Die Stadt Münster als königlich-preußische Garnison 1813 - 1918
Text wird noch ergänzt und bebildert.
Münster wird die Hauptstadt der Provinz Westfalen.
Am 07.11.1813 besetzten russische Truppen im Zuge der Befreiungskriege die Stadt Münster, damit war das französische Intermezzo beendet. Es wurde ein preußisches Militärgouvernement eingesetzt und im Zuge der Neuordnung Europas nach den Napoleonischen Kriegen wurde Münster im Jahre 1815 die Hauptstadt der neuen preußischen Provinz Westfalen. Münster wurde zugleich Sitz des Generalkommandos des VII. Armeekorps und blieb Garnisonstadt mit einem zahlreichen Militär. 1817 hatte Münster insgesamt 15000 zivile und ca. 2000 militärische Einwohner, 1873 waren es 21500 Einwohner und 3250 Militärpersonen und im Jahre 1900 60000 Einwohner und 3700 Militärpersonen. Schließlich zählte die Stadt Münster im Jahre 1913 mittlerweile 96000 zivile und 5250 militärische Einwohner.
Gründung des Generalkommandos.
Das 1815 gegründete Generalkommando im Herzogtum Westfalen hieß ab 1816 Generalkommando von Westfalen. Ab 1820 führte es die Bezeichnung Generalkommando des 7. Armeekorps.
Die kommandierenden Generäle in Münster.
Die in Münster kommandierenden Generäle waren im Laufe der Zeit folgende:
Generalleutnant Levin Karl v. Heister (ab 1815)
Generalleutnant Johann Adolf v. Tielmann (ab 1815)
Generalleutnant Heinrich Wilhelm v. Horn (ab 1820)
Generalleutnant Friedrich Karl Ferdinand Frhr. V. Müffling (ab 1829)
General Ernst Adolph Heinrich v. Pfuel (ab 1838)
Generalleutnant Karl Graf v. d. Gröben (ab 1848)
General der Kavallerie Ludwig Frhr. Roth v. Schreckenstein (ab 1853)
General der Infanterie Karl Anton Fürst v. Hohenzollern-Sigmaringen (ab 1858)
Generalleutnant Eduard v. Bonin (ab 1858)
Generalleutnant Henrich Georg Eduard v. Schlegell (ab 1858)
General der Infanterie Eberhard Herwarth v. Bittenfeld (ab 1860)
General der Infanterie Eduard Vogel v. Falkenstein (ab 1865)
General Heinrich Adolf v. Zastrow (ab 1866)
General der Kavallerie Wilhelm Graf zu Stolberg-Wernigerode (ab 1871)
General der Kavallerie Karl Friedrich Wilhelm v. Witzendorf (ab 1882)
General der Kavallerie Emil Heinrich Ludwig v. Albedyll (ab 1888)
General der Infanterie Max Robert v. Goetze (ab 1893)
General der Infanterie Kajetan Viktor Hugo v. Mikusch-Buchberg (ab 1897)
Generalleutnant Frhr. Ernst Friedrich Wilhelm v. Bülow (ab 1900)
General der Kavallerie Frhr. Moritz Ferdinand v. Bissing (ab 1901)
General der Kavallerie Friedrich v. Bernhardi (ab 1907)
General der Kavallerie Karl v. Einem gen. V. Rothmaler (ab 1909)
General der Infanterie v. Claer (ab 1914)
General der Infanterie v. Francois (ab 1915)
Generalleutnant v. Woyna (ab 1918)
Generalleutnant Levin Karl v. Heister (ab 1815)
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Generalleutnant Johann Adolf v. Tielmann (ab 1815)
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Generalleutnant Heinrich Wilhelm v. Horn (ab 1820)
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Generalleutnant Friedrich Karl Ferdinand Frhr. V. Müffling (ab 1829)
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General Ernst Adolph Heinrich v. Pfuel (ab 1838)
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Generalleutnant Karl Graf v. d. Gröben (ab 1848)
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General der Kavallerie Ludwig Frhr. Roth v. Schreckenstein (ab 1853)
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General der Infanterie Karl Anton Fürst v. Hohenzollern-Sigmaringen (ab 1858)
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Generalleutnant Eduard v. Bonin (ab 1858)
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Generalleutnant Henrich Georg Eduard v. Schlegell (ab 1858)
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General der Infanterie Eberhard Herwarth v. Bittenfeld (ab 1860)
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General der Infanterie Eduard Vogel v. Falkenstein (ab 1865)
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General Heinrich Adolf v. Zastrow (ab 1866)
