Der Besuch Kaiser Wilhelms II. vom 29.08. bis zum 01.09.1907 in Münster
Begleittext wird noch ergänzt.
"Herrliche Kaisertage" sollten es werden. In der Zeit vom 29.08. - 01.09. besuchte Kaiser Wilhelm II. und seine Gattin Münster.
In der Zeit von 1802 - 1806 und - nach einem napoleonischen Intermezzo - ab 1813 gehörte Münster zum Königreich Preußens und dort zur 1815 gebildeten Provinz Westfalen. Letztere bestand aus drei Regierungsbezirken (Arnsberg, Minden und Münster).
Münster war der Sitz des Generalkommandos des VII. Armeekorps.
Der kommandierende General residierte im Schloss.
Ferner gehörte Münster zu den größten Garnisonen im Königreich Preußen und auch später im Deutschen Reich.
1871 wurde nämlich Preußen und damit auch Münster Teil des Deutschen Reiches.
Die Provinz Westfalen verzeichnete im Übrigen in der Zeit von 1818 (1,14 Millionen) bis 1908 (3,729 Millionen) einen bedeutenden Bevölkungswachstum. Diese Entwicklung hatte vor allem mit der industriellen Entwicklung des Ruhrgebietes zu tun.
Auch die Bevölkerung Münsters wuchs stetig. Ende des Jahres 1905 hatte bereits Münster 81468 Einwohner, davon waren 4190 aktive Militärpersonen.
Nach einer langen Phase der schwierigen Eingewöhnung der vor allem katholischen münsterischen Bevölkerung in ein protestantisch geprägtes Staatsgebilde, war zwischenzeitlich - insbesondere nach Beendigung des sogenannten Kulturkampfes - eine deutliche Annäherung an die veränderten politischen Verhältnisse festzustellen.
Der für das Jahr 1907 angekündigte Besuch von Kaiser Wilhelm II. in Münster symbolisierte vor diesem Hintergrund auch den Prozess einer vollendeten Integration der im Zuge der Säkularisierung Preußen zugesprochenen östlichen Teile (einschließlich der Hauptstadt) des untergegangenen Fürstbistums Münster (Hochstift).
Nach dem frühen Tod seines Vaters (Kaiser Friedrich I.) übernahm am 15.06.1888 Wilhelm II. die Regentschaft.
Geboren als erstes Kind Friedrich Wilhelms und Prinzessin Viktoria erfolgte mit 10 Jahren die Aufnahme in die Armee. 1871 wurde er Zeuge des Einmarsches der preußischen Armee durch das Brandenburger Tor. Ab April 1872 besuchte Prinz Wilhelm das Gymnasium in Kassel. Am 27.01.187777 erfolgte die Volljährigkeitserklärung im Alten Palais. Anfang Februar1877 trat er in das 1. Garde Regiment zu Fuß ein. In den folgenden Jahren studierte Prinz Wilhelm in Bonn, reiste nach nach England und kehrte 1879 in den aktiven militärischen Dienst zurück. Am 27.02.1881 heiratete der Kronprinz am 27.02.1881 die Prinzessin Auguste Viktoria von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg. Bereits am 06.05.1882 wurde dem Paar ein erster Sohn (Wilhelm) geboren.
Nach der Machtübernahme folgten erste Erlasse an Armee und Marine, Reisen durch Europa. Als deutscher Kaiser war Wilhelm nicht nur Herr über alle Deutschen, sondern auch Oberster Kriegsherr. Stets betonte er die besondere Nähe zum Militär und dokumentierte diese Vorliebe durch ein grandioses “Soldaten- und Manöverspiel“.
[1] Schüssler, Kaiser Wilhelm II., S. 105.
