Laeso et invieto militi - das altpreußische Invalidenwesen

Laeso et invieto militi = Inschrift über dem Portal des Berliner Invalidenhauses.

Allgemeine Vorbemerkungen zur Versorgung von Soldaten in der Neuzeit

Im 17. Jahrhundert entwickelten sich die europäischen Streit­kräfte in einem langen Übergangsprozeß zu stehenden Heeren und damit zu staatlichen Institutionen. Das stehende Heer, der Miles perpetuus, war sowohl Voraussetzung, als auch Instrument der absoluten Macht der Fürsten, der Soldat trug des Königs Rock. Mit dem Aufkommen der stehenden Heere stellte sich aber auch das Problem der Versorgung der nicht mehr dienstfähigen Soldaten. In den verschiedenen Staaten gab es vielfältige Bemühungen zur Lösung dieser sozialen Frage.

Beispiele aus anderen Staaten

Vorbildlich waren die Maßnahmen in Frankreich, hier wurde bereits unter Ludwig XIV. für die ausgedienten Soldaten eine regelrechte Altersversorgung eingeführt, die Errichtung des »Hotel des Invalides« in Paris datiert aus 1674. In Österreich­ Ungarn wurden entsprechende Invalidenhäuser in Wien und Budapest im Jahre 1721 geschaffen. In Kursachsen zahlte man verabschiedeten Soldaten seit dem frühen 17. Jahrhundert sogenannte Abdankungsgelder, diese wurden im Laufe der Zeit in eine laufende Rentengewährung (Provisionen, seit 1738 1Thaler mtl.) umgewandelt. Gleichzeitig war man bemüht, die Ausübung von gewerblichen Tätigkeiten durch Invaliden und ihre Niederlassung in Dörfern zu erleichtern. Während in Sachsen Invalidenhäuser nicht errichtet wurden, gab es hier aber seit 1726 Invalidenkompanien. Diesen aus dienstunfä­higen Soldaten bestehenden Einheiten oblag in ihren Standorten der Garnisondienst, insbesondere Postenstehen usw. Die Konzentration nicht mehr felddienstfähiger Soldaten in bestimmten Einheiten war als Versorgungsvariante auch in Bayern bekannt, so existierte um 1650 eine entsprechende Garnisonskompanie auf dem Rothenberg,1758 auf Bataillons-­ und 1771 auf Regimentsstärke vermehrt. In der Kurpfalz wurden in den Jahren 1704 ff. Invalidenkompanien für den Wachdienst in den kurfürstlichen Schlössern und Gärten errichtet. Hansen verweist auf frühe Formen der Sozialversi­cherung in Hannover und in dem Fürstentum Schleswig­ Holstein-Gottorf. Württemberg gelangte hingegen erst recht spät zu einer geregelten Invalidenfürsorge. Insgesamt waren aber die vorhandenen finanziellen Mittel und Unterbringungs­möglichkeiten für Invaliden unzureichend, ihre Lage wird zu verschiedenen Zeiten in verschiedenen Staaten überein­stimmend als schlecht beschrieben.

Schwierige Rahmenbedingungen des altpreußischen Staates

Das im Verhältnis zu seiner materiellen Basis (Staatsgebiet, -volk, wirtschaftliche Ressourcen) bedeutendste Heer des 18. Jahrhunderts war das des jungen preußischen Königreichs. Es sollte sich in den 3 schlesischen Kriegen in Bezug auf Habitus und überlegene Manövrier- und Exerzierkunst einen beinahe legendären Ruhm erwerben. Angesichts der engen Rahmenbedingungen stellte sich in dem militärisch überan­strengten Preußen die Invalidenfürsorge als besonders proble­matisch dar, dem Werdegang des Invalidenwesens mit beson­derer Berücksichtigung der friderizianischen Zeit sollen die nachfolgenden Zeilen gewidmet sein1.

Ursprünge der Invalidenversorgung in Preußen

Das Invalidenwesen geht auf die Zeit des Großen Kurfürsten (1640-88) zurück, der im Einzelfalle Gnadengehälter für Offiziere und »Gnadenthaler« für Mannschaften gewährte und verschiedene »Blessirten-Kompagnien« einrichtete2. Friedrich I. (1688-1713) baute die Invalidenversorgungaus und stiftete im Jahre 1705 (24.08.1705) die Invalidenkasse, welche Kapitalien zum Bau eines Invalidenhauses ansammeln sollte. Dieser Plan wurde allerdings wiederaufgegeben, ab 1721 diente der Kassenbestand zur Finanzierung regelmäßiger Versorgungsbezüge in Form von Pensionen und »Gnaden­thalern«.

