Szenen des Krieges - Gefangene
Ein gewisser Anteil der jeweiligen Verluste waren Gefangene, bei den Franzosen ca. 12 %, bei den Deutschen ca. 9 % und bei den Briten ca. 7 %, die Österreicher und die Russen hatten wesentlich höhere Gefangenenzahlen (35 bzw. 50 %). Spektakulär waren die Zahlen russischer Gefangener in den Schlachten bei Tannenberg im August 1914 (93000) und an den Masurischen Seen im September 1914 (45000).
Gefangenschaft war durchaus nicht ohne Risiko, insbesondere der Moment der Gefangennahme. Immer wieder wird von der Tötung von Gefangenen berichtet, nicht nur in der Hitze des Gefechts. Aber auch für diejenigen, die Gefangene machten, konnten hieraus Probleme entstehen, so konnte Gegenwehr wieder aufflackern und es war nicht leicht, die Gefangenen hinter die Frontlinie zu bringen.
Ernst Jünger (In Stahlgewittern. Stuttgart 1978, S. 262 ff.) berichtet aus der Kaiserschlacht (1918): „Da erblickte ich den ersten Feind. Eine Gestalt in brauner Uniform, anscheinend verwundet, kauerte zwanzig Schritt voraus in der Mitte der zertrommelten Mulde, die Hände auf dem Boden gestützt. Wir nahmen uns wahr, als ich um eine Windung bog. Ich sah sie bei meinem Erscheinen zusammenfahren, und mich mit weit geöffneten Augen anstarren, während ich, das Gesicht hinter der Pistole verborgen, mich langsam und bösartig näherte. Ein blutiger Auftritt ohne Zeugen bereite sich vor. Es war eine Erlösung, den Widersacher endlich greifbar zu sehen. Ich setzte die Mündung an die Schläfe des vor Angst gelähmten, die andere Faust in seinen Uniformrock krallend, der Orden und Rangabzeichen trug. Ein Offizier, er musste in diesen Gräben kommandiert haben. Mit einem Klagelaut griff er in die Tasche, aber er zog keine Waffe, sondern ein Lichtbild aus ihr hervor, das er mir vor Augen hielt. Ich sah ihn darauf, von einer vielköpfigen Familie umgeben, auf einer Terrasse stehen. Das war eine Beschwörung aus einer versunkenen, unglaublich fernen Welt. Ich habe es später als ein großes Glück betrachtet, dass ich ihn losließ und weiter vorstürzte. Gerade dieser eine erschien mir oft im Traum. Das ließ mich hoffen, dass er die Heimat wiedergesehen hat“.
Der deutsche Füsilier Willy Adams aus dem Lehr-Infanterie-Regiment beschreibt die Gefangennahme britischer Soldaten im Rahmen der deutschen Offensive im Frühjahr des Jahres 1918 wie folgt: "Die Briten kämpften oft in kleinen Gruppen in weit auseinanderliegenden Stellungen und leisteten keinen sehr heftigen Widerstand. Sie warfen ihre Gewehre fort und wollten sich ergeben. Aber bei uns sprach niemand englisch, und deshalb überließen wir sie den uns folgenden Angriffswellen. Sie hatten durch unser Artilleriefeuer einige Tote und Verwundete verloren. Den Verwundeten sagten wir, sie sollten auf unsere Sanitäter warten. Ich sehe noch ein junges Kerlchen, vielleicht neunzehn Jahre alt. Er versuchte, sich im Gebüsch verstecken. Wahrscheinlich hat geglaubt, ich würde ihn umbringen. Offensichtlich hatte er große Angst. Ich war sicher der erste deutsche Soldat, den er zu gesicht bekam. Ich gab ihm mit den Händen Zeichen, dass ich ihm nichts tun wollte, wir aber weiter müssten. So ließ ich ihn liegen" " (zitiert nach: Martin Middlebrock, Der 21.März 1918. Die Kaiserschlacht, 1979, S. 141).
Der britische Lance Corporal J. Wortly (2/5. Lincolns) schildert seine Gefangennahme in der sogenannten Kaiserschlacht im Jahre 1918 wie folgt: "Nun erkannten die Offiziere, was hinter uns geschehen war. Wir wurden kaum beschossen und konnten niemanden sehen, auf den wir hätten schießne können. Dann stellten wir fest, dass die Deutschen beiderseits von uns durchgekommen waren und die Männer hinter uns gefangengenommen wurden. Die Deutschen hatten uns im Handumdrehen von drei Seiten eingeschlossen. Ich habe nicht viele deutsche Infanteristen erkennen können., sondern stellte nur leichtes Gewehrfeuer fest. Ich erinnere mich ab deutlich, einige bespannte Fahrzeuge der deutschen Artillerie gesehen zu haben. Ein Artillerist führte das Sattelpferd, ein älterer Mann, der offensichtlich mit Pferden umgehen konnte. Er rauchte eine kleine krumme Pfeife mit einem Knoten am Pfeifenkopf, und sah so gelassen aus, als ginge er zu Hause hinter dem Pflug her.
Die Deutschen riefen uns an an: "Los! Los!" und forderten uns auf, uns zu ergeben. Einer unserer Leute war so aufgeregt, dass er vergaß, Waffen und Ausrüstung fortzuwerfen. Ein Deutscher ging auf ihn los, aber einer von unseren Jungen brüllte ihn an, und trieb in zur Eile. Wir konnten wirklich nichts mehr tun. Ich glaube, bei der ganzen Sache ist kein Schuß gefallen. Ein paar von uns waren sehr nervös, aber die meisten blieben ganz ruhig. Die Offiziere wussten nicht recht, was sie sagen sollten, aber wir konnten nicht mehr dran ändern. Unser Unternehmen war von vornherein aussichtslos gewesen" (zitiert nach: Martin Middlebrock, Der 21.März 1918. Die Kaiserschlacht, 1979, S. 172/ 173).
Erst im Jahre 1918 ergaben sich auch mehr deutsche Soldaten, so im Westen in der Zeit von Mitte Juli bis November 1918 ca. 340000. Insgesamt gerieten 993775 deutsche Soldaten in Kriegsgefangenschaft, und zwar in französische rund belgischer Gefangenschaft 424157, in englischer Gefangenschaft 328020, in amerikanischer Gefangenschaft 49560, in russischer Gefangenschaft 168104, in rumänischer Gefangenschaft 12898 und in sonstigen Ländern 11038. Von diesen Kriegsgefangenen verstarben 55899. 840491 Kriegsgefangene kehrten nach Deutschland zurück. Der Verbleib der restlichen Soldaten ist nicht aufgeklärt.
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