Lutheraner, Reformierte und Katholiken - ein Beitrag zur Religionsgeschichte des altpreußischen Heeres
Der Aufsatz erschien ursprünglich in der Zeitschrift für Heereskunde (1990, S. 52 ff., ohne Überschriften und Bebilderung).
Zur Bedeutung von statistischem Zahlenmaterial zur religiösen Struktur der jeweiligen Einheit
Eine wesentliche Quelle für eine Zustandsbeschreibung der inneren Verhältnisse des altpreußischen Heeres sind erhalten gebliebene Regimentsbücher. Diese umfangreichen Listenkonvolute vereinen neben den üblichen Stamm- und Rangierrollen in der Regel zusätzliche Zusammenstellungen in tabellarischer Form, die über viele wichtige Details (z. B. Körpergröße der Soldaten, Lebens- und Dienstaltersgruppen, nationale Schichtung, Anzahl der Verheirateten, Kapitulanten, Soldatensöhne usw. Auskunft geben. Die Sichtung und statistische Auswertung der persönlichen Daten der Militärangehörigen auf Regimentsebene war notwendig, um den Einklang der Verhältnisse im Regiment mit den gültigen Normen zu gewährleisten und um bei der jährlich die Exerzierzeit abschließenden Revue die Fragen des Königs oder des Generalinspekteurs exakt beantworten zu können.
Beispiele für die zahlenmäßige Zugehörigkeit der Soldaten zu den verschiedenen Religionen
Aus originalen Regimentsbüchern1 und anderen gedruckten Quellen erfahren wir Näheres über das konfessionelle Gefüge folgender Formationen:
Regiment | Jahr | Lutheraner | Reformierte | Katholiken | Griechen2 |
No. 2 | 1777 | 73 | 1 | 26 |
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No. 3 | 1805 | 83 | 2 | 15 |
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No. 5 | 1771 | 83 | 3 | 14 |
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No. 8 | 1783 | 81 | 4 | 15 |
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No. 16 | 1805 | 73 | 1 | 25 | 1 |
No. 23 | 1784 | 76 | 4 | 20 |
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No. 35 | 1744 | 66 | 7 | 27 |
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No. 35 | 1747/48 | 68 | 5 | 27 |
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K 8 | 1755 | 75 | 2 | 23 |
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D III | 83 | 33333 | 14 |
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D IV | 1747 | 90 | 1 | 9 |
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D V | 1764 | 85 | 2 | 13 |
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D IX | 1753 | 83 | 2 | 15 |
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Zu den Reformierten
Das vorstehende Zahlenmaterial belegt ein typisches Schema: die Angehörigen der reformierten Kirche machten somit stets nur einen Bruchteil der Kopfstärke aus. Die Reformierten (Kalvinisten) stellten auch im Gesamtstaat nur eine Minorität dar. Das Herrscherhaus der Hohenzollern war im Jahre 1613/4 um reformierten Bekenntnis übergetreten, konnte aber gegen den Widerstand der lutherischen Mehrheit eine Dominanz der agilen Kalvinisten nicht durchsetzen. Friedrich Wilhelm I., der ewigen kirchlichen Streitereien müde, versuchte vergeblich die Lutheraner und die Reformierten zu einer Union zu bewegen.
Zu den Lutheranern
Das Gros der Soldaten war analog zur konfessionellen Struktur in Preußen lutherisch. Auch bei der Anwerbung von Ausländern achtete man auf die Konfession, so galten protestantische Elsässer und Ungarn als „gut und sicher". Bei der Übernahme von Kriegsgefangenen in den eigenen Dienst wurden bevorzugt evangelische Soldaten ausgewählt, man traute den Katholiken nicht recht. Der Artillerie war die Anwerbung katholischer Rekruten sogar ausdrücklich verboten; die Zugehörigkeit zum evangelischen Bekenntnis als Einstellungsvoraussetzung galt dort auch für Inländer. Dies führte zu dem Paradoxum, dass der evangelische Ausländer dem katholischen Inländer vorgezogen wurde 3.