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General der Kavallerie Wilhelm Graf zu Stolberg-Wernigerode (ab 1871)
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General der Kavallerie Karl Friedrich Wilhelm v. Witzendorf (ab 1882)
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General der Kavallerie Emil Heinrich Ludwig v. Albedyll (ab 1888)
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General der Infanterie Max Robert v. Goetze (ab 1893)
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General der Infanterie Kajetan Viktor Hugo v. Mikusch-Buchberg (ab 1897)
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Generalleutnant Frhr. Ernst Friedrich Wilhelm v. Bülow (ab 1900)
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General der Kavallerie Frhr. Moritz Ferdinand v. Bissing (ab 1901)
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General der Kavallerie Friedrich v. Bernhardi (ab 1907)
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General der Kavallerie Karl v. Einem gen. V. Rothmaler (ab 1909)
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General der Infanterie v. Claer (ab 1914)
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General der Infanterie v. Francois (ab 1915)
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Generalleutnant v. Woyna (ab 1918)
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Die Gliederung des VII. Armeekorps.
Dessen Friedensgliederung sah im Jahre 1914 wie folgt aus:
13. Division: Münster
25. Infanterie-Brigade
Infanterie-Regiment Nr. 13: Münster
Infanterie-Regiment Nr. 158: Paderborn
26. Infanterie-Brigade: Minden
Infanterie-Regiment Nr. 15: Minden
Infanterie-Regiment Nr. 55: Detmold/ Höxter/ Bielefeld
13. Kavallerie-Brigade: Münster
Kürassier-Regiment Nr. 4: Münster
Husaren-Regiment Nr. 8: Paderborn/ Neuhaus
13. Feldartillerie-Brigade: Münster
Feldartillerie-Regiment Nr. 22: Münster
Feldartillerie-Regiment Nr. 58: Minden
Landwehr-Inspektion: Dortmund
14. Division: Düsseldorf
27. Infanterie-Brigade: Köln
Infanterie-Regiment Nr. 16: Köln
Infanterie-Regiment Nr. 53: Köln
28. Infanterie-Brigade: Düsseldorf
Infanterie-Regiment Nr. 39: Düsseldorf
Infanterie-Regiment Nr. Nr. 159: Mülheim-Ruhr
79. Infanterie-Brigade: Wesel
Infanterie-Regiment Nr. 56: Wesel/ Cleve
Infanterie-Regiment Nr. 57: Wesel
14. Kavallerie-Brigade: Düsseldorf
Husaren-Regiment Br. 11: Krefeld
Ulanen-Regiment Nr. 5: Düsseldorf
Landwehr-Inspektion: Essen
Zum genannten Armeekorps gehörten auch ein Train-Depot in Münster, eine Artillerie-Werkstatt in Lippstadt, Artillerie-Depots in Münster und in Wesel, ein Festungsgefängnis in Wesel, ein Korps-Bekleidungsamt in Münster und eine Offizier-Reitschule in Paderborn.
Die Kommandobehörden in Münster und sonstige militärische Einrichtungen.
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Das Generalkommando war in einem Gebäude an der Ecke der Grevener- und Wilhelms-Strasse untergebracht.
Der kommandierte General residierte und wohnte im Schloss.
In einem der Torhäuser am Neuplatz hatte das Garnison-Kommando seinen Amtssitz. Hier logierte der "Platzmajor".
Das nach der Reichsgründung im Jahre 1871 aus den Truppen des Norddeutschen Bundes und der süddeutschen Kontingente gebildete Reichsheer umfasste wie alle modernen Armeen jener Zeit an Waffengattungen: Infanterie, Kavallerie, technische Truppen (Feld-, Fußartillerie, Ingenieure und Pioniere) und Verkehrstruppen (Train-, Eisenbahn-, Kraftfahr-, Luftschiffer-, Flieger- und Telegraphenformationen). Der fortschreitende Ausbau vor allem der letzteren Spezies erfolgte in steter Wechselwirkung mit der rasanten Entwicklung des technischen Fortschritts. Laut der Vorgabe des Reichsgesetzes vom 03.07.1913 sollten vorhanden sein: 669 Infanterie-Bataillone (mit Jäger und Schützen), 550 Eskadrons, 633 Feldartillerie-Batterien, 55 Fußartillerie-Bataillone, 44 Pionier-Bataillone, 31 Eisenbahn- (Verkehrstruppen-) Bataillone und 26 Train-Bataillone. Dieses Ziel wurde aber vor dem Kriegsausbruch nicht mehr ganz erreicht.