Invalidenversorgung unter König Friedrich Wilhelm I.

Friedrich Wilhelm I. (1713-40) war bereits als Kronprinz mit Invalidensachen befaßt, so agierte er in der Führungsspitze der vorgenannten Invalidenkasse. Im Zusammenhang mit der Unterbringung eines verwundeten Gefreitenkorporal schrieb er am 09.02.1706 an den Fürsten Leopold von Anhalt-Dessau, dass es »unbarmherzig sein würde, sich derselben, so ihre gesunde Gliedmaßen vor den Feind verloren, nicht anzunehmen«. Ausgehend von dieser Intention verbesserte und ordnete Friedrich Wilhelm I. während seiner Regentschaft die Versorgungseinrichtungen und trachtete vornehmlich danach, das finanzielle Volumen der Invalidenkasse zu vergrößern. 1714 existierten neben der »alten Trabanten­-Garde« vier weitere Invaliden-Kompanien3. 1730 wurde für die invaliden Soldaten des »Königs-Regiments«durch Stiftung des Korps der Ausrangierten bzw. Garde-Invaliden (zunächst in Pritzerbe, ab 1738 in Werder bei Potsdam) in besonderer Weise gesorgt4. Jeder von ihnen erhielt laut kgl. Ordre vom 28.08.1739 mtl. 2 Thaler5. 1729 gründete man das erste von vier Landregimentern, deren Stämme ebenfalls der Versorgung beschränkt diensttüchtiger Soldaten dienten. Ferner führte Friedrich Wilhelm I. die Versorgung von Invaliden durch Unterbringung in subalternen Stellen der Zivilverwaltung ein. Bereits in dem eigenhändig von Friedrich Wilhelm I. entwor­ fenen Konzept zu der Instruktion für das Generaldirektorium vom 20.12.1722 war vorgesehen, daß »alle Torschreiber, Lantreuter, Hausreuter, MüllnReuter ...von Invalide unteroff. und soldahten sein sollen«. In den Augen des Königs waren die invaliden Soldaten in besonderer Weise geeignet, die subal­teren Stellen in der Beamtenhierarchie zu besetzen. So wurden in der Folge Unteroffiziere z.B. als Boten, Polizeiausreiter, Torschreiber oder Kanzlisten versorgt.

Reform der Invalidenkasse

Im Übrigen war der König bemüht, die Invaliden im Lande zu halten, ein entsprechendes Patent, »daß die ausrangierte Soldaten nicht ausser Landes gehen, sondern an die Commis­sariate, Cammern und Land-Räthe adressiret werden sollen oder auf dem Lande untergebracht werden mögen«, datiert vom 14.02.1714. Bei der Reformierung der Invalidenkasse im Jahre 1713 hatte Friedrich Wilhelm I. bestimmt: »Was die Soldaten selbst, welche unter die Invaliden aufzunehmen und unterzubringen sind, belanget, damit hat sich das Direk­torium nicht zu meliren, sondern dieses ist Sr. Kgl. Majestät eigene Affaire, welche die Soldaten jedesmal selber sehen und als dann weiter deshalb disponiren wollen«6. Nach Schnackenburg fanden neben den Visitationen der Invaliden bei den üblichen Revuen auch spezielle Invaliden-Muste­rungen statt, so in den Jahren von 1725 bis 1729. Unter dem Nachfolger des Soldatenkönigs sollte das System der Invali­denversorgung weiter ausgebaut werden.

Invalidenversorgung unter Friedrich dem Großen

Friedrich der Große hat sich ebenso wie sein Vater ausdrücklich zu der moralischen Pflicht zur Invalidenver­sorgung bekannt: »Ein Soldat, der für das Gemeinwohl seine Glieder, seine Gesundheit, seine Kraft und sein Leben opfert, hat, wenn 1er altersschwach und verstümmelt an seinen Gliedern ist; den Anspruch auf die Wohltaten derer, für die er alles riskiert« 7. Der König argumentiert hier mit dem Motiv der Solidarität und Dankbarkeit und bezeichnet Undank­barkeit  als »ein  häßliches  Laster  des  Bürgers«,  die »abscheulich« wird, wenn ein »Souverän oder wenn eine Republik es an Dankbarkeit fehlen läßt«. Seiner Auffassung gemäß betrachtete aber Friedrich der Große die Gewährung einer Versorgung bei Verabschiedung und Invalidität immer als eine Belohnung für gute und treue Dienste, ein tatsächliches oder angebliches Versagen von Einzelpersonen oder ganzen Truppenteilen hatte Sanktionen zur Folge: »Es hat in diesem letzten Kriege Regimenter gegeben, die so schlecht gedient haben, daß ihre Invaliden, um sie zu strafen, an keinen Wohltaten, die man den anderen gibt, teilhaben, weil sich die Strafen und Belohnungen den Diensten angleichen müs­sen«8. Sanktionen dieser Art betrafen insbesondere die ostpreußischen Regimenter und die Offiziere und Mannschaften der von der Kapitulation von Maxen (21. 10.1759) betroffenen Einheiten.