Zu den Katholiken
Dennoch war der katholische Anteil im altpreußischen Heer nicht unbeträchtlich, nach Heinrich soll dieser bereits unter Friedrich Wilhelm 1. fast 25 %. betragen haben4. Da aus der Zeit vor 1740 kaum Zahlenmaterial vorliegt, kann diese Angabe aber nicht überprüft werden. Sie ist auch wenig wahrscheinlich, weil die Ausländer, welche das Gros der katholischen Soldaten stellten, im Gefüge der altpreußischen Armee um 1740 nicht mehr als ein Drittel ausmachten und unter ihnen zwangsläufig viele Lutheraner waren. Wenn überhaupt, wiesen sicherlich nur einige wenige Formationen ein bedeutsames katholisches Element auf, wie z. B. die „Potsdamer Riesengarde" (No. 6). Um 1736/31 hatte die Anzahl der Katholiken in dieser Gardeeinheit so zugenommen, dass sie über die Hälfte ausmachte, also dominierte. Aus diesem Grund ließ der Soldatenkönig eine neue und geräumigere Kirche in Potsdam (Einweihung: 21. 09. 1738) errichten und im Jahre 1738 ein katholisches Unterrichts-, Gebet- und Gesangbuch drucken, mehrsprachig, denn viele der „Langen Kerls" waren fremdsprachige Ausländer. Seit 1722 war für das katholische Element in dieser Eliteformation der Pater Below zuständig. Als dieser 1731 schwer er-/ krankte und starb, wurde der Dominikanerpater Raimundus Bruns dessen Nachfolger.
Religiöse Betreuung bei der Garde in Potsdam
Ihm verdanken wir ein informatives Tagebuch welches seine schwieirge Tätigkeit als Seelsorger der "Potsdamer Riesengarde" (1731 - 41) anschaulich schildert.. Bereits im Jahr 1722 hatte Friedrich Wilhelm I. einen anderen Dominikanerpater namens Dominicus Torck mit der katholischen Seelsorge für die Garnisonen Berlin, Potsdam, Brandenburg, Nauen und mitunter auch Stettin betraut. Torck wirkte auch noch unter Friedrich dem Großen. Nach dem Tod des Paters 1755 trat er Dominikaner Amandus Jennes an dessen Stelle. Auch in anderen Garnisonen wurde katholische geistliche Fürsorge geduldet. Größere katholische Regionen kamen erst unter Friedrich dem Großen zum preußischen Staat: 1740 Oberschlesien und 1772 Westpreußen. In der Residenz Berlin gab es aber eine zahlenmäßige starke katholische Kolonie, um 1800 sollen es ca. 8000 Katholiken gewesen sein, davon 5000 Militärpersonen.
Für die Angehörigen der griechisch-orthodoxen Religion im Königsregiment (No. 6, zumeist Russen) wurde seit 1733 ein eigener Priester (Wassili Scherbatzki) und 4 russische Sänger beschäftigt. Den Gottesdienst hielt man in den Jahren 1733 -- 37 in einem Anbau (Kapelle) hinter dem langen Stall ab. Dieser wurde aber 1756 in ein Theater(!) umfunktioniert, fortan bekamen die „Griechen" einen Raum im Rathaus zugewiesen. Noch im Jahre 1748 (16.11.) hatte Friedrich der Große befohlen, dass für die Soldaten griechisch-orthodoxer Konfession der Potsdamer Garnison zweimal im Jahr für je acht Tage ein russischer Priester bestellt werden sollte.
Juden und Muslime in der altpreußischen Armee
Die Hugenotten spielten im Heer seit der Zeit des Soldatenkönigs quantitativ keine Rolle mehr. Juden dienten grundsätzlich nicht in der altpreußischen Armee, sie und ihre Söhne waren gemäß § 28 des Kantonreglements vom 12.02.1792 von der Kantonpflicht befreit. Sie durften aber keine kantonpflichtigen Feuerstellen erwerben, andernfalls wurden sie dienstpflichtig. Zu den Führungskadern des altpreußischen Heeres zählte aber zumindest ein General jüdischer Abstammung: Konstantin Nathanael von Salemon. Befreit waren auch Mennoniten, die aus Böhmen und Mähren eingewanderten Brüder-Gemeinden und verschiedene in Schlesien etablierte evangelische Kolonien. Erstere befreite ein Patent vom 17.10. 1713 von jeglicher Dienstpflicht und Einquartierung, die genannte Norm des Kantonreglements aus dem Jahre 1792 bestätigte dieses Vorrecht.