Die Zusammensetzung der Garnison Münster.
Auch in der Garnison Münster waren fast alle Waffengattungen vertreten. Einige Formationen waren mit der Stadt Münster als Garnison besonders eng verbunden, und zwar: das Infanterie-Regiment Herwarth von Bittenfeld (1. Westfälisches) Nr. 13, das Kürassier-Regiment von Driesen (Westfälisches) Nr. 4, das 2. Westfälische Feldartillerie-Regiment Nr. 22 und das Westfälische Train-Bataillon Nr. 7. Während sich das Infanterie-Regiment Herwarth von Bittenfeld (1. Westfälisches) Nr. 13 vor allem im städtischen Bürgertum großer Beliebtheit erfreute, diente im Kürassier-Regiment von Driesen (Westfälisches) Nr. 4 der westfälische Adel und der Mannschaftsersatz entstammte insbesondere dem ländlichen Milieu.
Einquartierung und Truppenunterbringung in Münster.
Das Infanterie-Regiments Herwarth von Bittenfeld (1. Westfälisches) Nr. 13 verteilte sich zunächst auf verschiedene Garnisonen und lag dort überwiegend in Bürgerquartieren. In den Jahren 1818-20 wurden die in Wesel stationierten Kompanien kaserniert. 1820 wurden auch in Münster zwei Kompanien in der Minoriten-Kaserne untergebracht, die restlichen Kompanien verblieben aber im Bürgerquartier. Da diese Art der Unterbringung auch für die betroffenen Haushalte verschiedene Unannehmlichkeiten mit sich brachte, bot die Stadt Münster den Bau einer Kaserne vorzufinanzieren. Die zur Verfügung gestellten Gelder sollten in 12 Raten zurückerstattet werden. Dieser Vorschlag wurde am 01.03.1827 von höchster Stelle genehmigt und am 24.04.1828 erfolgte bereits die Grundsteinlegung für den Bau der Ägidii-Kaserne. Im Herbst des Jahres 1831 konnten die Baulichkeiten von sechs Kompanien bezogen werden. Zunächst war die Unterbringung aller drei Bataillone in der neuen Kaserne geplant, dieser umfassende Plan wurde jedoch nicht realisiert. Der Planer war der Ingenieur-Hauptmann v. Bütow. Die Kaserne wurde schließlich als viergeschossiger verputzter Backsteinbau ausgeführt und bestand aus zwei rechtwinkelig aufeinanderstoßenden Gebäudeteilen mit Walmdach. Der nördliche Gebäudeteil war 88,58 m lang und verlief entlang der Johannisstraße. Der östliche Gebäudeteil entlang der Ägidiistraße war nach außen leicht geknickt und bestand aus zwei seitlichen Trakten mit einer jeweiligen eine Länge von 45,90 m. Die Stuben für je 10 Mannschaften hatten eine Grundfläche von 9,73 m x 4,39 m. Zunächst war die Kaserne mit einer modernen Luftheizung ausgestattet, diese funktionierte aber nicht zufrieden stellend, so dass wieder auf eiserne Öfen zurückgegriffen werden musste[1].
[1] Max Geisberg, Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen, Band 4., S. 485 ff.
