Die militärische Seelsorge in der königlich-preußischen Garnison Münster

Mit der Besitzergreifung des ehemaligen katholischen Fürstbistums durch die Preußen gehörte Münster zukünftig zu einem Staatsgebilde, dessen Herrscherhaus und der überwiegende Anteil der Bevölkerung protestantisch waren. Außer in Oberschlesien gab es nur in der Rheinprovinz und in der Provinz Westfalen eine katholische Mehrheit. Hieraus erwuchsen auch in dem relativ toleranten Preußen Konflikte, die sich in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts im Zeichen des Kulturkampfes noch verschärfen sollten. Der paritätische Gedanke wurde im preußischen Staat erst langsam entwickelt. Beamtenschaft und Militär waren überwiegend landfremd und zunächst noch mehrheitlich protestantisch. Für sie musste die Militärseelsorge gesichert werden.

Münster hatte keine eigene (neue) Garnisonkirche. 1904 (und nochmals 1914) entstand zwar der Plan einer großen Militärkirche auf dem Neuplatz (danach: Hindenburgplatz, jetzt Schlossplatz), dieses Konzept wurde aber nicht realisiert. Bereits seit den Anfängen der preußischen Besetzung (ab 1802) übernahm aber die Apostelkirche die Funktion der Garnison- und 1. protestantischen Kirche in Münster und behielt sie bis zum Niedergang des preußischen Staates, und zwar auch nachdem sie 1840 in den Besitz der Zivilgemeinde übergegangen war. Aber auch heute finden hier noch Gottesdienste der Bundeswehr statt. Somit bestand und besteht zwischen der Apostelkirche und der Militärseelsorge eine besondere historische Beziehung. Militärseelsorge wird in diesem Zusammenhang als die auf die besonderen Bedingungen des Militärs bezogene geistliche und seelsorgerliche Betreuung von Militärangehörigen durch hauptamtliche Militärgeistliche verstanden oder anders: Militärseelsorge ist eine Sammelbezeichnung für die Aktivitäten sowie die organisatorische Struktur der Kirchen und Religionsgemeinschaften im militärischen Kontext.

Der preußische Kommandant (Gebhard Leberecht v. Blücher) trug sofort nach der Besetzung der Stadt Münster Sorge für die Militärseelsorge der preußischen Soldaten und beantragte die Zuteilung einer (katholischen) Kirche für den (evangelischen) Militärgottesdienst. Der Generalvikar Frhr. Franz von Fürstenberg bot unter dem 22.08.1802 alternativ die Clemens- bzw. die Minoritenkirche zur Mitbenutzung an. Der erste evangelische Gottesdienst fand in der Folge in der Clemenskirche statt und wurde von einem Militärgeistlichen aus der preußischen Garnisonstadt Hamm gehalten. Am 02.11.1802 wurde der Feldprediger Blumenthal mit einem monatlichen Salär von 15 Thalern für die Militärgemeinde in Münster bestimmt.

Gebhard Leberecht von Blücher, ab 1814 Fürst Blücher von Wahlstatt (*16.12.1742 in Rostock; † 12. 09.1819 in Krieblowitz) in der Uniform seines Husaren-Regimentes.

Die Apostelkirche hat ihren Ursprung als Kirche eines Männerklosters, und zwar der Minoriten. Diese gehörten zum Orden der Franziskaner, der im 13. Jahrhundert entstanden war. Es handelte sich um einen Bettelorden, der und seine Mönche besitzlos sein sollten. Die Minoriten, auch Minderbrüder genannt, etablierten sich um 1221 in Köln, um 1233 in Soest und kamen um 1250 nach Münster. Der Orden spaltete sich aber in der Folge in die Observanten, die Minoriten und die Kapuziner, dazu kam noch der weibliche Orden der Klarissen. Die Spaltung hatte ihre Ursache vor allem in einer strengen bzw. weniger strengen Auslegung der Regeln des heiligen Franziskus von Assisi.

