Das Lebens- und Dienstalter des altpreußischen Soldaten
Mit dem Blick auf heutige Verhältnisse ist man leicht versucht, sich den altpreußischen Soldaten als einen relativ jungen Menschen vorzustellen. Das dies nicht der Realität entspricht, zeigt das überlieferte Belegmaterial. Die zeitgenössischen Dokumente belegen vielmehr ein verhältnismäßig hohes Lebens- und Dienstalter und zeigen, dass es in den Regimentern recht viele alte Leute gab.
Bei der Beschaffung von Ersatzmannschaften war nicht nur die Körpergröße der angehenden Rekruten mit Hinblick auf das vorgeschriebene Mindestmaß von Interesse, sondern es waren auch Mindest- und Höchstaltersgrenzen zu beachten. Das Infanterie-Reglement von 1743 normierte für die Infanterie zwar kein Mindestalter, jedoch sollten die Grenadiere von , ,reifem Alter"1 und die an die Garde abzugebenden Rekruten „nicht älter als von 18. bis 26. Jahr alt seyn"2. Nach den Reglements von 1743 sollten die Kürassier- und die Dragoner-Regimenter „keine Reuter unter 30 Jahr", die Husaren-Regimenter keine Rekruten „unter 28 Jahr" anwerben3. Als Friedrich der Große in seinen letzten Lebensjahren die Aufstellung von drei Freiregimentern vorbereitete, bestimmte er, dass die entsprechenden „Leute nicht alt sondern jung sein und solche die nicht viel über 20 Jahre alt sind und laufen können, indem sie gewisse Posten im Laufen attaquiren müssen"4. An anderer Stelle hielt der König für das Personal der Freibataillone einen Altersrahmen von 20 bis 45 Jahren für akzeptabel. Das Reglement für die Werbung vom 01.02. 1787 bestimmte hinsichtlich des Lebensalters der Rekruten „Auf das Alter der Rekruten ist bey deren Anwerbung ebenfalls die sorgfältigste Rücksicht zu nehmen, und soll deren keiner über 30 Jahre alt seyn. Fänden sich aber dergleichen, welche das 30ste Jahre ohnlängst erst zurück gelegt, dabey aber gesund und von robuster Constitution wären, auch gute Zähne hätten, so können Leute die ser Art noch wohl angeworben werden. Jedoch ist kein Rekrute über 35 Jahr anzuwerben, und wenn er gleich die vor theilhafteste Gestalt haben sollte"5. Im Siebenjährigen Krieg war der Mangel an Soldaten teilweise so groß, dass kriegsbedingt bereits 15-jährige Kantonisten Dienst taten. Eine Ordre vom 31.12. 1773 schrieb für die Einstellung von Kantonpflichtigen vor, daß die Regimenter aus ihren Aushebungsbezirken (Kantons) keine jungen Männer unter 20 Jahren mehr einziehen sollten, die bereits eingestellten Rekruten unter 20 Jahren durften in den Einheiten verbleiben.