Friedrich der Große (1712 - 1786). Originaler englischer Stahlstich aus dem 19. Jhdt.

Vorgaben im Reglement (1743)

Das Reglement von 17439 bestimmte hinsichtlich der Versorgung: »Wann bey den Regimentern Bursche Alters oder Kranckheits halber invalide (ge)worden sind, so wollen Seine Königliche Majestät durchaus nicht haben, daß selbige ohne Ihren Vorbewußt verabschiedet werden, sondern die Regimenter sollen es Ihre Majestät melden, damit solche versorget werden und nicht nöthig haben, betteln zugehen... «. Zugleich wurde befohlen, daß die verabschiedeten Soldaten Rock, Kamisol und Hosen behalten, »damit der verabschiedete Soldat nicht nackend vom Regiment gehen darff«. Grena­dieren, die kriegserprobt waren, galt eine Sonderregelung des genannten Reglements: »Wann Grenadiers, welche die beyden Campagnen mit gethan haben, invalide werden, so sollen selbige den 20. Februar eines jeden Jahres nach Berlin geschicket werden, daß Se. Königl. Majestät sie besehen und, wofern sie zum Dienst untüchtig sind, vor dero Unterkommen sorgen können« 10.

Das Invalidenhaus in Berlin

Einrichtungen und Maßnahmen der Invalidenversorgung der friderizianischen Zeit waren durchaus manigfaltig: in Berlin existierte das Invalidenhaus11. Die Grundsteinlegung erfolgte am 02.05.1747 und die Übergabe am 15. XI. des folgenden Jahres. Mit den Vorbereitungen zu dem Bau desselben wurde Generalmajor Georg Franz Konrad Freiherr v. d. Golz (Chef von K 10) betraut, von ihm stammt auch die erste Instruktion für den Kommandeur des Invalidenhauses. Diese Funktion hatte bis zum Jahre 1768 Oberst Samuel von Feilitsch inne. Am 31.08.1748 erging an die Regimenter die Ordre, »eine Liste derjenigen Invaliden aus den letzteren schlesischen Kriegen, welche durch Blessuren ganzlich invalide und bisher mit zwei Thalern monatlich verpflegt werden, sich sehr gut geführt hätten und bei den Kriegsoccasionen besonders treu gedient, daß selbige wert seien, recompensiret zu werden, einzusenden und die Leute so abzusenden, daß sie den 15. November hier zur Aufnahme in das von Mir neu etablierte Invalidenhaus eintreffen und sollen sich bei den Commandeur sothanen Invalidenhauses, Oberst v. Feylitsch, melden ... «12.

Am 13.11.1748 erhielt der Generaladjutant Johann Jobst Heinrich Wilhelm v. Buddenbrock die Weisung, die noch am Etat des Invalidenhauses fehlenden 19 Unteroffiziere und 93 Gemeine »aus Werder zu nehmen«13. Der Personaletat des Invaliden­hauses betrug 1748 1 Kommandanten, 3 Kapitäne, 6 Leutnants, 3 Fähnriche, 600 Unteroffiziere und Gemeine = 613 (1867: 507, 1913: 327). Der jährliche Verpflegungsetat machte an Trakta­menten insgesamt 18903 Reichsthaler, der jährliche Unterhal­tungsaufwand 3026 Reichsthaler, 22 Groschen und die Kosten für Licht und Öl 902 Reichsthaler, 22 Groschen aus. Neben Unterbringung, Bekleidung und Verpflegung erhielt jeder Feldwebel monatlich 4 Thaler, jeder Sergeant 3 Thaler, 8 Groschen, jeder Korporal 3 Thaler und jeder Gemeine 2 Thaler.

Dem Invalidenhaus waren eine Reihe von Ländereien zugehörig, da man bestrebt war, dieser Einrichtung zur wirtschaftlichen Autonomie zu verhelfen. So verfügte es über eine eigene Landwirtschaft mit Mühle, Masttierzucht, Gärtnerei, Brauerei, Brennerei und sogar über eine Seidenrau­penzucht, dazu kamen eine Bäckerei, ein Waschhaus und ein Schlachthaus.