Die Kavallerie war zunächst in verschiedenen ehemaligen Kirchen- und Klostergebäuden untergebracht, z. B. in der Rosendaler-Kaserne. Es handelte sich um einen im Jahre 1821 umgebauten Klosterflügel, an dessen Seitenflügeln sich Pferdeställe anschlossen. Auch das gegenüber dem Buddenturm gelegene umgebaute Jüdefelder Armenhaus diente der Unterbringung der Kavallerie. In der Kirche des Observantenklosters wurden durch den Einbau einer Zwischendecke zwei nutzbare Geschosse geschaffen. Im Erdgeschoss wurde ein Pferdestall eingerichtet, im Obergeschoss lagerten Uniformen und Ausrüstungsstücke. Die berittenen Truppen waren auch im alten fürstbischöflichen Münzhaus untergebracht. Im Bereich der ehemaligen Schlosskaserne befanden sich zwei Reitbahnen und ein großer Pferdestall. Ferner diente zeitweise das ehemalige Gardehotel am Krummen Timpen zur Unterbringung der Kavallerie. Am Bispinghof befand sich ein großer Pferdestall. Doch die alten umgebauten Baulichkeiten genügten mit der Zeit nicht mehr den gestiegenen – auch hygienischen - Anforderungen. Nach der Reichsgründung (1871) versuchte man die Unterbringung der Truppen umfassend zu steuern und zu modernisieren. Ein so genannter Kasernierungsplan wurde im Jahre 1877 dem Reichstag vorgelegt und in der Folge strittig diskutiert. Obwohl nicht förmlich verabschiedet, beeinflusste diese grundsätzliche Planung die weitere Kasernierung der Truppen des Reichsheeres. Im Jahre 1896 waren bereits 89,7 % der preußischen Truppen kaserniert, die früher übliche Einquartierung von Soldaten bei Bürgern gehörte zu diesem Zeitpunkt der Vergangenheit an.
Auch in Münster wurden nach und nach die alten Quartiere in der Innenstadt aufgegeben und moderne Kasernen am Stadtrand geschaffen. Um die Jahrhundertwende entstanden an den nördlichen Ausfallstraßen (und im Südviertel) eine Reihe von großen militärischen Baukomplexen, so in den Jahren 1898 – 1901 die in Ziegelbauweise errichtete Kürassier-Kaserne an der Steinfurter Straße. Die Kaserne bestand aus 5 mehrgeschossigen Unterkunftsgebäuden mit Schaufassaden entlang der genannten Straße. Im rückwärtigen Bereich befanden sich umfangreiche Stallungen und Remisen nebst Reithalle, Hufschmiede, Küchen- und Kantinengebäude und umfängliche Exerzierflächen. Die Kaserne wurde am 21.09.1901 vom Regiment bezogen. Auf der anderen Straßenseite entstanden die zwei Gaststätten „Driesen“ und „Zum Kronprinzen“ und weiter stadteinwärts ein villenartiges Offizierskasino.
Der Dienstalltag der in Münster stationierten Truppen.
Feste Bestandteile des Dienstalltages aller Einheiten waren Wachen und Postenstehen. Es gab Ehren- und Sicherheitswachen. Wachen sollten die allgemeine Sicherheit wahren, gleichzeitig wurde hierbei der allgemeine Wachdienst trainiert. Der allgemeine Wachdienst in den Garnisonen oblag vor allem den Fußtruppen, die berittenen Truppen stellten vor allem die Wachkommandos vor den eigenen Kasernen. Ehrenwachen erhielten Fürstlichkeiten usw. Die Wachkommandos hatten besondere Befugnisse, waren Vorgesetzte der Unteroffiziere und Mannschaften (nicht der Offiziere) und versahen Polizeiaufgaben.
Seit dem 17. Jahrhundert war die Hauptwache im vorderen Teil des Rathauses untergebracht.
Im Jahr 1843 (März) beantragte der Magistrat der Stadt Münster die Verlegung derselben in das benachbarte Stadtweinhaus. Dieser Antrag wurde vom kommandierenden General an das Kriegsministerium weitergeleitet und bereits im Folgemonat (April) genehmigt. Die Umsetzung dauerte aber dann doch noch eine längere Zeit, da vom Militär bauliche Veränderungen verlangt wurden. Schließlich wurden im Stadtweinhaus zwei Wachstuben und zwei Arrestlokale geschaffen und Anfang des Jahres 1847 erfolgte der tatsächliche Umzug. Allerdings wurde die Hauptwache im Jahr 1891 mit der Neutorwache vereinigt. Dieser Wechsel wiederum stieß auf Widerstand der Bürgerschaft, allerdings blieb es bei bei dem Auszug der Hauptwache aus dem Stadtweinhaus.