Zur altpreußischen Armee gehörte übrigens auch ein Truppenteil überwiegend muslimischen Ursprungs, nämlich die 1745 errichteten Bosniaken (H 9).
Religionslisten und königliche Fragen
Dass die konfessionelle Zusammensetzung eines Regimentes von Interesse war, beweist nicht nur Existenz der ,,Religions-Listen", die regelmäßig zum Inhalt der Regimentsbücher gehören, sondern ist auch durch andere zeitgenössische Quellen belegt, - so lesen wir in den Erinnerun gen eines altpreußischen Offiziers über die alljährlich stattfindenen Revuen: ,,Friedrich II. liebte rasche Antworten und es war daher besser, ihm eine unrichtige Zahl zu sagen, als zu stocken. So ereignete es sich, daß er einen Capitain fragte: ,,Wieviel Katholiken hat er?" - ,,Dreißig, Ihro Majestät." - ,, Wieviel Lutheraner?" - ,,Hundert und zehn". - ,,Wieviel Reformierte?" - ,,Fünf!" - ,,Dreißig und einhundert und zehn und fünf, das sind einhundert fünf und vierzig; da fehlen ja siebenzehn Mann, was sind die?" - ,,Diese haben gar keine Religion, Ihro Majestät", antwortete der Capitain, und der König lächelte und war zufrieden"5.
Militärgemeinden
Die Militärpersonen unterstanden nicht nur einer besonderen Gerichtsbarkeit, sondern waren auch kirchlich von den zivilen Gemeinden losgelöst und bildeten besondere, selbständige Militärgemeinden (Regiments-, Bataillons-, Garnisons- und Anstaltsgemeinden). Die aktiven Soldaten (Offiziere, Unteroffiziere und Gemeine), die Beamten und Familienangehörigen (Frauen, Kinder und Bedienstete) eines Regiments, Bataillons, gehörten zur Regiments- bzw. Bataillonsgemeinde und dem zuständigen Feldprediger allein oblag deren seelsorgerische Betreuung. Der Garnisongemeinde zugehörig waren ebenso die beurlaubten und abgedankten Soldaten nebst ihren Familien, entsprechend ihrem „Status militaris", der auch die Abdankung überdauerte.
Der Feldprediger - Anzahl, Gehalt und Aufgaben
Jedes Infanterie-, Kavallerie- und Husaren-Regiment verfügte über einen evangelisch-lutherischen Feldprediger, der beim Unterstab stand und 15 Thl/an Traktament bezog6. Für die Seelsorge der reformierten und katholischen Solda ten in Friedenszeiten autorisierte man einige wenige Zivil geistliche, in Kriegszeiten wurden eigens evangelisch reformierte Feldprediger und katholische Feldpater ange stellt. So befand sich im preußischen Hilfskorps des Jahres 1734 ein katholischer Feldpater, 1758 zählte die preußische Armee nach Schild drei reformierte und drei katholische Stabsfeldprediger7 und zur mobilen Armee im Jahre 1805 gehörten acht katholische Feldprediger8.
Anspruch auf die Stolgebühren für die Parochialhandlungen hatte aber auch bei katholischen Militärpersonen der evangelisch - lutherische Feldprediger. In der Praxis mußte also der katholische Geistliche entweder auf die Gebührnisse verzichten, auf freiwillige Gaben hoffen oder die Soldaten wurden mit den Gebühren doppelt belastet.
Die Aufgaben der Feldgeistlichen waren natürlich in er ster Linie kirchlicher Natur. Das Reglement von 1743 bestimmte: ,,Die Bursche sollen zu aller Kirchen-Ordnung, von der Religion sie sind, angehalten werden, wie es gebräuchlich"9. An allen Sonn-,Fest- und Bußtagen sollte in den Garnisonen zweimal „Kirchen-Parade geschlagen werden". Das Reglement von 1743 bestimmte: ,,Alle Officiers sollen mit in die Kirche, und nebst den Soldaten nicht eher aus der Kirche gehen, bevor Vorrnittag, der Priester von der Canzel und Nachmittag die Kirche ganz aus ist"10.