Gegenüber dem lnvalidenhaus bestanden bei den Invaliden allerdings Vorbehalte, diese wurden auch von anderen Zeitgenossen geteilt. Vor der Errichtung dieser Insti­tution äußert sich bereits Faßmann zu dieser Problematik: »Ein Invaliden-Haus vor unvermögende, arme und preßhaffte Soldaten zu erbauen, und zu stifften, haben zwar Ihre Majestät der König schon als Cron-Prinz die Vorsorge genommen. Dieweil aber einem armen Soldaten mehr damit gedienet, wann er ein leidliches Gehalt mit der Freyheit bekommet, das wenige, wo er will, etwa bey denen Seinigen, oder andern gutherzigen Leuten zu verzehren, wogegen die Verpflegung an einem allgemeinen Ort, derer Bedienten, Unterhaltung derer Gebäude, und anderer Umstände wegen, weit kostbarer, denen armen Invaliden aber gleichwohl desto beschwerlicher wird, dergleichen Personen mit einer Beysteuer, bey denen Ihrigen, oder wo sie es sonst verlangen, zu versorgen; wodurch dann dasjenige, was auf Gebäude und Bediente verwendet werden müßte, diesen gebrechlichen und dürfftigen Leuten gute gehen und ausgetheilet werden kan«14. Neben dem Berliner Invali­denhaus war im Landarmenhaus zu Kreuzburg in Schlesien, an dessen Finanzierung sich der König beteiligte, Platz für die Unterbringung »einiger« invalider Offiziere und Gemeiner15.

Die Landregimenter und die "Braunröcke" der Garde

Neben den Stämmen der vier Landregimenter16 und dem Korps der ausrangierten Gardeinvaliden (genannt die »Braun­röcke« in Werder, 1729/30 gegründet)17 bestand von 1742 bis 1763 das „Neue-Garnison-Regiment", welches insgesamt 12 Kompanien umfaßte und in verschiedenen Garnisonorten verteilt lag. Es ergänzte sich ausschließlich aus Invaliden und Ausrangierten und ist damit als eine reine Invalidentruppe einzustufen 18. Invalidenkompanien bei den einzelnen Regimentern wurden erst ab dem Jahre 1793 gegründet.

Links: Adliges Kadettenkorps, rechts: Angehöriger des Invalidenkorps. Zeichnung von Adolph v. Menzel. Entnommen aus: Eduard Lange II., Heerschau der Soldaten Friedrichs des Großen. Leipzig 1856 (Nachdruck Krefeld 1970 (nach S. 110).

Unterbringung von Invaliden in der Verwaltung (Zivilbedienungen)

Ferner wurde versucht, die verwendungsfähigen Invaliden in der Zivilverwaltung in subalternen Stellen unterzubringen: so dienten sie als Landreiter, Exekutoren, Kanzleiboten, Visita­ toren, Torschreiber, Holzverwalter, Wagen-und Schirrmeister und ab 1779 als Dorfschullehrer19, beim Generaldirektorium, bei den Kammern und Regierungen, bei der Postverwaltung, bei der Generaltabaksadministration und bei der Regie. Die Invaliden des Feldjägerkorps wurden seit 1758 im zivilen Forst­ dienst untergebracht. Friedrich der Große verlangte ferner, daß die Unterbeamten des Magistrates von Berlin möglichst aus dem Kreis der Invaliden genommen werden sollten"20. Gegen die Verwendung von invaliden Soldaten als Lehrer wehrte sich jedoch vor allem das geistliche Departement, deshalb war dieser Versorgungsvariante wenig Erfolg beschieden. Doch nicht nur bei der Versorgung der Invaliden als Dorfschullehrer gab es Probleme, vielmehr stieß der König bei dem Versuch der Unterbringung der Invaliden in subalternen Stellen der Verwaltung immer wieder auf Widerstand. 1746 hatte der König die Kriegs- und Domänenkammern diesbezüglich kriti­siert und 1747 und 1758 die Einstellung ehemaliger Soldaten in der Verwaltung überprüft.