Die münsterischen Minoriten gehörten zur Kölner Provinz des Ordens. Anfang des 17. Jahrhunderts umfasste die Provinz drei so genannte Kustodien mit 10 Klöstern und insgesamt 142 Mönchen. Für Münster werden zu dieser Zeit 22 Mönche genannt. Daneben gab es Laienbrüder (vor allem Handwerker), vorher hatte es vor allem Dienstmänner gegeben. Sitz des Provinzialoberen war Köln. Der Bittsprengel der münsterischen Minoriten umfasste (im 16. Jahrhundert) den ganzen Oberstift, er wurde von den Mönchen turnusmäßig bereist und vor allem um Lebensmittel gebeten, z. B. Butter, Roggen usw. Dies erfolgte nicht ohne Gegenleistung, hier ist insbesondere das pastorale Wirken der Mönche zu nennen. An festen Terminen wurden von den Minoriten in verschiedenen Orten Gottesdienste abgehalten. Ferner hatte der Orden feste Einkünfte aus Kapital- und Pachtzinsen.

Für den münsterischen Konvent werden für das Jahr 1629 50 Mitglieder benannt. In Münster gab es auch ein Seminargebäude, das Kloster beherbergte einst die Hochschule der Kölner Ordensprovinz. Hier wurde Theologie unterrichtet. Zwischen den auch in Münster (seit 1613) ansässigen Oberservanten und den Minoriten gab es anhaltende Spannungen, das Verhältnis der Minoriten zu der Bürgerschaft war allerdings gut. Dieses positive Verhältnis wird auch durch einen verwitterten Gedenkstein in der Südwand der Kirche symbolisiert, der an die Gefallenen in der Schlacht von Valar im Jahre 1454 erinnert. Es waren münsterische Bürger, die in der Stiftsfehde gegen das Domkapitel bzw. den Adel im Streit um einen Nachfolger für den Fürstbischof umkamen. Als Aufrührer durften sie nicht auf den Friedhöfen der münsterischen Pfarren beerdigt werden. Sie fanden aber auf dem Friedhof um bzw. vor der Minoritenkirche ihre letzte Ruhe. Eine Bronzetafel gibt die Gedenkschrift in deutscher Sprache wieder.    

Mit der Säkularisierung der Kirchen und Klöster begann auch der Niedergang der Minoriten. Sie wurden nach der Besitznahme der Stadt Münster durch die Preußen in ein kleines Kloster an der Salzstraße verdrängt. Die Klostergebäude wurden zur Kaserne (und der Chor der Kirche) umgenutzt, die Kirchenhalle selbst wurde eine evangelische Kirche. Die Minoriten hatten ihren Sitz und ihre wirtschaftliche Basis verloren, die endgültige Aufhebung des Ordens erfolgte allerdings durch die Franzosen durch das Dekret vom 14.11.1811. Die meisten Mönche übernahmen dann Pfarrstellen oder erhielten Pensionen.        

Die ehemalige Klosterkirche St. Katharina (Schutzheilige der Wissenschaften) und jetzige Apostelkirche ist eine turmlose - dreischiffige – gotische Hallenkirche. Das Langhaus zählt 8 Joche, der lange Mönchschor deren 3. Die Apostelkirche ist – neben der Johanniskirche – die älteste in Münster erhaltene Klosterkirche und zugleich die älteste Minoriten-Kirche in Westfalen. Sie entstand in der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts und ist im Wesentlichen in drei Bauphasen entstanden: um 1280: Errichtung einer zweischiffigen Hallenkirche, um 1500: Westerweiterung zur dreischiffigen Halle und 1654-61: Anbau der östlichen Joche am nördlichen Seitenschiff. Die Kirche steht am Rande der Aa-Niederung und ist deshalb teilweise auf Pfählen gegründet. Die Halle war ursprünglich nur zweischiffig. Sie bestand zunächst nur aus dem Mittel- und südlichem Seitenschiff zu 6 Jochen. Die Pfeiler in der Halle sind kantoniert und mit vier so genannten Diensten versehen, die zu den Gewölberippen hinaufführen bzw. diese tragen. Vom Boden bis zum Schlussstein im Gewölbe wird eine Höhe von 12,80 m erreicht. Die Fenster sind im älteren Teil der Kirche zweibahnig (mit Dreipass) ausgeführt. Über dem Südportal befindet sich ein Rundfenster mit Maßwerkfüllung.