Später im Weltkrieg erfüllte Wilhelm II. nur noch eine Nebenrolle, obwohl er noch lange durchaus populär war und in zahlreichen Besuchen bei der Truppe Präsenz zeigte. Auf die ersten Rückschläge regierte der nicht krisenfeste Monarch mit Depressionen und wechselte wiederholt das Führungspersonal. In der Umgebung des Hauptquartiers war er nicht tonangebend und hatte insbesondere seit der faktischen Militärdiktatur von Hindenburg und Ludendorf nur noch marginalen Einfluss. Diese Schattenexistenz war Wilhelm II. wohl bewusst, so äußerte er sich bereits im November 1914 gegenüber dem Prinzen von Baden: „... Sieh einmal, so etwas erfahre ich nur gelegentlich. Der Generalstab sagt mir gar nichts und fragt mich auch nicht. Wenn man sich in Deutschland einbildet, dass ich das Heer führe, so irrt man sich sehr. Ich trinke Tee und säge Holz und gehe spazieren, und dann erfahre ich von Zeit zu Zeit, das und das ist gemacht, ganz wie es den Herrn beliebt“[1]. Nach der misslungenen Offensive im März 1918 wurde die materielle Überlegenheit der Alliierten immer drückender und die Niederlage zeichnete sich ab. Gegen den Willen des Kaisers setzte die militärische Führung den Waffenstillstand (18.11.1918) durch. Der lange Abgesang begann mit dem Übertritt des Kaisers in die Niederlande, am 28.11.1918 unterschrieb er seine Abdankung. Zunächst im Schloss Amerongen, dann in Dorn verbrachte Wilhelm II. lange Jahre des Exils, bis er dann am 04.06.1941 in Dorn starb.
In der Rückschau gehört Kaiser Wilhelm II. zu den im besonderen Maße umstrittenen Persönlichkeiten der Deutschen Geschichte. Sein politischen Wirken wird vor allem negativ beurteilt. Der österreichische Schriftsteller und Journalist Egon Friedell (1878 - 1938) äußert sich hierzu wie folgt "Wilhelm der Zweite hat in gewissen Sinne tatsächlich die Aufgabe eines Königs vollkommen erfüllt, indem er fast immer der Ausdruck der erdrückenden Mehrheit seiner Untertanen gewesen ist., der Verfechter und Vollstrecker ihrer Ideen, der Repräsentant ihres Weltbildes. Die meisten Deutschen waren nichts anderes als Taschenausgaben, verkleinerte Kopien, Miniaturdrucke Kaiser Wilhelms - und dies hat sogar das Ausland sehr deutlich empfunden. Er hieß schlichtweg "Le Kaiser", "The Kaiser", wie man Napoleon in ganz Europa "l´Empereur" nannte; dies ist allerdings der einzige Punkt, worin er sich mit Napoleon berührte". Der deutsche Historiker Golo Mann (1909 - 1994) hat Wilhelm II. das Nachfolgende geäußert: "Über den Kaiser ist so viel Unfreundliches geschrieben worden, dass man zögert, dem noch etwas hinzufügen...Er war kein böser Mensch. Er wollte geliebt werden, nicht eid verursachen. Zu blutrünstigen Reden konnte er sich verirren; blutiges Handeln lag ihm gar nicht. Überhaupt das Handeln nicht. Er war faul und vergnügungssüchtig. Feste feiern,, reisen, sich den Leuten zeigen, hoch zu Ross seine Garden zum zm Manöversturme führen, mit Seinesgleichen bei fürstlichen Banketten Toaste wechseln, in der Hofloge sitzen, angetan wie ein Pfau, mit den Blicken ins Publikum, Schnurrbart streichend, huldvoll strahlend, das war seine Art. Und so hätte er es gern bis ans Ende seiner Tage getrieben: ein ewiges, goldenes, militärisches, friedliches Schauspiel das öffentliche Leben, und er im Mittelpunkt" (zitiert nach Friedrich Hartau, Wilhelm II., S. 145).
Teil dieser aufwändigen Inszenierung war auch der hier behandelte Kaiserbesuch von 1907 in Münster.
Die Vorbereitungen des Kaiserbesuches wurden vom Generalkommando des VII. Armeekorps initiiert. Dieses informierte Anfang des Jahres 1907 den Oberbürgermeister der Stadt Münster (Dr. Maximilian Jungeblodt) von dem bevorstehenden Ereignis. Die vom Generalkommando dem Kaiser unterbreiteten Vorschläge (vom 08.05.1907) über den Verlauf des Besuches wurden von diesem überwiegend akzeptiert (20.06.1907).
Das gewünschte Programm wurde auch der Stadt Münster mitgeteilt und nun begannen auch deren Vorbereitungen. Am 17.04.1907 beschloss der Magistrat der Stadt Münster die Bildung eines Festkomitees. Das Festkomitee bildete 6 Kommissionen zu verschiedenen Themenkreisen, z. B. zur Ausschmückung, Verkehr, Ordnung - Spaliere, Musik usw. Ferner wurde die Zustimmung zu einem offenen Kredit über 100000 Mark aus den Reinüberschüssen der städtischen Werke aus dem Jahr 1906 zur Deckung der voraussichtlichen Kosten beantragt.