Nach Lossow6 befand sich „die Mehrzahl der Soldaten in der Armee König Friedrichs des Zweiten wenigstens bei dem Anfang seiner Kriege ... in dem mittleren Alter zwischen 30 und 40 Jahren ... ''. Berenhorst7 berichtet, dass es Regimenter gab, ,,die nicht einen Mann haben, der über fünfzig Jahr alt wäre". Solche Einheiten gehörten aber zu den Ausnahmen, wie die nachfolgend gebrachten Beispiele für das Altersgefälle in altpreußischen Regimentern dokumentieren8:
Alters- |
| unter |
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| über | ins- |
gruppen |
| 20 | 20-30 | 30-40 | 40-50 | 50-60 | 60 | gesamt |
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Regt. | Jahr |
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No. 2 | 1777 | 33 | 925 | 667 | 123 | 11 |
| 1759 |
No. 6 | 1771 |
| 323 | 295 | 114 | 23 | 2 | 757 |
No. 8 | 1783 | 47 | 611 | 710 | 325 | 41 | 4 | 1738 |
No. 10 | 1766 | 121 | 912 | 419 | 161 | 36 | 3 | 1652 |
No. 16 | 1701 | 12 | 54 | 35 | 24 | 18 | 7 | 150 |
No. 16 | 1805 | 55 | 1245 | 950 | 235 | 28 | 6 | 2519 |
No. 23 | 1784 | 32 | 870 | 780 | 292 | 48 | 6 | 2028 |
No. 35 | 1747 | 82 | 1021 | 430 | 98 | 25 | 5 | 1661 |
No. 58 | 1797 | 27 | 153 | 161 | 40 | 3 |
| 384 |
K 2 | 1806 | 40 | 364 | 235 | 115 | 49 | 3 | 806 |
K 3 | 1806 | 8 | 322 | 336 | 106 | 31 | 3 | 806 |
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K 6 | 1806 | 28 | 354 | 312 | 88 | 23 | 1 | 806 |
K 7 | 1804 | 32 | 293 | 290 | 123 | 59 | 9 | 806 |
K 8 | 1755 | 27 | 297 | 225 | 130 | 41 |
| 720 |
K 10 | 1806 | 16 | 346 | 277 | 145 | 27 | 1 | 812 |
K 11 | 1806 | 15 | 371 | 262 | 110 | 42 | 6 | 806 |
D III | 1775 | 24 | 366 | 248 | 130 | 20 | 2 | 790 |
D IV | 1747 | 53 | 352 | 262 | 113 |
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| 780 |
D V | 1764 | 56 | 672 | 333 | 157 | 80 | 22 | 1320 |
Im Durchschnitt waren z. B. die Musketiere des Infanterie-Regiments von Saldern (No. 5) im Jahre 1771 30 und die Grenadiere dieser Einheit 35 Jahre alt. Die Gemeinen des Infanterie-Regiments von Hacke (No. 8) wiesen 1783 ein durchschnittliches Lebensalter von 33 Jahren auf, wobei wiederum die Grenadiere mit 35 älter als die Musketiere mit 32 Jahren waren. Auch im Infanterie-Regiment von Thüna (No. 23) war im Jahre 1784 das Durchschnittsalter in den Grenadier-Kompanien am höchsten (36,5 bzw. 38 Jahre), während es in der Leibkompanie am niedrigsten war (29 Jahre). Diese Kompanie hatte nur 9 Mann mit 40 Lebensjahren und darüber. Kopka von Lossow berichtet über das Infanterie-Regiment No. 16, dass das Durchschnittsalter der Gemeinen zu verschiedenen Zeitpunkten zwischen 29 und 30 Jahren betrug9. Aus dem recht hohen Lebensalter resultierten natürlich lange Dienstzeiten. Beispielsweise betrug die durchschnittliche Dienstzeit der Gemeinen im Infanterie-Regiment von Saldern (No. 5) 1771 8 Jahre, hingegen dienten die rangierten Gemeinen des Infanterie-Regiments von Hacke (No. 8)1783 durchschnittlich seit 9 (Inländer) bzw. 10 (Ausländer) Jahren. Abschließend einige Beispiele von Dienstalterstrukturen in Kavallerie-Regimentern:
Alters- | unter |
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| über insgesamt | ||
gruppen | 5 | 5-10 | 10-15 | 15-20 | 20-25 | 25-30 | 30 und darüber | ||
Regt. | Jahr |
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K 2 | 1806 | 250 | 174 | 129 | 99 | 67 | 53 | 34 | 806 |
K 3 | 1806 | 206 | 139 | 208 | 137 | 67 | 23 | 26 | 806 |
K 6 | 1806 | 212 | 192 | 166 | 126 | 60 | 33 | 17 | 806 |
K 7 | 1804 | 187 | 164 | 153 | 145 | 43 | 61 | 53 | 806 |
K 10 | 1806 | 173 | 198 | 168 | 109 | 95 | 39 | 30 | 812 |