Wie für die Kirchen der mittelalterlichen Bettelorden üblich, ist die Kirche turmlos und weist nur einen kleinen mit Schiefer verkleideten Dachreiter auf dem östlichen Langhausgiebel auf.

Im Mai des Jahres 1508 sollte in dem Minoritenkloster zu Münster ein Konvent zusammentreten. Aufgrund des vermehrten Raumbedarfs wurde die Kirche um zwei Joche nach Westen erweitert. Ferner wurde gleichzeitig das nördliche Seitenschiff um vier Joche ergänzt. Der Erweiterungsbau ist gekennzeichnet durch dreibahnige Fenster (mit Fischblasen-Maßwerk) und schlichte Rundpfeiler. In der Westwand finden wir ein großes – vierbahniges – Fenster. Das Ergebnis dieser Erweiterung war eine verwinkelte Kirche, die nun teilweise zwei- und teilweise dreischiffig war. Dies kritisierte der päpstliche Legat Fabio Chigi während seines Aufenthaltes in Münster anlässlich der Vorbereitungen zum Westfälischen Frieden (1648) und versprach die finanziellen Mittel für eine Vollendung des Gotteshauses. Diese bauliche Maßnahme wurde aber dann vom Fürstbischof Christoph Bernhard von Galen finanziert und in den Jahren 1654 – 59/61 ausgeführt.

Ein Wappenstein des Fürstbischofs in der Ostwand erinnert bis heute an diese Förderung. Im Rahmen dieser Vollendung entstanden die östlichen Joche des Nordseitenschiffs, wobei sich diese Baumaßnahme unter der Ägide des Baumeisters Franz Gaugrebe aus Bielefeld als nachgotische Formgebung in der Barockzeit präsentiert und als eine gelungene stilistische Angleichung an die vorhandene Bausubstanz im Sinne früher Denkmalpflege bezeichnet worden ist. Nun war die gotische Halle wirklich fertig gestellt und stellt(e) einen baulich einheitlichen harmonischen Raum dar. Im Zuge dieser Baumaßnahme wurde auch der Lettner entfernt, der bisher den Chor mit Altar von der eigentlichen Kirchenhalle trennte.       

Die aufgezeigten drei Bauphasen werden auch durch das Außenmauerwerk dokumentiert, welches im ältesten Teil aus Bruchsteinen, beim spätgotischen Erweiterungsbau aus Werksteinen und im Bereich der abschließenden Erweiterung in der Barockzeit teilweise (Westwand) bzw. zur Gänze (Nordwand) aus Backsteinen besteht.

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Der Grundriss der Apostelkirche in Münster mit den verschiedenen Bauphasen. Entnommen aus: Presbyterium der Apostel-Kirchengemeinde, 700 Jahre Apostelkirche Münster, Münster 1984, S. 20.

Das aus drei Glocken bestehende kirchliche Geläut wurde 1675 in Amsterdam von Peter Hemony gegossen und hat alle Wirren der Zeit überstanden Es ist heute der älteste zusammen gehörige Glockenbestand in der Stadt. Die alten Glocken waren – bis auf ein Exemplar – im 16. Jahrhundert mit dem Dachreiter zerstört und dann ersetzt worden. Die übrig gebliebene alte Glocke passte aber nicht zum neuen Glockenbestand und wurde im 1. Weltkrieg beschlagnahmt (und eingeschmolzen).