Die Bürgerschaft sollte bei den Vorbereitungen intensiv eingebunden werden. So wurden jeweils die Anwohner bestimmter Straßenzüge durch Anzeigen im Münsterischen Anzeiger zur Beteiligung an der Ausschmückung derselben eingeladen.
Für die Absperrungen anlässlich des Kaiserbesuches durch die Polizei entwickelte man konkrete Grundsätze. Auch wurde gewarnt vor möglichen antimilitärischen Plakataktionen der Sozialdemokraten gewarnt (Schreiben des Oberpräsidenten der Provinz Westfalen vom 27.08.1907). Eine angedachte Gesangsdarbietung wurde auf nur drei Lieder begrenzt (Schreiben vom 12.06.1907).
Aufstellung der an der Kaiserparade auf der Vennheide beteiligten Truppen.
Nachfolgend Bilderserie zur Kaiserparade in Münster im Jahre 1907. Die Bilder entstammen einem Kaufalbum der Zeit mit originalen Fotos.
Anhang: Rede Kaiser Wilhelms II. bei einem Festmahl für die Provinz Westfalen am 31.08.1907 im Landesmuseum Münster
[S. 120] "Es ist Mir ein Herzensbedürfnis, den Vertretern der Provinz, die Ich heute um Mich versammelt habe, aus tiefster Seele Meinen herzlichsten Dank auszusprechen, für die Art und Weise, wie Ich in dem schönen Westfalenlande allerorten empfangen worden bin. Ich möchte auch zugleich nochmals Ihnen allen im Namen Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin wiederholen, wie unendlich betrübt sie ist, dass es ihr durch den Unfall nicht vergönnt gewesen, die westfälischen Tage mitzumachen und persönlich mit Ihnen und dem westfälischen Volke in Berührung zu treten".
"Die Provinz Westfalen bietet ein schönes Bild dafür, dass es wohl möglich ist, historische, konfessionelle und wirtschaftliche Gegensätze in versöhnlicher Weise zu einen in der Liebe und Treue zum gemeinsamen Vaterlande. Die Provinz setzt sich zusammen aus verschiedenen Landesteilen, von denen viele schon lange der Krone Preußen zugehören und manche erst später dazu gekommen sind. Sie wetteifern aber alle miteinander in de rtreuen Zugehörigkeit zu Unserem Hause. Wie Ich keinen Unterschied mache zwischen alten und neuen Landesteilen, so mache Ich auch keinen Unterschied zwischen Untertanen katholischer und protestantischer Konfession. Stehen sie doch beide auf dem Boden des Christentums, und beide sind bestrebt, treue Bürger und gehorsame Untertanen zu sein. Meinem landesväterlichen Herzen stehen alle Meine Landeskinder gleich nahe. In wirtschaftlicher Beziehung bietet uns die Provinz gleichfalls ein höchst erfreuliches Bild. Sie zeigt, dass die großen Erwerbszweige sich einander nicht zu schädigen brauchen, und daß die Wohlfahrt des einen auch dem anderen zugute kommt. Der Bauer bebaut seine rote westfälische Erde mit Fleiß, fest am Überlieferten, Althergebrachten haltend, eine kernige Natur mit eisernem Fleiß und ehrenhafter Gesinnung, von treuem Wesen, eine feste Grundlage für unser Staatswesen. Darum wird Mir der Schutz der Landwirtschaft stets besonders am Herzen liegen. Der Bürger baut seine Städte in immer vollkommenerer Weise aus, es entstehen großartige Werke gemeinnütziger Art, Museen und Sammlungen, Krankenhäuser und Kirchen. Im Schoße Ihrer Berge ruhen die Schätze, die, von fleißigen Händen der braven [S. 121] Bergleute gefördert, der Industrie Gelegenheit geben, sich zu betätigen, dieser Industrie - der Stolz unserer Nation -, wunderbar in ihrem Aufschwung, beneidet von aller Welt. Möge es ihr vergönnt sein, rastlos auch fernerhin Schätze zu sammeln für unser Nationalvermögen und nach außen den guten Ruf von der Tüchtigkeit und Güte deutscher Arbeit zu mehren."
"Ich gedenke hierbei auch der Arbeiter, die in den gewaltigen industriellen Unternehmungen vor den Hochöfen und unter Tage im Stollen mit nerviger Faust ihr Werk verrichten. Die Sorge für sie, ihren Wohlstand und ihre Wohlfahrt habe Ich als teures Erbe von Meinem in Gott ruhenden Großvater überkommen, und es ist Mein Wunsch und Wille, dass wir auf dem Gebiete der sozialen Fürsorge festhalten an den Grundsätzen, die in der unvergesslichen Botschaft Kaiser Wilhelms des Großen niedergelegt sind".