Ein in Stettin garnisonierender Subaltemoffizier berichtet er gänzend: ,,Alle Sonntage war Kirchenparade. Wir mußten in Zügen vor die resp. Kirche marschieren, dahin ein jeder seiner Religion nachgehörte, und in dieselbe eingehen,man wollte oder wollte nicht; auch wurde öfters Abendmahl gehalten, welches mir wegen der herrschenden Stille und Andacht unter einer großen Menge von Kriegern sehr erbaulich und zum Segen gewesen. Wer einmal in der Kirche war, durfte ohne dringende Not nicht wieder herausgehen, denn sobald die Kirche mit Soldaten angefüllt worden, wurde vor die Türen eine Wache von Unteroffizieren gestellt, welche niemand passieren ließen"11.
Für katholische Soldaten galt: ,,In einer Guarnison, wo eine Catholische Kirche ist, sollen die Catholische Soldaten mit einem Unter-Officier von jeder Compagnie dahin geschickt werden". Soldaten französischer Nationalität, die der deutschen Sprache nicht mächtig waren, gab man die Möglichkeit, eine etwaig vorhandene französische Kirche zu besuchen. In den Kirchen hatten die Vorgesetzten auf Disziplin zu achten, streng bestraft wurde „lärmen, Possen treiben und dergleichen Scandale".
Auch die §§ 1 ff. der Kriegsartikel vom 12. VII. 1713,31.VIII.1724 und vom 16.VI.1749 enthielten religiöse Weisungen und drohten bei Fehlverhalten mit drastischenStrafen. Die Kriegsartikel vom 20. III.1797 verlangten, dass „ein jeder Soldat ...ein christliches und tugendhaftes Leben führen" und „die ihm nach seiner Religion obliegende Pflichten sorgfältig" solle.
Neben den Militärgottesdiensten, gehörten auch tägliche Betstunden im Felde, Katechismus-Predigten, Katechisationen (seit 1720) und öffentliche Erbauungsstunden, sowie Taufe, Beichte, Abendmahl, Trauungen usw. von Angehörigen der Militärgemeinde zum Amtsbereich der Feldprediger, die Militärkirchenbücher sind in beredtes Dokument ihrer Tätigkeit. Es kam den Feldgeistlichen aber auch eine bildungspolitische Aufgabe zu: in Regimentsschulen wurden nicht nur die Junker als zukünftiger Offizierersatz, sondern ebenso die Soldatenkinder unterrichtet, ferner erhielten Soldaten und Soldatenfrauen Unterricht im Lesen und Schreiben.
Zur Hierarchie der Feldgeistlichen und die Feldpöbste
Vorgesetzter aller Militärgeistlichen (im Kriege auch der reformierten und katholischen Feldgeistlichen) war der Feldprobst. Dieses Amt war im Jahre 1717 von König Friedrich Wilhelm I. geschaffen worden. Seit diesem Zeitpunkt war das Militärkirchenwesen von der Landeskirche organisatorisch getrennt. Der Feldprobst war ständiger Beisitzer des Militärkonsistoriums12, hatte die Aspiranten für die Feldpredigerstellen, die in Halle studiert haben mussten, zu examinieren und zu ordinieren13, außerdem führte er die Aufsicht über sämtliche Garnison- und Regimentsprediger. Gleichzeitig war der Feldprobst Feldprediger der Garde.
Seit der Berufung von Lampertus Gedicke im Jahre 1717 folgten diesem im Laufe der Zeit Johann Kaspar Carstedt (ab 1736) ohann Christoph Decker (ab 1742) Karl Andreas Friedrich Balck(e) (ab 1758).1und Johann Gottfried Kletschke (ab 1779),,als Feldpröbste nach.