Nach der Fertigstellung (1661) ergaben sich für eine lange Zeit keine baulichen Veränderungen an der Minoritenkirche. Erst mit Übernahme des Gotteshauses durch das preußische Militär wurde der Chor abgetrennt und hier in 3 Etagen Wohnungen für Unteroffiziere eingebaut, ferner wurden die Ostjoche der Seitenschiffe abgemauert und als Sakristei bzw. Spritzenhaus genutzt. In den Seitenschiffen wurden Emporen eingebaut. Nach der Rückkehr der Preußen wurde aufgrund der Initiative des Generalleutnants v. Thielemann eine umfassende Renovierung des Kirchengebäudes in Angriff genommen. Die Sanierung folgte den von Karl Friedrich Schinkel überarbeiteten Entwürfen und sah auch eine Neueinrichtung der Kirche vor. Ab 1818 begannen die baulichen Veränderungen und machten vor allem die Profanisierung zu Militärzwecken wieder rückgängig. Gleichzeitig entstand unter dem Chor eine Sakristei. Der Altar wurde erneuert. Die Emporen sollten nicht mehr die Fenster durchschneiden und die Belichtung des Innenraumes der Hallenkirche beeinträchtigen.

In den Jahren 1867 – 69 erfolgten eine Sanierung des Innenraumes und eine Neuausmalung. König Wilhelm I. schenkte der Kirchengemeinde 2 Seitenbilder für den Altar. Die Kanzel wurde versetzt und das Südportal neugestaltet. 1936/ 37 wurde die Kirche (erneut) restauriert, hierbei wurden die Emporen in der Kirchenhalle entfernt und die Gewölbe erneuert. Die Kanzel und die Orgel wurden vereinfacht. Bei diesen Arbeiten entdeckte man übertünchte Ausmalungen aus der Gotik und Renaissance, die trotz der Verluste im zweiten Weltkrieg in Münster heute einzigartig sind. Sie stammen überwiegend aus der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts, es finden sich aber auch barocke Malereien aus dem Jahre 1630. Die Malereien wurden vermutlich bei der letzten Erweiterung der Kirche übertüncht[1].  

[1] Vgl. hierzu: Helmut Mende, Die Evangelische Apostelkirche Münster, in: Deutsche Kunst und Denkmalpflege. Berlin und Wien, S. 162 ff. und Nikolaus Rodenkirchen, Die Gewölbemalerei, ebd., S. 165 ff.

Der Zweite Weltkrieg brachte für die Garnisonstadt Münster schwerste Zerstörungen mit sich, auch die Apostelkirche erlitt erhebliche Schäden durch Bombentreffer. Hierbei wurden die drei Westjoche zerstört, ferner wurden (tlw. durch den Luftdruck) der Dachstuhl, die Wände (einschließlich der Fenster), die Pfeiler, die Gewölbe nebst den mittelalterlichen Malereien stark geschädigt. Nach ersten Sicherungsarbeiten in den Jahren 1945 – 47, wurde die Kirche bis 1956 nach und nach wiederaufgebaut. 1949 fand der erste Gottesdienst in der Kirche nach den schlimmen Kriegseinwirkungen statt. 1960 erfolgte der Anbau einer Sakristei an der Nordseite des Chores. Die alte Sakristei unter dem Chor wurde entfernt und letzterer abgesenkt.

Im Zuge der Errichtung eines Gemeindezentrums nördlich des Chores (1963/ 64) kam es zu Schäden an der Gründung der Kirche und entsprechenden statischen Folgeproblemen. Die Kirche musste daraufhin teilweise neu unterfangen werden. Die Orgel stammt aus dem Jahre 1968 und wurde 1990 überholt. In den 70 iger Jahren wurde der Chorraum neugestaltet, die nach den Kriegsverlusten eingebrachte provisorische Verglasung wurde aber erst in den Jahren 1990 – 92 durch neue farbige Fenster nach Entwürfen von dem Künstler Paul Weigmann/ Leverkusen ersetzt.       

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Die zerstörten Westjoche der Apostelkirche. Foto aus dem Jahre 1946. Entnommen aus: Presbyterium der Apostel-Kirchengemeinde, 700 Jahre Apostelkirche Münster, Münster 1984, S. 37..