Paraden und Besichtigungen stellten Höhepunkte im militärischen Alltag dar. Parade bedeutete i. d. S. Musterung bzw. Heerschau. Im Rahmen der Parade unterschied man Aufstellung und Vorbeimarsch, beides war Anlass und Möglichkeit zugleich, Disziplin und Ausbildungsstand der beteiligten Einheiten zu messen. Diese fanden vornehmlich auf dem Neuplatz statt. Dieser Platz führte ab 1759 diese Bezeichnung, in der Zeit von 1927 bis 2012 hieß er Hindenburgplatz (jetzt Schlossplatz). Hier fanden aber auch Exerzierübungen der Infanterie, aber auch der Kavallerie statt.
Das Verhältnis zwischen Bürgerschaft und Militär in Münster.
Das Verhältnis der münsterischen Bürgerschaft zum (preußischen) Militär war kühl bis zurückhaltend. Das überwiegend landfremde und protestantische Offizierskorps war gesellschaftlich isoliert.
Die wechselseitigen Vorbehalte blieben lange virulent und die hieraus folgenden gesellschaftlichen Verwerfungen werden in den Memoiren der Lily Braun – der Tochter eines kommandierenden preußischen Generals - deutlich: „… Sie sind alle gläubige Katholiken; sie versäumen die Messe nicht, auch wenn sie die Nächte durchtanzen; barhäuptig, Gebetbuch und Rosenkranz in den Händen, schreiten die vornehmsten mit in der großen Prozession am Montag nach dem Reliquienfeste und am Tage Maria Heimsuchung; die Kirche ist ihr eigentliches Vaterland; in den Jahren des Kulturkampfes behandelte der westfälische Adel die preußischen Beamten und Offiziere wie Feinde, und eine gewisse misstrauische Zurückhaltung zeigte sich hier und da auch jetzt. Aber sie galt weniger dem preußischen Protestanten im allgemeinen, als dem einzelnen, der mit taktloser Großspurigkeit auftrat, aber – dessen Adelsdiplom nicht reinlich erschien. Hier herrschte noch vollkommenste Exklusivität, - ein Bürgerlicher, ein Neugeadelter war nicht gesellschaftsfähig, und dies ungeschriebene Gesetz wurde von den Einheimischen gegenüber am strengsten gehandhabt. Eine Organisation westfälischer Damen, die angesichts des Gleichheitstaumels der französischen Revolutionsepoche gegründet worden war, konnte über Sein oder Nichtsein entscheiden. Ihre Feste waren unter dem Namen der Bälle des Damenklubs weit und breit berühmt und – gefürchtet. Wer dazu nicht geladen wurde, war ein für allemal boykottiert; rückhaltlos gesellschaftlich anerkannt war nur, wer auch bei den intimen Veranstaltungen nicht fehlte. Der Klub hatte die Macht, Mitglieder des westfälischen Adels, die sich irgend etwas hatten zuschulden kommen lassen, durch geheime Abstimmung auf Monate oder Jahre von allem Verkehr mit seinen Standesgenossen auszuschließen. Die Rücksicht auf diese tiefwurzelnden Auffassungen – spukte nicht hier sogar die Erinnerung an die Vehme[1]? – führte zu merkwürdigen Konsequenzen: man hatte zwar durchgesetzt, daß auch die nicht adeligen Offiziere nicht völlig von der Geselligkeit ausgeschlossen wurden, aber sie wurden nur zu großen Bällen gebeten und hätten es auch dort kaum wagen dürfen, eine westfälische Dame zum Tanz zu führen. Die vierten Kürassiere und die sogenannten Papst-Husaren aus Paderborn[2] – Regimenter, so vornehm wie nur irgend eins der Garde, in die nicht einmal ein unadliger Einjähriger Aufnahme fand, - waren die allein hoffähigen“[3].
[1] Fahmgericht.
[2] Husaren-Regiment Kaiser Nikolaus II. von Rußland (1. Westf.) Nr. 8 (Paderborn/ Neuhaus).
[3] Zitiert nach: Lily Braun, Memoiren einer Sozialistin. Lehrjahre, München 1909, S. 360 ff.
Die konfessionelle Struktur Münsters und die religiös bedingten Konflikte.
Die konfessionellen Konflikte hatten sich in der Zeit des Kulturkampfes noch verschärft.