Zur Bedeutung der Religion in der damaligen Zeit
In der Wertewelt des 18. Jahrhunderts hatte die Religion einen ungemein hohen Stellenwert, was zeitgenössische Briefe, Tagebücher und Memoiren ausreichend belegen. Die gemeinen Soldaten, Unteroffiziere und auch viele Offiziere waren tief religiös motiviert bis hin zu der bezeugten Frömmigkeit so berühmter Generale wie Belling, Saldern, Schwerin, Winterfeldt und Zieten. Insbesondere die religiöse Erweckungsbewegung des Pietismus, von Friedrich Wilhelm I. protegiert, hatte einen großen Einfluss und bildete vor 1740 im altpreußischen Offizierkorps neben den beiden Antipoden der Anhaltiner und Schwerinschen Schule eine eigene geistige Strömung, die sich auf die harten Maximen der Berufssoldaten mildernd auswirkte.
Zum Einfluss des Pietismus und die Rolle Preußens als norddeutsche Schutzmacht des Protestantismus
Ausgehend von August Hermann Franke (1663 - 1727).,und den Hochburgen des Pietismus Halle und Königsberg, waren seit den Tagen dieses zu Recht als „Preußens größten inneren König" bezeichneten Regenten der Pietismus und der Hohenzollern staat eine Partnerschaft eingegangen. Die Gedanken der Aufklärung und vornehmlich deren kirchenkritische Ansätze waren lediglich im gebildeten Bürgertum und in Teilen des Adels wirksam. Das starke religiöse Moment ist auch ein nicht zu unterschätzendes Element der Schlesischen Kriege gewesen, galt doch Preußen in der Nachfolge Kursachsens nun als die norddeutsche Schutzmacht des Protestantismus und Gegengewicht zur katholischen Krone Habsburgs. Der protestantische Charakter des preußischen Staates ist nicht zu leugnen und vor diesem Hintergrund ist auch die ambivalente bis ablehnende Haltung der Hohenzollernfürsten gegenüber der katholischen Religion zu sehen.
Zur Vernachlässigung der seelsorgerischen Betreuung katholischer Soldaten
Ein Nebenprodukt dieser Negativhaltung war sicherlich auch die vernachlässigte seelsorgerische Betreuung der katholischen Soldaten. Auf diesem Sektor waren die Gardeformationen privilegiert, für die Linienformationen wurden - wie bereits erwähnt - erst im Kriegsfalle einige wenige katholische Militärgeistliche eingestellt. Das es nicht auch schon im Frieden katholische Feldprediger bei den Regi mentern gab, wurde natürlich vor allem von den Inhabern solcher Einheiten beklagt, die einen beträchtlichen katholi schen Anteil aufwiesen, wie z. B. das Infanterie-Regiment No. 58 in Goldap (Schlesien). Zumeist scheiterte aber die Schaffung entsprechender Stellen an der mangelnden Bereitschaft des Staates, der Kompaniechefs oder der (katholischen) Kirche die Folgekosten auf Dauer zu tragen.
Bewertung
So wird die religiöse Betreuung der katholischen Soldaten im ausgehenden 18. bzw. zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Berlin, Stettin, Goldap und Münster (nach der preußischen Besetzung) und den entsprechenden Provinzen wohl zu Recht als unzureichend und deshalb unbefriedigend geschildert. Obwohl man um die Bedeutung der Religion als stabilisierendes Element wusste und sogar die mangelnde geistliche Fürsorge für die Desertion katholischer Soldaten in offiziellen Berichten verantwortlich gemacht wurde, half man diesem Mangel nicht ab. Trotz dieses Misstones war der Grundsatz der Religionstoleranz im altpreußischen Staat rechtlich verbrieft und traditionelle Praxis, ein Novum im 18. Jahrhundert. Die freie Religionsausübung wurde den Soldaten mehrfach vom König ausdrücklich zugesichert. Das staatlich sanktionierte der verschiedenen Konfessionen spiegelt sich in den nüchternen Zahlen der Religionslisten wider.
Literatur: (Auswahl)
Carstedt, Samuel Benedikt, Atzendorfer Chronik. Bearbeitet von Eduard Stegmann, Magdeburg 1928.
Fickert, K. R. (Hrgb.), Das Tagebuch des Feldpredigers
J. F. Seegebart ... Breslau 1849
Haeckel, Julius, Die Potsdamer Riesengarde, Potsdam 1913.