In der altpreußischen Armee (vor 1806) gehörte zum Etat jedes Regimentes 1 (lutherischer) Feldprediger. Er gehörte zum Unterstab. Bei einer Vakanz hatte der jeweilige Regimentsinhaber zwar ein Vorschlagsrecht, die Kandidaten mussten aber in Halle studiert haben und durften nicht jünger als 25 Jahre sein. Der Kandidat musste sich ferner beim jeweiligen Feldprobst vorab vorstellen, der ihn auf seine Eignung prüfte. In größeren Garnisonen gab es Garnisonprediger. Nach 6 (- 9) Dienstjahren wurden die Feldprediger in der Regel mit Zivilpfarren versorgt. Reformierte und katholische Militärgeistliche wurden erst im Falle einer Mobilmachung bzw. im Kriegsfalle angestellt. Bei der Mobilmachung im Jahre 1805 waren insgesamt 8 katholische (Feld-)Prediger angestellt worden.

Als im Jahre 1802 die Hauptstadt und wesentliche Teile des Fürstbistums Münster an Preußen fielen, wurde die zukünftige katholische Militärseelsorge zu einem Problem. König Friedrich Wilhelm III. fühlte sich nämlich stets als ein evangelischer Fürst und stand der katholischen Kirche persönlich ablehnend gegenüber. Unter diesem Vorzeichen konnte eine Gleichstellung der katholischen mit der evangelischen Militärseelsorge nicht gedeihen. Bereits bevor das Rheinland und Westfalen im Jahre 1815 preußische Provinzen wurden und die Zahl der Katholiken in der preußischen Armee bedeutend vergrößerten, gab es größere katholische Gemeinden nur in Berlin, in Oberschlesien und in Westpreußen. Z. B. zählte die Gemeinde der katholischen St. Hedwigskirche in Berlin einschließlich der Militärpersonen im Jahre 1799 ca. 10000 Mitglieder. Vor allem wurde vor 1806 außer in Berlin auch in Goldapp, Stettin und in Münster um eine ausreichende katholische Militärseelsorge schon in Friedenszeiten gerungen.

Die fürstbischöflichen Truppen hatten in Münster einen eigenen Militärgeistlichen (Dechant Albers) und besonderen Garnisongottesdienst gehabt, im Übrigen wurden die Parochialhandlungen (Taufe, Trauung, Begräbnis usw.) von Stadtpfarrern vorgenommen. Nach dem Tod des Dechanten im Jahre 1803 wurde die Stelle nicht mehr besetzt und blieb auch unbesetzt, obwohl der preußische Garnisonkommandant selbst um eine Wiederbesetzung bat.

Problematisch war, dass bereits in der altpreußischen Zeit zur Gemeinde des Feldpredigers „alle und jede zum Regiment oder Bataillon gehörige Stabs-Ober und Unter-Officiers, Gemeinen, und kurtz, alles was zum Etat eines Regiments oder Bataillons gehöret, imgleichen die Frauen, Kinder, Bediente, Knechte und Mägde, so lange dieselben würcklich in Diensten stehen“ (2. Hauptstück, 1. Abschnitt, § I des Militärkonsistorialreglements vom 15.07.1750). Für die geistliche Betreuung dieser Militärgemeinde war ausschließlich der evangelische Feldprediger   zuständig, d.h., ihm oblag die Durchführung der Gottesdienste, der Parochialhandlungen (Taufen, Trauungen, Begräbnisse), die Führung des Kirchenbuches, ferner unterrichtete er den Offiziersnachwuchs bzw. agierte in den jeweiligen Regimentsschulen. Im Kriegsfall begleitete er das Regiment bzw. das Bataillon ins Feld. Der Feldprediger durfte auch für die katholischen Mitglieder der Militärgemeinde die Parochialhandlungen vornehmen, zu mindestens standen ihm in jedem Fall (!) die Stolgebühren zu[1]. Die Folge war, dass die katholischen Soldaten – falls sie sich an einen katholischen Zivilpfarrer wandten - die Gebühren doppelt bezahlten[2]. Die unzureichende Militärseelsorge für katholische Soldaten blieb ein Problem und dies sollte erst nach den Napoleonischen Kriegen mühsam gelöst werden.