Im Zeichen der militärischen Erfolge der Einigungskriege und des wirtschaftlichen Aufschwunges nach 1871 kam es aber zur allmählichen Aussöhnung zwischen der münsterischen Bürgerschaft und der preußischen Behörden- und Truppenpräsenz. Sinnfälliger Ausdruck dieser Aussöhnung war der Kaiserbesuch im Jahre 1907.
Die wirtschaftliche Bedeutung des Militärs für Münster.
Das Militär war ein fester Bestandteil des Stadtbildes und ein wichtiger Wirtschaftsfaktor.
Das Militär als Teil des gesellschaftlichen Lebens in Münster.
Insbesondere die Militärmusik gehörte zum kulturellen Stadtleben. Die Regimentskapellen spielten zu Festlichkeiten auf oder gaben regelrechte Sinfoniekonzerte. Das Trompeterkorps des Kürassier-Regiment von Driesen (Westfälisches) Nr. 4 wurde lange vom Stabstrompeter Fuss geleitet und spielte zu Festen des westfälischen Adels auf. Regelmäßig am Nachmittag spielte die Kapelle vor dem Cafe Midi in der Bogenstraße, hier trafen sich auch die Offiziere des Regiments.
Die Paraden auf dem Neuplatz (heute Schlossplatz, vorher Hindenburgplatz) fanden viel Beachtung, so z. B. anlässlich des Geburtstages des Kaisers oder sonstigen Feierlichkeiten, z. B. die Jahrhundertfeier zur Erinnerung an die Befreiungskriege im Jahr 1913.
Die Bürgerschaft nahm auch regen Anteil an die Regimentsjubiläen des Infanterie-Regiments Herwarth von Bittenfeld (1. Westfälisches) Nr. 13 im Jahre 1913 und des Kürassier-Regiments von Driesen (Westfälisches) Nr. 4 im Jahre 1917.
Im Jahre 1907 besuchte Kaiser Wilhelm II. die Stadt Münster.
Veteranentum.
Traditionspflege wurde im Kaiserreich hochgehalten und bewusst als vaterländische Stimulans den militär-kritischen Tendenzen der immer stärker werdenden Sozialdemokratie entgegengehalten. Diese Funktion erfüllte insbesondere das deutsche Kriegsvereinswesen, welches allein in Preußen im Jahre 1903 etwa 13000 Vereine mit zusammen 1 140 000 Mitgliedern zählte. Hier wurde die patriotische Überlieferung allgemein und mit Blick auf die jeweiligen Einheiten bewahrt und damit ganz im Sinne der Monarchie gesellschaftlich stabilisierend gewirkt.
Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges und die Mobilmachung
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Die Garnison Münster im Ersten Weltkrieg.
Wie in allen anderen Städten des Deutschen Reiches mit einer starken Garnison änderte sich das Bild mit der wachsenden Anspannung in den Tagen unmittelbar vor dem Kriegsausbruch auch in Münster[1]. Am 01.08.1914 wurde die Mobilmachung befohlen. Überall war eine (stürmische) nationale Begeisterung zu beobachten. Diese ging teilweise einher mit einer regelrechten Hysterie, z. B. Angst vor Spionage und Luftangriffen. Die Zeitungen berichteten ausführlich über die internationalen Geschehnisse. Es gab öffentliche Kundgebungen, auch Andachten und Gottesdienste. Die Reservisten wurden eingezogen und die einzelnen Formationen auf Kriegsstärke gebracht. Es meldeten sich so viele Freiwillige, dass diese gar nicht sofort zum Kriegsdienst eingestellt werden können. Für die Mobilmachung wurde das erforderliche Kriegsmaterial bereitgestellt und für die Beweglichkeit der Truppe zahllose Pferde (vor allem aus dem ländlichen Raum) zusammengezogen. Die mobil gemachten Teile der münsterischen Regimenter marschierten begleitet von der Bevölkerung zum Transport an die Front ab. Schon am 02.08. - nachmittags gegen 18.00 Uhr - marschierte die 4. Eskadron des Kürassier-Regiments von Driesen (Westfälisches) Nr. 4 zum Güterbahnhof ab[2], die anderen Eskadrons folgten in den nächsten Tagen. Zum Ausmarsch des Infanterie-Regiment Herwarth von Bittenfeld (1. Westfälisches) Nr. 13 heißt es in der erwähnten Kriegschronik der Stadt Münster 1914/18 (S. 23) unter dem 08.08.1914: „In der letzten Nach rückte das I. Bataillon des Infanterie-Regiments Herwarth von Bitterfeld erstes Westfälisches aus. Die Nachbarhäuser der Hörster- und der Lotharingerkaserne erstrahlten in bengalishcer Beleuchtung. Unter wehenden Fahnen,begleitet von tausenden Menschen zog das Bataillon zum Bahnhof, von wo kurz nach 12 Uhr der Zug gegen Westen nach Belgien fuhr, während die Musik noch einmal spielte: Muß i denn, muß i denn zum Städele hinaus … Das II. Bat. Fuhr des Morgens um 1/25 der Regimentsstab mit der Maschinengewehr-Kompagnie 20 nach 6 und das III. Bat. Gegen 1/29 Uhr ab“. Die Einheit wurde in der Nacht zum 08.08. und am nächsten Morgen in das Aufmarschgebiet befördert[3]. Die Fahrt dauerte etwa 15 Stunden. Am 09.08. begann der Abtransport der verschiedenen Abteilungen des 2. Westfälisches Feldartillerie-Regiments Nr. 22[4]. Es war schon am 11.08. vollzählig im Aufmarschgebiet versammelt.
[1] Vgl. hierzu: Schulte, Eduard, Kriegschronik der Stadt Münster 1914/18. Münster, 1930 und Veddler, Peter, Geschichte original – am Beispiel der Stadt Münster 14. Erster Weltkrieg und Revolution (1914-1919),
[2] Heinrich Glasmeier, Geschichte des Kürassier-Regiments von Driesen (Westfälisches) Nr. 4, Oldenburg 1932, S- 23.
[3] Carl Gross/ Werner v. Rudloff, Infanterie-Regiment Herwarth von Bittelfeld (1. Westfälisches) Nr. 13 im Weltkriege 1914-1918, Berlin 1927S, 14.
[4] Zunker/ Hüger/ Vietor, Das Königlich Preußische 2. Westfälische Fedartillerie-Regiment Nr. 22 und seine Tochterformationen im Weltkriege 1914-1918, Münster, 1924, S. 3.
1914 umfasste die deutsche Infanterie 217 Regimenter. Bei Mobilmachung wurde ein aktives Infanterie-Regiment (Lehr-Infanterie-Regiment) und 114 Reserve-Infanterie-Regimenter gebildet. Die Reserve-Infanterie-Regimenter wurden zumeist von Oberstleutnants kommandiert und bestanden aus älteren Jahrgängen. Im September und Dezember 1914, im Mai 1915, im August, Oktober und November 1916 entstanden weitere Reserve-Infanterie-Regimenter. Diese in Reserve-Korps zusammengefassten Einheiten bestanden aus früher gedienten Mannschaften und wurden nicht zurückgehalten, sondern sofort wie die aktiven Verbände im Frontbereich eingesetzt. Dies vergrößerte die Zahl der verfügbaren Formationen, was die Gegner überraschte. In der Regel orientierte sich die Uniformierung der Reserve-Infanterie an der der aufstellenden aktiven Regimenter. Kenntlich waren die Reserve-Infanterie-Regimenter vor allem an dem zunächst roten, dann grünen Buchstaben R über der Regimentsnummer auf den feldgrauen Helmüberzügen.
Zurück in der heimatlichen Garnison blieben die Stammformationen zur Ausbildung von Ersatz und zur Aufstellung weiterer Einheiten.
Teilnahme der Bevölkerung am Kriegsverlauf
Ersatzformationen, Rekrutenausbildung und Organisation des Nachschubes
Rüstungsproduktion und Rationierung
Stellvertretendes Generalkommando, Wachstum der Kommandobehörde, personelle Ausweitung
Versorgung von Verwundeten und Lazarette
Bilder aus der Zeit Münsters im Ersten Weltkrieg
Kriegsgefangene in Münster.