K 11 | 1806 | 241 | 155 | 162 | 114 | 56 | 44 | 34 | 806 |
D IV | 1755 | 207 | 184 | 135 | 51 | 62 | 53 | 28 | 720 |
D IV | 1765 | 328 | 166 | 58 | 62 | 67 | 15 | 25 | 721 |
D III | 1775 | 305 | 175 | 137 | 59 | 28 | 8 | 8 | 720 |
D IV | 1776 | 288 | 154 | 143 | 75 | 23 | 22 | 15 | 720 |
D IV | 1785 | 206 | 232 | 125 | 82 | 51 | 16 | 8 | 720 |
D IV | 1796 | 210 | 190 | 106 | 107 | 53 | 36 | 18 | 720 |
D IV | 1804 | 263 | 150 | 119 | 80 | 35 | 52 | 21 | 720 |
D III | 1805 | 161 | 212 | 141 | 127 | 47 | 22 | 10 | 720 |
Die Dienstpflicht in der altpreußischen Armee war zeitlich nicht begrenzt, der Ausländer (ohne Kapitulation) und der Inländer dienten auf „lebenslang"10. Die Ausländer kapitulierten aber in der Regel auf eine bestimmte Anzahl von Jahren. Friedrich Wilhelm 1. verbot im Jahre 1713 den Abschluß von zeitlich befristeten Kapitulationen11); dies war aber in der Praxis nicht durchzusetzen. Laut Ziffer 15 der ,,Disposition und Ordres, wonach die Königl. Preuß. Infanterie-Regimenter von dato den 13. September1732 wegen der Werbung sich zu verhalten haben sollen", sollten die neuen Kapitulationen für eine Laufzeit von sechs Jahren abgeschlossen werden,es sind aber auch solche für drei Jahre bekannt12. Unter König Friedrich Wilhelm I. war bei einer erneuten Kapitulation nur für die Soldaten des 1. und 4. Gliedes auch eine erneute Auszahlung des Handgeldes verbunden. Das bereits erwähnte Reglement für die Werbung vom 01.02.1787 bestimmte, dass die Kapitulationen bei der Infanterie für einen Zeitraum von 10 Jahren (und einen Tag) und beider
Wie die Ausländer, welche sich freiwillig weiter verpflichteten oder ihre Kapitulationen (z. B. zur Erlangung eines Heiratskonsenses) abgegeben hatten, dienten auch die Inländer im Grunde bis zur Invalidität. Eine Ausmusterung erfolgte grundsätzlich nur bei mangelnder körperlicher Tüchtigkeit, was in der Regel eine zu kleine Statur bedeutete, oder bei Übernahme eines bäuerlichen Hofes. Erst die Novellierung der Kantonverfassung durch das Kanton-Reglement vom 12.02. 1792 brachte für die Inländer eine Regeldienst zeit von zwanzig Jahren mit sich. Ein Abschied sollte nach Ableistung der zwanzigjährigen Dienstzeit aber nur dann erfolgen, wenn der entsprechende Soldat nachweisen konnte,,wie er, ohne den öffentlichen Invaliden Versorgungsanstalten zur Last zu fallen, und, ohne etwas mehr, als das freye Bürger- und Meisterrecht zu verlangen, sich ernähren im Stande ist"13. Die noch nicht einrangierten Kantonpflichtigen hatten sich vom 16. bis zum 45. Lebensjahr jährlich den Kantonrevisionen zu stellen und erst mit Erreichen des genannten Höchstalters galt die Dienstpflicht als erloschen. Die Nichtbegrenzung der Dienstzeit für die Inländer wurde als Mangel empfunden. Deshalb schlug General von Moellendorff im Rahmen der Reformbemü hungen zu Beginn der Regentschaft Friedrich Wilhelms II in einer Denkschrift vom 9. VI. 1788 die Begrenzung der Dienstzeit auf 18 - 20 Jahre vor, diesem Gedanken schloß sich der Herzog von Braunschweig in einem Pro Memoria vom 19. VI. 1788 an14. Grundsätzlich dienten die Inländer aber auch schon vor der Festlegung einer Regeldienstzeit nur 20 Jahre15, wenn man überhaupt von einer zwanzigjährigen Dienstzeit sprechen konnte, denn der aktive Dienst der Kantonisten und auch eines Teiles der Ausländer, nämlich der Freiwächter, war auf die sogenannte Exerzierzeit beschränkt. Diese währte nach dem Reglement von 1726 noch drei Monate, war aber schon im Reglement von 1743 auf zwei Monate reduziert und umfasste später nur noch sechs Wochen.