Heinrich, Gerd, Religionstoleranz in Brandenburg - Preußen. Idee und Wirklichkeit, in: Preußen. Beiträge zu einer politischen Kultur, S. 61 ff. (Bd. 2 des Kataloges zur Preußen - Ausstellung, 1981).
Hermann, Willibald (Hrgb.), Das Tagebuch des Dominikanerpaters Bruns aus Halberstadt des Seelsorgers der Potsdamer Riesengarde (173'1 - 1741), Breslau 1925.
Jany, Curt, Geschichte der Preußischen Armee vom 15. Jahrhundert bis 1914, Bd. I. - III. (Nachdruck Osnabrück 1967).
Langhäuser, Julius, Das Militär-Kirchenwesen im kurbrandenburgischen und:königlich preußischen Heere. Seine Entwicklung und derzeitige Gestalt, Metz 1912.
Loebell, v., Unter dem Preußischen Adler. Erlebnisse eines Kurländers im friderizianischen Heere und während der Befreiungskriege, Potsdam 1936.
Pohl, Heinrich, Die katholische Militärseelsorge Preußens 1797 - 1888. Studien zur Geschichte des deutschen Militärkirchenrechts, Stuttgart 1926.
Prittwitz und Gaffron, Jugenderinnerungen des Christian Wilhelm v., Unter der Fahne des Herzogs von Bevem, Breslau 1935.
Schild, Erich, Der Preußische Feldprediger. Bilder aus dem kirchlichen Leben der preußischen Armee älterer Zeit, Eisleben 1888.
Schild, Erich, Ursprung und erste Gestalt des preußischen Feldpredigeramtes, Beiheft zum Militär-Wochenblatt 1880.
Stahr, Johann Adam, Aus den Aufzeichnungen eines Prenzlauer Feldpredigers, in: Mitteilungen des Uckermärkischen Museums ..., Bd. IV., 3. Heft, S. 161 ff. (1910).
Taeglichsbeck, Das Füsilier-Regiment Prinz Heinrich von Preußen (No. 35) 1740 - 1806, Berlin 1891.
Wachholz, Aus dem Tagebuch des Generals Fr. L. v. Braunschweig 1843.
Fußnoten:
- 1. Die originalen Regimentsbücher von No. 3 und 5 konnten ursprünglich im Archiv Bleckwenn / Münster eingesehen werden.
- 2. Die Anzahl der griechisch-orthodoxen Soldaten war (soweit bekannt) sehr klein und (außer bei No. 16, 1805) eine minimale statistische Größe. Es werden diesem Bekenntnis zugeordnet: bei No. 5 (1771) 1 von 1794, bei No. 8 (1783) 4 von 1786, bei No. 16 (1805) 33 von 2519 und bei No. 35 (1747/48) 9 von 1660 Soldaten.
- 3. Jany, Bd. 1, S. 699. Schöniung, Kurd Wolfgang v., Historisch-biographische Nachrichten zur Geschichte der Brdbg.-Pr. Artillerie, Berlin 1844-45, Bd. 2, S. 89.
- 4. Heinrich, S. 78.
- 5. Wachholz, S. 44 - 46, vgl. auch: Loebell, S. 14 / !)'und Taeglichsbeck, S. 145 / 146.
- 6. Reglement von 1726, S. 584 der Feldprediger hatte aber noch weitere Einnahmen, so z. B. die Gebührnisse für seine kirchlichen Amtsgeschäfte, Jugend- und Privatunterricht, den Inhalt des Klingelbeutels, eventuelle Zulagen usw. Im Felde fielen diese Einkünfte natürlich weg, es verblieb nur das Gehalt, sowie 1 Brotportion und 2 Rationen (für Pferde).
- 7. Schild, Der Preußische Feldprediger, S. 69· zum katholischen Militärkirchenwesen vgl. Pohl, S. 1 - 26.
- 8. Pohl, S. 26.
- 9. Reglement von 1743, S. 556.
- 10. Reglement von 1743, S. 386 f.
- 11. Prittwitz, S. 57.
- 12. Militärischer Gerichtshof für kirchliche Angelegenheiten unter dem Vorsitz des Generalauditeurs, bearbeitete überwiegend Ehesachen.
- 13. Das Vokationsrecht hatte aber der entsprechende Regimentschef.