und die 6 Hautbois stehen bey der Leib-Compagnie, desgleichen der übrige Unter-Staab vom Regiment". Bei der ältesten Kompanie des II. Bataillons verrichtete "ein Tambour beym Exerciren Regiments-Tambours-Dienste, weshalben bey der ersten Compagnie vom Bataillon vier Tambours stehen" (ab 01.10.1735).

Bereits das allgemeine Dienstreglement von 1726 regelte die Verteilung der Kompanien im Regiment folgendermaßen: "Die Compagnien sollen bey die Bataillons so gesetzet werden, daß nicht alle ältesten bey das erste Bataillon kommen, sondern des Obristen oder Commandeurs vom Regiment seine Compagnie soll beym 2ten, des Obrist-Lieutenants Compagnie bey dem 1ten, und wenn 2 Obrist-Lieutenants bey dem Regiment sind, soll dessen Compagnie wieder bey dem 2ten Bataillon stehen; Desgleichen auch des ältesten Majors Compagnie bey dem 2ten Bataillon stehen soll; die übrigen Compagnien sollen bey die Bataillons an Mannschaft mehrentheils egales kommen." (S. 6). Vor 1740 scheint es - wie auch in den 60iger Jahren - so gehandhabt worden zu sein, dass die Kompanie-Inhaber bei einer internen Versetzung von einem zum anderen Bataillon ihre Kompanien behielten und diese daher ebenso das Bataillon wechselten.

Die Infanterie bestand aus Musketieren und (ab 1723) aus Füsilieren. Dazu kamen die Grenadiere. Das Wort Grenadier leitet sich aus dem italienischen Wort granata (Granatapfel) ab. Im 17. Jahrhundert hießen so die Soldaten, welche den Feind mit Handgranaten bekämpften. Neben dem Werfen der Granaten erhielten die Grenadiere im Gefecht zumeist spezielle Kampfaufgaben, ihr Einsatz erfolgte häufig in den Schwerpunkten der Schlacht. In Frankreich gab es seit 1667 Grenadiere, in den österreichischen Streitkräften seit 1670, in den brandenburgischen seit 1675/6 und in den bayerischen seit 1682. 1681 hatte der Große Kurfürst bestimmt, dass bei jeder Kompanie 6 Mann mit Handgranaten ausgerüstet werden sollten. Da der breitkrempige Hut beim Überstreifen der Muskete vor dem Handgranatenwurf hinderlich war, wurde für die Grenadiere die aus der Lagermütze entwickelte Grenadiermütze charakteristisch. Auch nachdem die Handgranaten außer Gebrauch gekommen waren, blieb die Bezeichnung Grenadiere erhalten. Die Grenadiere sollten in der preußischen Armee jeweils aus dem 3. Glied ausgesucht werden, „es müssen lauter Kerls ein, welche gut marchiren können, nicht über 35 Jahre alt sind, voll aussehen, nämlich nicht kurze Nasen, magere oder schmale Gesichter haben“ (Reglement von 1726, S. 8). Die früher auf die einzelnen Kompanien verteilten Grenadiere bildeten gemäß Ordre vom 01.05.1735 zwei Kompanien, eine je Bataillon4. Für die Inhaber der Musketier-Kompanien bedeutete dies eine Härte: „es ist ein harter Schlag vor die musquetir Capitains, aber sie sollen vor dieses Mal in den sauren Apfel beißen, und die 99 Mann komplett machen, ohne daß es den Grenadier-Capitains was koste“5. Zu den Anforderungen an die Grenadiere äußert sich Friedrich Wilhelm I. in seinem merkwürdigen Schreibstil gegenüber Leopold von Anhalt-Dessau: „... solen wohl gemacht(e) Bertige alte Soldaten sein und die granadier(e) soll der ober(st) komplet halten so wie ich die Norme setze an gesunde leutte aber (die) nit größer werden „6. Zur Zusammensetzung der Grenadier-Kompanien heißt es in einer kgl. Ordre vom 07.08.1739 an das Infanterie-Regiment No. 11 ergänzend: „Ihr sollet zu den Grenadier-Kompagnien lauter Leute nehmen von guten Gesichtern, keine kurzbeinigte und keine langhälsigte Kerls, sondern Leute, die von Schultern seyn und gute Glieder haben. Das erste Glied soll ausgehen mit 7 Zoll, das 3. soll noch 8 Mann von 7 Zoll wohl gemessen haben, die anderen Leute aber sollen noch sein von 6 ½ Zoll; im 2. Gliede sollen noch stehen 5 Mann von 6 ½ Zoll, die übrigen von 6 Zoll seynd, gut gemessen“7. Laut Berenhorst wählte man die Grenadiere noch in der Zeit nach 1740 „nicht nach der Größe aus, sie sind sogar durchgehend ziemlich klein, aber man sucht sichere, robuste Leute, von reifem Alter, und gute Marschirer aus“8.