An den um das Invalidenwesen verdient ein Oberst Jakob Clapin v. Colong richtete Friedrich der Große am 19.10.1780 diesbezüglich folgendes Schreiben:

»Ich habe Euren Bericht vom 17. dieses mit den Invaliden Listen erhalten, und daraus Eure Beschwerden gegen die General Accise und Zoll Administration, daß sie auf die Unter­bringung der Invaliden ohngeachtet Eurer Empfehlungen so wenig bedacht nimmt, ersehen. Es ist dieser wegen dato an selbige die nachdrücklichste Ordre ergangen, daß sie vor allen anderen Leuthen die Invaliden untherbringen soll. Ihr habt zu dem Ende eine namentliche Liste von 1000 Mann anzufer­thigen und dazu die am mehrsten Fähigkeiten haben und zum Besten zu gebrauchen sind, auszusuchen und diese Liste einzu­reichen. Die will Ich sodann der accise regie zuschicken mit der Ordre, diese Invaliden hintereinander gleich untherzubringen und dafür alle die Perrückenmacher und die anderen Herum­läuffer, die sie bisher denen Invaliden vor gezogen hat, abzuschaffen ... «21. Wegen der Verabschiedung eines ehemaligen Feldwebels aus seiner Stellung als Salzfactor beim Salzdepartement schrieb der König im Jahre 1781 an den zuständigen Minister v. Werder: »Ihr werdet ja Meine Invaliden nicht verstossen wollen. Ihr seid ja selbst Soldat gewesen, Ich bin es noch, und sehe es gern, das meine Cameraden versorgt werden«. Schon im Jahre 1776 hatte der König an den Rand eines Berichtes über die Entlassung des Rendanten des Waisenhauses in Züllichau, eines vormaligen Feldwebels mit 38 Dienstjahren, notiert: »... aber Sie jagen Meine Invaliden weg, das ist auch nicht recht.«22. Trotz dieser Schwierigkeiten wurden aber im Laufe der Zeit viele dienstun­tüchtige Soldaten in entsprechenden Stellen untergebracht, bei dem Infanterie-Regiment No. 16 (Königsberg/Ostpr.) z. B. als Küster, Hochzeits- und Leichenbitter, Glöckner, Kirchen­knecht, Pedell, Bote und Schulmeister. In der Zeit von 1783 bis 1786 hatten von dem vorgenannten Regiment allerdings nur 5 Invaliden Zivilbedienungen erhalten, zu groß war die Anzahl der Aspiranten und zu gering die Anzahl der verfügbaren und geeigneten Posten23.

Konkurrenz mit anderen Bewerbern

Deshalb mußten immer wieder Gesuche abschlägig be­ schieden werden: »Mein lieber G.M. v. Stille. Ich habe aus Eurem Schreiben v. 2. ersehen, daß Ihr Mir Euren alten Pau­ker zum Bürgermeisterdienst in Ermsleben recommandiren wollen. Aber ich habe viele invalide Unterofficiers, die muss Ich erst unterbringen, ehe Ich an diesen Pauker denken kann«24.

Ansetzen von Kolonisten bzw. Ansiedlung von Invaliden und Erleichterungen bei wirtschaftlichen Betätigungen

Die Ansetzung von Kolonisten im Rahmen des sogenannten Bildner-Etablissements in den Oder-, Netze- und Warthe­brüchen ist auch ein Teilstück aus dem Bereich der Invaliden­versorgung, denn es waren invalide und verabschiedete Soldaten darunter25. Diese als »Bildner und Militär­ Kolonisten« angesetzten Invaliden sollten das »Land ... peupliren« und man wollte verhindern, daß sie »ausser Landes gehen«26. Die grundsätzlich vorhandene Intention, die Ausländer unter den Invaliden im Lande zu halten, wird in einer Ordre des Königs vom 01.03.1786 an General v. Götzen deutlich: »Demnächst ertheile Euch auf Eure Anfrage, in Ansehung der unter den Ausländern befindlichen Invaliden, hierdurch zur Antwort, daß wenn unter den Ausländern Invalide sind, so müssen solche keineswegs wieder aus dem Lande geschickt, sondern hier im Lande versorgt werden« 27. Im übrigen war die Ansetzung ausgedienter Soldaten als Maßnahme der Versorgung in Brandenburg-Preußen bereits im Jahre 1660 bekannt. Daneben wurden den verabschiedeten Soldaten Nutzungen verliehen oder man befreite sie von den städtischen Handwerksbeschränkungen 28. Am 28.03.1733 veröffentlichte die Kgl. Kriegs-und Domänenkammer zu Cleve das am 13. d. M. in Berlin erlassene Reskript, wonach invaliden Soldaten mit mindestens 12jähriger Dienstzeit das Bürger- und Meister-Recht in den Städten unentgeldlich verliehen werden sollte29. Auch damit war beabsichtigt, die Wiedereingliederung ausgedienter Soldaten in den zivilen Alltag zu erleichtern.