In erster Linie standen Kostengründe einer Einschränkung der Dienstzeit entgegen, denn der verabschiedete Soldat musste ja nicht nur durch einen Rekruten ersetzt werden, was zumindest bei den Ausländern unter Umständen mit der Ausschüttung eines Handgeldes verbunden war, sondern gegebenenfalls auch noch versorgt werden. Die Versorgung dienstuntüchtiger Soldaten im Rahmen des Invalidenwesens war aber in der altpreußischen Armee vor allem mangels finanzieller Mittel nur unzureichend geregelt. So nahm man lieber eine gewisse Überalterung der Mannschaft in Kauf. Allerdings begrüßte man auch das Vorhandensein eines ,,Alten Stammes" bei den Regimentern, da diese erfahrenen, im Dienst ergrauten Soldaten die Qualität einer Einheit stabilisierten, quasi als Korsettstangen fungierten. Mit Ordre vom 13.09.1732 kritisierte deshalb Friedrich Wilhelm I.: ,,Weilen Se. Königl. Majestät auch bemerkt, daß einige Regimenter große Kerls ausrangiert haben, welche noch gesund und frisch gewesen, auch noch lange hätten dienen können, ob sie schon gleich bei Jahren gewesen, so befehlen sie allen Dero Chefs und Commandeurs, daß ins Künftige kein alter Kerl nicht eher ausrangiret werden soll, als bis er nicht mehr marchiren kann"16. Am 20. VI. 1742 befahl Friedrich der Große: ,,Die Stabsofficiers müssen eine sonderbare attention auf conservation der alten Soldaten haben ... '' und in einer Kabinettsordre vom 9.08. 1747 hieß es: alte Unteroffiziere sollen solange „als möglich bei dem Regiment" behalten werden17. Der Chef von H 5, Joseph Theodor Frei herr von Ruesch, erhielt im Jahre 1749 ein scharfen königlichen Befehl folgenden Inhalts: ,,Er hat in einem Monat 43 Husaren seines Regiments dimittiert. Davon bin Ich ganz übel zufrieden und begreife nicht, wie Ihr dazu kömmt ohne Mich zu fragen, so viele alte Leute auszurangieren. Nur ganz invalide Husaren dürfen ausrangiret werden, die anderen bleiben im Regiment, solange sie nur capable zu dienen"18. Gegenüber dem Chef des 1. Artillerie-Regiments und Inspekteur der gesamten Artillerie, Georg Ernst von Holzendorff, äußerte sich der König mit Schreiben vom 21. 06. 1783 noch einmal über die Bedeutung alter Soldaten: ,,Ich werde gewahr, daß Sie bey der Artillerie so viel Unterofficiers verabschieden und herumschicken, die noch guth dienen können, und Ich werde von dergleichen alle Tage überlauffen, die keineswegs invalide sind und nur im Dienste versorgt seyn wollen. Das ist aber keineswegs Meiner intention gemäß, daß Sie die Leuthe von der Artillerie so leichte gehen lassen sollen. Besonders was die Unterofficiers sind; denn wenn&olche auch alt geworden sind, so schicken sie sich um so besser zum Dienst; denn sie haben um so mehr Erfahrun gen, und ist das besser als andere junge Menschen, die die Sache erst lernen sollen ... "19.
Den königlichen Befehlen und praktischen Erwägungen gehorchend, versuchte man die alten Soldaten zu „conserviren" und dokumentierte die Lebensaltersstruktur durch exakte Personalstatistiken auf Regimentsebene: zu den wesentlichen persönlichen Daten des Soldaten, welche Eingang fanden in die Listen und Tabellen der Regimentsbücher, gehören neben Personenstand, Profession, Körpergröße und Nationalität (Vaterland) auch Angaben zum Lebensalter und zur Dienst- und Felderfahrung. In üblicher Manier wurden die Werte zum Alter des Soldaten im Nachgang zu den einzelnen Kompaniestammrollen übersichtlich zusammen gestellt und dieses Gesamtergebnis festgehalten. So war es sofort möglich, detailliert Auskunft zu geben über die Alterssituation im Regiment. Die momentane Bilanz wurde dem Vorjahresergebnis gegenüber gestellt, das Altersgefälle, nach Gruppen geordnet, fixiert und der „Alte Stamm" der Formation mit besonderer Berücksichtigung der „Krieges Begebenheiten" aufgeführt. Zeigt sich hier zum einen das Bedürfnis, das Potential an erfahrenen Kombattanten festzuschreiben, so kann man dies zum anderen auch mit einem gewissen Traditionsbedürfnis verbinden: das Regiment wurde als ein geschichtsträchtiger Organismus verstanden, dessen Angehörige als Akteure und Teilnehmer kriegsgeschichtlicher Aktionen Erwähnung verdienen.