Ein in diesem Ausmaß nicht erwartetes Phänomen des Ersten Weltkrieges waren die enormen Zahlen an Gefangenen. Es sollen in Bezug auf alle am Krieg beteiligten Staaten ca. 6,6 - 8 Millionen Kriegsgefangene gewesen sein. Ein gewisser Anteil der jeweiligen Verluste der verschiedenen Armeen waren demnach Gefangene, bei den Franzosen ca. 12 %, bei den Deutschen ca. 9 % und bei den Briten ca. 7 %, die Österreicher und die Russen hatten wesentlich höhere Gefangenenzahlen (35 bzw. 50 %). Spektakulär waren die Zahlen russischer Gefangener in den Schlachten bei Tannenberg im August 1914 (93000) und an den Masurischen Seen im September 1914 (45000).
Für die Stadt Münster stellten nicht nur die immer zahlreicher eintreffenden Verwundententransporte eine große Herausforderung dar, sondern auch die Unterbringung von zahlreichen Kriegsgefangene war eine anspruchsvolle Aufgabe, auf die man nicht vorbereitet war. Die Kriegsgefangenen mussten nicht nur untergebracht, sondern auch verpflegt werden, wobei sich auch die Versorgungssitiuation der einheimischen zivilen Bevölkerung ständig verschlechterte. Insgesamt sollte Münster im Ersten Weltkrieg ca. 90000 Kriegsgefangene beherbergen (Dethlefs, S. 64). Bereits im September des Jahres 1914 wurde auf dem Exerzierplatz beim Haus Spital ein erstes Gefangenenlager eingerichtet, dessen Zelte und Erdhütten zunächst noch ein Provisorium darstellte und für die Unterbringung von 7500 Mann gedacht war. Ein weiteres Lager wurde an der Rennbahn des Reitervereins vor Hiltrup für 10000 Gefangene eingerichtet. Die Infanterie-Kaserne an Kinderhausener Landstraße war dann das dritte Gefangenenlager, neben einem Lager auf der Kinderhausener Heide für Quarantänefälle (Veddeler, S. 5).
Die Rückkehr der münsterischen Truppen und die Demoblimachung
Als die münsterischen Regimenter schließlich 1918 bzw. 1919 in die heimatliche Garnison zurückkehrten und beinahe vollständig aufgelöst wurden, versank das Deutsche Reich in revolutionäre Wirren. Vor der Kulisse der Weimarer Republik begann die Aufarbeitung der militärischen Niederlage, die angeblich keine war („Dolchstoßlegende“), es entwickelten sich der Mythos des Frontsoldaten und eine Kultur des Erinnerns und Gedenkens.
Die Zeit der Wirren und des Übergangs.
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Militärische Relikte im Stadtbild: Bauten, Denkmäler und Gräber.
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Auf dem Überwasserfriedhof befinden sich noch eine Reihe von bemerkenswerten militärischen Grabdenkmälern. Auf diesem neuen Friedhof vor dem Neutor wurde die erste Leiche am 07.06.1808 begraben. Der ursprüngliche Überwasserfriedhof befand sich ursprünglich rund um die Liebfrauenkirche. Für diese Begräbnisstätte finden sich erste Nachrichten über Beerdigungen aus dem Jahre 1558. Die letzte Beerdigung fand hier am 29.05.1808 statt.
Ein Blickfang ist - nach wie vor - das Grabmal des Generalleutnants Heinrich Wilhelm v. Horn (1.10.1762 - 31.10.1829). Es zeigte bzw. zeigt auf einem großen Sockel einen schlafenden Löwen. Der ursprüngliche Sockel war mit einem Wappen und Trophäen und einer Inschrift geschmückt. Letztere lautete: "Das Königliche Preußische VII. Armee-Corps seinem verewigten Führer und Vorbilde der Treue und Tapferkeit." Früher war der Löwe naturfarben bronziert. Der eiserne Sockel war schwarz und die Inschriften vergoldet 1). Der Löwe wurde nach einem Modell von Christian Daniel Rauch (1777 - 1857) gefertigt. Im Zuge der Bombardierungen im Zweiten Weltkrieg erlitt das Grabmal erhebliche Beschädigungen. Der alte Sockel wurde zerstört. Der reparierte Löwe ruht nun auf einem neuen Sockel 2).
1) Vgl. hierzu: Eugen Müller, Die Begräbnisstätten der Stadt Münster (Westf.), Münster 1928, S. 41 ff.
2) Walter Werland, Aus Alten Tagen Münsters, Münster, S. 42.
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