Gewährung von sogenannten Gnadenthalern bzw. Invalidengehälter

Das Gros der Invaliden erhielt jedoch den »Gnadenthaler«. Aufgrund der Ordre vom 30. VI. 1746 unterteilte man die Invaliden in drei Klassen: 1. solche, die sich nicht helfen können, 2. solche, so zu »employiren« (die kleine Dienste leisten können) und 3. solche, so noch zu leben haben. Die 1. Klasse erhielt 2, die 2. und 3. Klasse erhielt 1 Thaler30. Weiche Voraussetzungen dienstuntüchtige Soldaten für die Gewährung von finanziellen Zuwendungen in Form des "Gnadenthalers" erfüllen mussten, ist einer Reihe von Einzel­belegen zu entnehmen. Am 03. 07. 1749 beantwortet Friedrich der Große ein Gesuch des Generalmajors v. Stosch wie folgt: »Ich habe Euer Schreiben v. 25. v. M., worin Ihr denen, in der mit übersandten Liste benannten elf Invaliden ein Gnaden­gehalt zu accordiren gebeten, erhalten. Weilen aber selbige nicht durch ihre vor den Feind empfangene Blessuren invalide geworden; So können selbige auch noch zu keinem Invaliden­gehalt gelangen«31. In einem kgl. Schreiben vom 04. 05. 1743 an den Regimentschefvon H 1, Johann v. Bronikowski (1690-1767) wird befohlen, die alten Husaren zu verabschieden. »Die beyden Neunzig jährigen Husahren, Johann Bialaczekowsky und Alexander Ruzkowsky, desgleichen auch der im Kriege invalide gewordene Husahr Krüger bekommen jeder ein monatliches Gnadengehalt von 2 Reichsthalern aus der Invali­denkasse vom 1. 6. d. J. an«32. In einem anderen Fall geht es um einen Dragoner namens Christoph Zimmermann aus dem Regiment D V., der in der Schlacht bei Czaslau 19 Verwun­ dungen erhalten haben soll, und deshalb, »da er nunmehro auch mit Betteln sich nicht weiter ernähren könne, um einen Thaler monatlich Gnadengehalt bittet«. Der König will dem Antrag zwar stattgeben, beauftragt aber vorab den Generaladjutanten v. Buddenbrock, die angegebenen Umstände aufihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen und Erkundigungen einzu­ziehen33. Unabdingbare Voraussetzung für eine geldbare Versorgung war es demnach, daß die Invalidität aus einer Verwundung im Kriege resultierte, nur dann bestand offenbar die begründete Hoffnung auf eine Zuwendung aus dem knappen Fonds für die Gewährung entsprechender »Gnaden­thaler«.

Bewertung durch den König Friedrich II.

Über die Arten und Möglichkeiten der Invalidenversorgung zieht Friedrich der Große in seinem Politischen Testament von 1768 Bilanz:»... Deswegen habe ich nahe von Berlin das Invali­denhaus gegründet. Es hat den Fehler, dass es nur 600 Mann aufnehmen kann. Das ist nicht genug im Verhältnis zur Größe der Armee. Die Kriegskasse verfügt außerdem über einen Fonds, aus dem man den Bedauernswerten, die sich aufs Land zurückgezogen haben, einen Taler pro Monat gibt; und allen Unteroffizieren und den alten verdienstvollen Soldaten verschafft man eine kleine Anstellung bei den Akzisen, beim Zoll, bei der Tabakregie und überall, wo Stellen frei sind, die sie ausfüllen können. Unabhängig von all diesen Einrichtungen gibt es noch eine Anzahl von armen Soldaten, denen man bis jetzt nichts geben konnte und für die ich einen kleinen Fonds einzurichten gedenke«34.