Nach der Niederlage und dem Untergang der altpreußischen Armee im Jahre 1806/07 im Kampf gegen das junge französische Kaiserreich wurde im Zuge der Reform auch die Militärseelsorge neu geregelt. Bei jeder Brigade sollten nur noch 3 Militärprediger in Friedenszeiten angestellt werden. Der Feldprediger der Garde übernahm die Funktion des Feldprobstes. Erst im Kriegsfall sollten – wie gehabt - reformierte bzw. katholische Militärgeistliche angestellt werden. Die Konfessionsfrage blieb deshalb aktuell und der Kampf um die Anstellung katholischer Militärgeistlicher sollte erst unter König Friedrich Wilhelm IV. wirklich Erfolg haben.

[1] Auf die Parochialverhältnisse hatte also die Konfession keinen Einfluss. Auch das Militärkirchenreglement vom 28.03.1811 definierte die Militärgemeinde ähnlich umfassend (Abschnitt IV, Ziffern 2-4). Noch nach der Militärkirchenordnung von 1832 (§ 34) gehörten auch die katholischen Militärpersonen zu einer einheitlichen Militärgemeinde, d. h., man hielt an dem konfessionellen Militärkirchenwesens (lange) fest. In den Garnisonen konnten zwar einem katholischen Geistlichen die individuelle Seelsorge der katholischen Soldaten übertragen werden, der ordentliche Parochus der Militärgemeinde blieb aber der evangelische Militärgeistliche. Der katholische Zivilgeistliche musste diesem die vorgenommenen Tauf-, Trauungs- und Sterbefälle mitteilen.                  

[2] Das Militärkonsistorialreglement (1750) schrieb vor, dass alle Taufen von ehelichen Kindern von Soldaten nur durch den evangelischen Militärgeistlichen vorgenommen werden durften. Nichteheliche Kinder wurden auf den Namen der Mutter (von dem entsprechenden Zivilgeistlichen) getauft, war die Mutter aber eine Soldatentochter, lag die Zuständigkeit für die Taufe wiederum nur beim Militärgeistlichen.  Das Militärkirchenreglement (1811) erlaubte dann wahlweise die Taufe der Kindern reformierter bzw. katholischer Militärpersonen durch Geistliche der entsprechenden Konfession, dem evangelischen Feldprediger standen in solchen Fällen die Gebühren nicht mehr zu.  

Nach den Befreiungskriegen wurde vom Kriegsminister v. Boyen vorgeschlagen, bei jeder Brigade 2 protestantische und 1 katholischen Militärprediger anzustellen. Es wurde sogar die Schaffung eines eigenen Feldministeriums unter einem katholischen Feldprobst diskutiert. Zu diesem Zeitpunkt ging man von etwa 36000 katholischen Soldaten (einschließlich der Angehörigen waren es 48000 Katholiken) aus. Für das Jahr 1832 wurde der Anteil der katholischen Soldaten im preußischen Heer mit 5/12 angegeben. Für das Jahr 1837 liegen konkrete Angaben zur Zahl der katholischen Soldaten (einschließlich) der Familienangehörigen vor: Köln: 3839, Düsseldorf: 1275, Münster: 1718, Neisse: 3616, Posen: 1429, Breslau: 2051, Berlin: 3873, Potsdam: 1537 und Wesel: 2431.

Die Antwort des Königs auf die Reformansätze war aber negativ. Erst auf massiven Druck aus dem Rheinland wurde hier durch A.K.O. vom 22.04.1834 die versuchsweise Anstellung von 3 katholischen Militärpersonen erlaubt. Ähnliche Anträge bzw. Bitten z. B. für den Bereich des VII. Armeekorps (Münster) wurden zunächst abgelehnt. Zu mindestens wurde im Jahre 1837 der Zwang der Teilnahme katholischer Soldaten an dem evangelischen Militärgottesdienst nach der so genannten Kirchenparade abgeschafft[1]. Dies war von vielen Betroffenen als Gewissenszwang empfunden worden und führte zu massiver Kritik von Seiten der Zeitgenossen. Auch der Umgang mit Mischehen bzw. mit Kindern aus diesen Ehen führte immer wieder zu Spannungen[2]. 1838 stimmte der König schließlich der Anstellung katholischer Militärpersonen an Orten mit solchen Truppenteilen zu, die einen überwiegenden katholischen Anteil aufwiesen. Die Gründung einer eigenen katholischen Feldprobstei gelang aber erst unter dem Nachfolger: König Friedrich Wilhelm IV. Dieser stand der katholischen Kirche wesentlich liberaler gegenüber.  