Es gibt zahlreiche Beispiele für das Vorhandensein eines ,,Alten Stammes" in den Regimentern, hier eine Auswahl:
Von den Mannschaften des Infanterie-Regiments von Saldern (No. 5) gehörten im Jahre 1771 71 Unteroffiziere, 6 Spielleute und 179 Gemeine (einschließlich von 5 Überkompletten) zum „Alten Stamm". 1 Unteroffizier, 1 Spielmann und 2 Gemeine waren „in Schlesien ano 1740 et 42", 26 Unteroffiziere, 2 Spielleute und 37 Gemeine „in Böhmen, Sachsen, ano 1744 et 45". Auch ein „Rheinströmer" diente noch im Regiment (der Regimentstambour).
Das Infanterie-Regiment von Hacke (No. 8) hatte 1783 noch 69 Unteroffiziere, 6 Spielleute, 155 Gemeine aus dem Siebenjährigen Kriege. 1787 dienten im Infanterie-Regiment von Braun (No. 13) noch „mehrere Unteroffiziere und 60 Gemeine", die bereits die Schlacht von Prag (6. V. 1757) mitgemacht hatten. 1777, also 14 Jahre nach der Beendigung des Siebenjährigen Krieges, hatte das Infanterie-Regiment Prinz Hein rich (No. 35) noch 3/4 der Unteroffiziere, 1/5 der Spielleute und mehr als 1/ 4 der Gemeinen, die diesen Krieg als Akteure miterlebt hatten.
Im Jahre 1806 gehörten zu dem Kürassier Regiment von Beeren (K 2) vor Beginn des Feldzuges nicht weniger als 109 invalide Soldaten, die in Reih und Glied stan den und teilweise bereits seit 1802 als solche anerkannt wa ren.
Das Regiment der Garde du Corps (K 13) zählte 1788 noch 3 Unteroffiziere, 1 Trompeter und 14 Gardes du Corps, die noch an der Schlacht von Leuthen (05.12.1757) und 7 Unteroffiziere, 1 Trompeter und 22 Gardes du Corps, die noch an der Schlacht von Zorndorf (25. VIII. 1758) teilgenommen hatten. 15 Unteroffiziere, 1 Trompeter und 56 Gardes du Corps gehörten schon beim Einmarsch des Regimentes 1763 zu demselben.
Unter den Mannschaften, die 1806 in dem Dragoner-Regiment König von Bayern (D I) standen, war noch ein Quartiermeister, der schon seit 1756 diente. 374 waren in den „Rheinkampagnen" (1792-95), 153 im holländischen Feldzug (1787) und 75 im Bayerischen Erbfolgekrieg (1778/79) engagiert.
1805 hatte das Dragoner-Regiment von Ansbach-Bayreuth (D V) noch 6 Mann, die den 7-jährigen Krieg mitgemacht hatten und 142 Mann, die schon 1779 dienten.
Das Dragoner-Regiment von Borcke (D VII) wies 1786 noch 1 Unteroffizier auf, der sämtliche Feldzüge Friedrichs des Großen mitgemacht hatte, 133 hatten schon im Siebenjährigen Krieg in der Einheit gedient.
Mit Ordre vom 04.05.1743 wies Friedrich der Große den Chef von H 1; Johann von Bronikowski, an, dass die alten Husaren zu verabschieden sind, es handelte sich um zwei 90-jährige (!) Husaren 20).