Invalidenlisten und Kontrolle derselben

Bei den alljährlich stattfindenden Revuen wurde nicht nur der Ersatz, d. h. die Rekruten, sondern auch der Abgang, u. a. auch die Invaliden, dem König bzw. dem Generalinspekteur vorge­stellt. Alljährlich wurden dem König darüberhinaus Versor­gungslisten eingereicht. Auf Regimentsebene führte man genaue Invalidenlisten. Diese besonderen listenmäßigen Aufstellungen und Auswertungen fanden Eingang in die Regimentsbücher und boten hinreichendes Informationsma­terial über die Versorgungssituation in der jeweiligen Einheit. Nachweisbar sind solche Invalidenlisten z.B. für No. 8 (1783), No. 23 (1805), K 2 (1787) und K 3 (1805). Man nannte die noch zu versorgenden Invaliden und führte die Invaliden an, die sich selbst ernähren konnten. Die Invaliden-Liste von K 2 (1787) zeigt gleich das damalige Spektrum der Versorgungsmöglich­keiten für Bedürftige auf: Zivilbedienung, Gnadenthaler, Unterbringung im Invalidenhaus, Versetzung zu einem Landregiment oder Verwendung zu »kleinen Bedienungen«. Bei K 3 (1805) differenziert man die Invaliden in solche, die sich noch »würcklich in Reih' und Glied befinden, mit der Angabe der Bedienung zu der sie notirt sind« und in solche, die »nicht mehr in Reih'und Glied stehen, jedoch noch unversorgt sind und diejenigen, welche in den Jahren 1804 und 1805 versorgt« wurden.

Auswertung des Zahlenmaterials auf höherer Ebene

Die Auswertung all dieser Invalidenlisten an zentraler Stelle ermöglichte einen Überblick über die Anzahl der versorgten und unversorgten Soldaten in der Armee.Auf der Basis solcher Erhebungen stellte man im Februar 1762 fest, dass insgesamt 8926 Invaliden eine staatliche Versorgung erhielten: 600 im Invalidenhaus, 343 auf der Insel Werder im Korps der »Braun­röcke« und 7983 als Empfänger des »Gnadenthalers«. Diesen versorgten Invaliden stand aber eine stetig wachsende Anzahl von bedürftigen Soldaten gegenüber, die altersbedingt oder aufgrund von Krankheiten bzw. Verwundungen nicht mehr dienstfähig waren. Vor allem das sprunghafte Ansteigen der Invaliden als Folge der 3 Schlesischen Kriege, bedeutete für Friedrich II. eine schier unlösbare Aufgabe, überstieg sie doch die finanziellen Möglichkeiten des preußischen Staates bei weitem, und war dieser doch nach 1763 ohnehin durch den wirtschaftlichen Wiederaufbau stark belastet. 1779 wurden 4624 unversorgte Invaliden gezählt, 1785 waren es 5893 und im August des Jahres 1786 musste man die Zahl der unversorgten Invaliden mit 6382 angeben35. So wuchs die Zahl der unver­sorgten Invaliden stetig an, was für viele Betroffene sicherlich eine persönliche Härte bedeutete.

Invaliden. Tafel 394 aus dem Armeewerk von Adolph v. Menzel.

Einzelbeispiele

Die Betrachtung überlieferter Invalidenlisten gestattet er­gänzend Aussagen darüber zu treffen, wie die Versorgungs­sitution in einer einzelnen Einheit zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt beschaffen war. So sind z.B. vier namentliche Listen in dem Regimentsbuch des Infanterie-Regimentes von Hacke (No. 8, Stettin) aus dem Jahre 1783 der Gruppe der Invaliden gewidmet. Nach diesen Dokumenten existierten 1783 bei diesem Regiment noch 23 unversorgte Invaliden aus den Jahren 1778 bis 1782, gewissermaßen in Warteposition. Die 23 namentlich genannten Invaliden sind bei einem durchschnitt­lichen Lebensalter von 54 Jahren vor allem aus gesundheit­lichen Gründen, d. h. krankheits- oder altersbedingt dienst­unfähig bzw. nur beschränkt dienstfähig. Die unversorgten Invaliden gliedern sich in 13 Aus-und 10 Inländer,wobei 17 von ihnen verheiratet sind und Kinder haben. Ohnehin schon eine finanzielle Belastung für das Regiment, verschärft sich die soziale Situation durch diese Familienangehörigen (Frauen und Kinder). 5 Invaliden bitten um den »Gnadenthaler«, 1 um Unterbringung in dem 1748 eröffneten Invalidenhaus in Berlin und 3 um Versetzung in eines der vier Landregimenter (in Frage kommt wohl das Stettiner-Landregiment). Interessant ist, dass nur 1 Invalide die Unterbringung in das Invalidenhaus wünscht; persönliche Freiheit wurde vermutlich der gesicherten Unterkunft und Pflege in dem geordneten Rahmen des Invalidenhauses vorgezogen (s.w.o.).

13 Invaliden sind noch geeignet für die Zuweisung einer Tätigkeit im Zivilbereich, etwa als Akziseaufseher oder als Torschreiber. 65 Jahre ist der älteste, 28 der jüngste unversorgte Invalide bei einer Dienstzeit von 43 bis 3 Jahren.