"Das schöne Bild versöhnlicher Einheit, welches die Provinz Westfalen dem Beobachter zeigt, würde Ich gern auf unser gesamtes Vaterland übertragen sehen. Ich glaube, dass zu einer solchen Einigung aller unserer Mitbürger, aller unserer Stände nur ein Mittel möglich ist, das ist die Religion. Freilich nicht in streng kirchlich dogmatischem Sinne verstanden, sondern im weiteren, für das Leben praktischeren Sinne. Ich muss hierbei auf Meine eigenen Erfahrungen zurückgreifen. Ich habe in Meiner langen Regierungszeit - es ist jetzt das zwanzigste Jahr, das Ich angetreten habe - mit vielen Menschen zu tun gehabt und habe vieles von ihnen erdulden müssen, oft unbewusst und oft leider auch bewusst haben sie Mir bitter weh getan. Und wenn Mich in solchen Momenten der Zorn übermannen wollte und der Gedanke an Vergeltung aufstieg, dann habe Ich Mich gefragt, welches Mittel wohl das geeigneteste sei, den Zorn zu mildern und die Milde zu stärken. Das einzige, was Ich gefunden habe, bestand darin, dass Ich Mir sagte: Alle sind Menschen wie Du, und obgleich sie Dir wehe tun, sie sind Träger einer Seele aus den lichten Höhen, von oben stammend, zu denen wir alle einst wieder zurückkehren wollen und durch ihre Seele haben sie ein Stück ihres Schöpfers in sich. Wer so denkt, der wird auch immer milde Beurteilung für seine Mitmenschen haben. Wäre es möglich, daß im deutschen Volke dieser Gedanke Raum gewänne für die gegenseitige Beurteilung, so wäre damit die erste Vorbedingung geschaffen für eine vollständige Einigkeit. Aber erreicht kann dieselbe nur in einem Mittelpunkt werden: in der Person unseres Erlösers! In dem Manne, der uns Brüder genannt, der uns allen zum Vorbilde gelebt [S. 122] hat, der persönlichsten Persönlichkeiten. Er wandelt auch noch jetzt durch die Völker dahin und ist uns allen fühlbar in unserem Herzen. Im Aufblick zu ihm muss unser Volk sich einigen, es muss fest bauen auf seinen Worten, von denen er selbst gesagt hat: "Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte vergehen nicht.“ Wenn es das tut, wird es ihm auch gelingen. Zu solcher Mitarbeit möchte Ich am heutigen Tage auffordern, insbesondere die westfälischen Männer. Denn, wie Ich vorher auseinandersetzte, haben sie es verstanden, das schöne Bild versöhnter Gegensätze in ihrer Provinz zu geben. Sie werden Mich auch zuerst und am besten verstehen. In diesem Geist sollen alte und neue Landesteile, Bürger und Arbeiter sich zusammentun und einheitlich in gleicher Treue und Liebe zum Vaterlande zusammenwirken. Dann wird unser deutsches Volk der Granitblock sein, auf dem unser Herrgott seine Kulturwerke an der Welt aufbauen und vollenden kann. Dann wird auch das Dichterwort sich erfüllen, das da sagt: "An deutschem Wesen wird einmal noch die Welt genesen.“ Wer bereit ist, hierzu Mir die Hand zu bieten, dem werde Ich dankbar sein, und Ich werde ihn freudig annehmen, er sei, wer und wes Standes er wolle. Ich glaube, dass Ich von den Westfalen am ersten verstanden werde und deshalb habe Ich Mich an Sie gewendet".
"Nun erhebe Ich Mein Glas mit dem Wunsche, dass Gottes Segen auf der alten westfälischen roten Erde ruhen möge und auf allen ihren Bewohnern, dass es Mir vergönnt sei, fernerhin den Frieden zu erhalten, damit Sie ungestört Ihrem Berufe nachgehen können. Gott segne Westfalen! Die Provinz Westfalen hurra, hurra, hurra!"
Quelle: Internet Portal "Westfälische Geschichte". Dortiger Verweis:
Johann, Ernst | ||
TITEL | Reden des Kaisers | |
UNTERTITEL | Ansprachen, Predigten und Trinksprüche Wilhelms II. | |
ORT | München | |
JAHR | 1966 |