Zwei Formationen (No. 3 und 6) wichen von diesem Etat ab. Das Infanterie-Regiment von Anhalt-Dessau (No. 3) zählte 3 Bataillone und gehörte zur Elite der altpreußischen Infanterie. Nach einem Wort Friedrich Wilhelms I. war dieses Regiment sogar „die Norm“ von der Infanterie9. Laut Haller war „dieses tapfre Korps von langem her das Muster und die Schule des Preußischen Fußvolks; denn es wurde unter den Augen des großen Dessauers geübt und gebildet, viele Feldherren - treffliche Krieger - ein Bredow, Kahlden, Mannstein, Schenkendorf und andre kamen aus dieser Pflanzschule, und die Ehre, unter demselben gedient zu haben, galt schon für eine gute Empfehlung“10. Das Musterregiment der altpreußischen Armee wurde im Jahre 1665 als Regiment Fargel zu Fuß durch Werbungen in Regensburg, Nürnberg und Frankfurt a. Main errichtet und hatte von 1693 - 1747 Fürst Leopold v. Anhalt-Dessau zum Chef. Das Regiment stand 1713 in der Priegnitz und im Magdeburgischen, 1715 garnisonierten der Stab und 3 Kompanien in Halle, 1 in Alsleben, 1 in Wettin, 1 in Kalbe, 1 in Staßfurt und Salze, 1 in Schönebeck und Frohsa, 1 in Egeln und Hadmersleben und 1 in Wanzleben (1720 6 Kompanien in Halle, 3 in Kalbe, je 1 in Wettin, Cönnern, Löbejün, Egeln, Staßfurt, Aken). Zeitweise lagen auch einige Abteilungen in Dessau. In der Garnison Halle kam es immer wieder zu Konflikten zwischen der Universität und dem Regiment, gewaltsame Werbungen waren mehrfach Anlaß für Studentenaufstände, so in den Jahren 1717, 1719 und 1734. Aber auch persönliche Streitigkeiten zwischen Militärs auf der einen Seite und Studenten auf der anderen Seite führten wiederholt zu Konflikten, im Jahre 1723 nahm die Auseinandersetzung sogar größere Formen an11. Das Infanterie-Regiment von Anhalt-Dessau repräsentierte die hohe Schule der preußischen Exerzierfertigkeit, erfüllte aber in den späteren Schlesischen Kriegen nicht die aufgrund des hohen Ausbildungsstandes eigentlich zu erwartenden Leistungen. Es bewährte sich zwar in den Schlachten von Hohenfriedeberg und Soor, versagte aber im Jahre 1760 vor Dresden und wurde vom König exemplarisch bestraft.  In der Schlacht von Liegnitz konnte sich das Regiment jedoch rehabilitieren12. Neben dem Infanterie-Regiment No. 3 zählte auch das elitäre Königsregiment (No. 6) 3 Bataillone. Von dieser elitären Einheit berichtet das nächste Kapitel. 


Heeresstärke 1713

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