Beim braunen Husaren-Regiment (H 6) machte ein 86-jähriger Husar den Feldzug von 1792 mit21 und vom Husaren Regiment von L'Estocq (H 1) ist bekannt, dass Anfang 1806 in ihm ein 82-jähriger Unteroffizier diente, 3 Leute waren über 70 und 9 über 60 Jahre alt.
Das Festhalten bereits invalider Soldaten in Reih und Glied22 wirkte sich allerdings negativ auf die Schlagkraft der Truppe aus. Zu junge oder zu alte Soldaten litten natürlich besonders unter den Belastungen eines Feldzuges; die dadurch bedingten erhöhten Ausfälle konnten insbesondere bei unregelmäßiger Verpflegung oder extremen Einsatzbedingungen (z.B. überlange Märsche) zum vermehrten Ausfall oder ansteigender Fahnenflucht führen. Die den Anforderungen eines Ernstfalles nicht gewachsenen Soldaten stellten dann die Gruppe der Deserteure, der Zurückbleibenden und bevölkerten die Lazarette. Dennoch machte die „Conservirung" alter Soldaten Sinn, denn es gibt viele Beispiele für das beherzte Verhalten gerade älterer Soldaten in Krisensituationen, z. B. in der Nachtschlacht von Hochkirch. Ältere Soldaten hatten auch eine soziale Funktion im Regimentsverband inne, denn sie konnten durch vorbildliche Haltung und Zureden jüngeren Kameraden die Anpassung an die von Zwang und Gehorsam geprägte Welt des Militärs erleichtern. Diese Integrationshilfe beim Sozialisationsprozeß von Rekruten oder widerwilligen Soldaten ist in der Literatur mehrfach bezeugt, so berichtet Fürst Leopold von Anhalt Dessau in seinen Schriften: ,,Es ist gewiß, daß ich es zu vielen mahlen erfahren, daß liederliche Soldaten, die sich weder vor Straffe noch Zureden der Officiers beßern wolten, wenn ich sie durch alte Soldaten zureden !aßen, sich hierdurch so geändert, daß wenn ich von der Compagnie bin abwesend gewesen und wieder dabey gekommen, dieselben fast nicht wieder gekennet habe''23.
Der positive Einfluss älterer auf jüngere Soldaten im Sinne der Disziplinierung wird ebenso durch die Memoiren des wohl bekannten „armen Mannes im Tockenburg" (Bräker) bestätigt24. Hierzu trug auch bei, dass das Alter sich im 18. Jahrhundert auf der Höhe seines Ansehens befand, in der Hierarchie betonten Welt jener Zeit galt das Alter als Autorität und die Macht des Älteren war unangefochten25. Deutlich spricht Mente dies in seinen Erinnerungen an: ,,Wenn es den jungen Leuten auch gestattet war, im Kreise der Alten Platz zu nehmen, so war es ihnen doch keineswegs erlaubt, sich an der Unterhaltung zu betheiligen, denn der altgediente Soldat nahm damals einen besonderen Respekt in Anspruch, welchen er ungeahndet niemals verletzen ließ. Ja selbst der altgediente gemeine Mann gestattete seinen jüngeren Kameraden kein vorlautes Benehmen; derselbe durfte auch nur reden, wenn er gefragt wurde, auch war es ihm während seiner Rekrutenzeit, welche damals ein volles Jahr dauerte, nicht erlaubt, seine älteren Kameraden mit „Du" anzureden, sondern er musste das für respektvoller gehaltene „Er" gebrauchen26. So ist es nur verständlich, dass Friedrich der Große nach den ersten verlustreichen Schlachten des Siebenjährigen Krieges den Verlust gerade dieser erfahrenen Kader beklagte: ,,Diese alten braven Soldaten waren nicht mehr vorhanden, und die neuen, aus denen die Armee zusammengesetzt war, bestanden größtenteils aus Deserteuren oder aus schwachen jungen Leuten unter 18 Jahren, die unfähig waren, die schweren Strapazen einer Kampagne auszuhalten"27.
Fußnoten:
- 1. Berenhorst, Georg Heinrich v., Betrachtungen über die Kriegskunst, Leipzig 1827, Nachdruck Osnabrück 1978, S. 293.