Nach der scheinbaren Lösung der Konfessionsfrage kam es im Zeichen des Kulturkampfes zu erneuten Spannungen. Hintergrund war die Auseinandersetzung zwischen der katholischen Kirche unter Papst Pius IX. und dem Königreich Preußen bzw. dem Deutschen Kaiserreich unter der politischen Leitung des Reichskanzlers Otto von Bismarck. Ein Streitfall über die Mitbenutzung der evangelischen Garnisonkirche in Köln durch Altkatholiken führte am 15.03.1873 zur Absetzung des katholischen Feldprobstes (Namszanowski). Die Stelle wurde erst nach langen Verhandlungen im Jahre 1888 wiederbesetzt. Der neue katholische Feldprobst (Assmann) erhielt mit Datum vom 02.11.1888 eine dienstliche Instruktion.                         

[1] Mit KO vom 11.12.1809 wurde eine monatlich einmal stattzufindende Kirchenparade mit einem anschließenden öffentlichen Gottesdienst aller (!) Soldaten der Regimenter bzw. Bataillons einer Garnison vorgeschrieben. Der König wünschte einen feierlichen Gottesdienst für alle Soldaten „auf eine gleiche Weise“. Vorher hatte man die katholischen Soldaten nicht zur Teilnahme an konfessionsfremden Gottesdiensten gezwungen, sondern in katholische Kirchen geführt.    

[2] Die katholische Kirche verlangte bei der Trauung evangelischer Soldaten mit katholischen Frauen das eidliche Versprechen, dass die Kinder in der katholischen Konfession zu erziehen seien. Andernfalls wurde das Ehesakrament verweigert.

Bereits im Frieden war im Deutschen Reich für die religiöse Betreuung gesorgt. Die Militärseelsorge war militärisch organisiert. Zum Deutschen Reichsheer gehörten 1914 an evangelischen Geistlichen: 1 Feldprobst, 21 Militär-Oberpfarrer, 101 Militärpfarrer und 98 Küster, an katholischen Geistlichen 1 Feldprobst, 9 Militäroberpfarrer, 60 Militärpfarrer und 54 Küster. Militärgeistliche waren Militärbeamte im Range eines Militäroberpfarrers oder Divisions- oder Garnisonpfarrers. Auch in Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen hatten Militärgeistliche den Status von Militärbeamten. Mit der Mobilmachung (1914) wurden die Militärgeistlichen zu Militärbeamten im Offiziersrang.

Militärgeistlicher in der vorgeschriebenen Uniform. Originale Fotokarte um 1914.

Im Feld begleiteten jede Division 1 katholischer und 1 evangelischer Pfarrer. Dazu kamen mit Vertrag angestellte Zivilgeistliche als „überplanmäßig freiwillige Feldgeistliche“. Ende 1914 leiteten so genannte Feldoberpfarrer für den Westen und den Osten die Militärseelsorge. Ab Sommer 1917 existierte in jedem Armeebereich ein Armeeoberpfarrer. In Bayern fungierten noch ergänzend Geistliche als Krankenwärter. Sie hießen ab 1916 Lazarettgeistliche. Für die Militärgeistlichen wurde in bereits 1913 die feldgraue Bekleidung eingeführt. Typisch für sie waren der runde Filzhut mit rechts aufgeschlagener Krempe und der feldgraue Überrock. Der Hut wurde durch ein violettes Hutband geschmückt. Sowohl evangelische als auch katholische Militärgeistliche trugen ein Amtskreuz, welches aber für beide Konfessionen unterschiedlich gestaltet war. Die katholischen Geistlichen legten zu bestimmten Anlässen auch eine violette Stola an. Im Jahre 1915 wurde eine neue Felduniform eingeführt, hierbei gab es auch für die Militärgeistlichen kleinere Änderungen.

Divisionspfarrer Schwenk. Zeitgenössisches Foto.

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