- 2. Reglement Vor Die König!. Preußische Infanterie ... Berlin 1743, S. 572.
- 3. Reglement Vor die König!. Preußische Cavallerie Regimenter ... , Berlin 1743, Theil VIII, Tit. V., Art. VI, S. 28 und Reglement Vor die König!. Preußische Dragoner Regimenter ... , Berlin 1743, S. 485 und Reglement Vor die König!. Preußische Husaren-Regimenter, Berlin 1743, S. 310.
- 4. Taysen, A. v., Die militärische Thatigkeit Friedrichs des Großen während seines letzten Lebensjahres, Berlin 1886, S. 26.
- 5. Art. 22 des Reglements für die Werbung vom 01.02.1787.
- 6. Lossow, v., Denkwürdigkeiten zur Charakteristik der preußischen Armee, unter dem großen König Friedrich dem Zweiten. Glogau 1826, S. 14.
- 7. Berenhorst, a. a.0., S .293.
- 8. Bei No. 16 im Jahre 1701 nur die Leibkompanie des Feldbataillons, hingegen 1805 einschließlich des 3. Musketier-Bataillons No. 58 (1797) war gerade im Aufbau begriffen.
- 9. Kopka von Lossow, Geschichte des Grenadier Regiments König Friedrich 1. (4. Ostpreußisches) Nr. 5, Berlin 1901, II. Band, S. 108.
- 10. Berenhorst, a. a. 0., S. 293.
- 11. Ordre vom 15. V. 1713, vgl. Jähns, Max, Geschichte der Kriegswissenschaften vornehmlich in Deutschland, München und Leipzig 1890, II. Band, S. 1554.
- 12. List und Lustige Begebenheiten derer Herren Officiers auf Werbungen, Rostock 1741, S. 70.
- 13. § 90 des Kanton-Reglements vom 12. II. 1792.
- 14. Mittheilungen aus dem Archiv des kg!. Kriegsministeri ums, Berlin 1891 f., II. Heft, S. 82 ff. Eine solche 20-jährige Dienstzeit erschien aber z. B. Freiherrn vom Stein immer noch zu lang, er forderte eine Begrenzung auf 10. höchstens aber 15 Jahre, vgl. Max Lehmann, Freiherr vom Stein, Leipzig 1902, 1. Theil, S. 290.
- 15. Jany, Curt, Geschichte der Königlich Preußischen Armee bis zum Jahre 1807, Berlin 1928 f., Nachdruck Osna brück 1967, III. Band, S. 54.
- 16. Becher, Paul, Der Kronprinz Friedrich als Regiments-Chef in Neu-Ruppin von 1732 - 1740, Berlin 1892, S. 121.
- 17. Preuß. J. D. E., 1. Urkundenbuch zu der Lebensgeschichte Friedrichs des Großen, Berlin 1832, S. 75.
- 18. Priesdorff, Kurt v., Soldatisches Soldatentum, 1., Hamburg o. J., S. 374 f.
- 19. ebd., II., S. 136 f.
- 20. ebd., 1., S. 251.
- 21. Jany, a. a. 0., III, S. 58.
- 22. Siehe hierzu die vorstehend gemachten Angaben zu K 2 (1806).
- 23. Des Fürsten Leopold von Anhalt-Dessau Idee von allen Militair-Chargen, hgb. von J. D. E. Preuß, in: Zeitschrift für Kunst, Wissenschaft und Geschichte des Krieges, 1861/II., s. 91 f
- 24. Bräker, Lebensgeschichte und Natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg, hgb. von H. H. Füßli, Zürich 1789, Nachdruck Stuttgart 1979, passim.
- 25. Vgl. u. a. Peter Borscheid, Geschichte des Alters. Vom Spätmittelalter bis zum 18. Jahrhundert. München 1989, Seite 163 f.
- 26. Mente, W., Von der Pieke auf. Erinnerungen an eine neun und vierzigjährige Dienstzeit in der Königlich Preußi schen Artillerie, Berlin 1861, S. 29.
- 27. zitiert nach: Scharfenort, v., Kulturbilder aus der Vergangenheit des altpreußischen Heeres, Berlin 1914, S. 19.