In der Zeit von 1782 bis 1783 konnten 8 Invaliden versorgt werden, 2 gelten hiervon als Selbsternährer. Den 8 unterge­brachten Invaliden stehen 14 Neuzugänge des Jahres 1783 gegenüber (durchschnittliches Lebensalter: 51 Jahre, durch­schnittliche Dienstzeit: 22 Jahre). Der älteste Invalide dieser Gruppe ist sogar 77 Jahre alt (Dienstzeit: 39 Jahre), ein wirklicher Veteran, er dürfte den 2. Schlesischen Krieg, den 7-jährigen Krieg und den »Kartoffelkrieg« (1778-79) miterlebt haben. Auch von den neu vorzustellenden Invaliden ist das Gros, nämlich 11 von 14, verheiratet. 5 haben Kinder zu versorgen. 5 wollen im Zivildienst weiterverwendet und 4 zu einem Landregiment versetzt werden. 2 eignen sich nach Meinung des Regiments für »kleine Dienste«(z.B. als Nacht­wächter) und 3 erheben Anspruch auf den »Gnadenthaler«. Von den Invaliden befinden sich 10 beim Regiment in Stettin.

Invalidenversorgung durch die Nachfolger Friedrichs des Großen

Die Nachfolger Friedrichs des Großen versuchten durch weitere Maßnahmen »die Not ausgedienter Krieger« zu mil­dern, insbesondere die Reformbemühungen unter Friedrich Wilhelm II. bedeuteten wirklichen Fortschritt. Art. 4 des kgl. pr. Werbemanifestes vom 01.02.1787 sicherte nun dem Ausländer zu, dass, falls er »innerhalb der Jahre seiner Capitu­lation in Unsern Kriegsdiensten invalide, und zu denselben untüchtig und unbrauchbar werden sollte«, nicht befürchten muss, verstoßen und ohne Brot gelassen zu werden. Vielmehr wurde versprochen, ihn »seinen Fähigkeiten gemäß, ander­weitig zu versorgen, und ihm bis an das Ende seines Lebens Unterhalt zu geben«. Damit wurde die Garantie einer lebens­länglichen Versorgung bei Invalidität ausgesprochen.

Reformbemühungen nach 1786

Eine unter dem Vorsitz von General v.Möllendorff eingesetzte Kommission befasste sich seit Ende des Jahres 1787 mit der »Regulirung des Invalidenversorgungs-Wesens«. Aufgrund ihrer Vorschläge wurden am 06.07.1788 fortan bei der Versorgung zu beachtende Grundsätze verabschiedet. Demnach hatte man bei der Versorgung der invaliden Soldaten zwischen Aus- und Inländern zu differenzieren und neben den Ursachen der Invalidität auch die Länge der Dienstzeit zu berücksichtigen. Einen Anspruch auf Unterstützung begründete sowohl bei Aus-, als auch bei Inländern Dienstun­tüchtigkeit, wenn sie von einer im Kriege erlittenen schweren Verwundung oder von einem unverschuldeten Unfall herrührte. Eine eben solche Anspruchsposition erwarb derjenige Soldat, der im Frieden im wirklichen Dienst bei einem unglücklichen Zufall zu Schaden kam und dadurch dienstunfähig wurde. Dies wurde aber als Ausnahmefall angesehen, denn grundsätzlich sollte eine Berechtigung auf staatliche Versorgung bei Invalidität aus einer ununterbro­chenen Dienstzeit von bestimmter Länge folgen. Der Ausländer konnte nach Ablauf der 2. Kapitulation und wirklicher Invalidität auf Versorgung als Belohnung hoffen, einen regelrechten Anspruch hatte er, unabhängig von seiner körperlichen Verfassung, aber erst nach der 3. ausgedienten Kapitulation. Voraussetzung hierfür war jedoch eine Dienstzeit in ununterbrochener Zeitfolge und kein Desertiom:­ vergehen. Der Inländer, welcher aufgrund einer allgemeinen Wehrpflicht (mit Exemtionen) diente, trat in diese Rechte nach 30jähriger Dienstzeit ein. Begehrte ein Inländer vor Ablauf einer solchen Zeitspanne den Abschied -die zwanzigjährige Dienstzeit war die Regel-, mußte er nachweisen, wie er, »ohne den öffentlichen Invaliden-Versorgungsanstalten zur Last zu fallen, und ohne etwas mehr, als das freye Bürger- und Meister­ recht zu erlangen, sich zu ernähren im Stande ist«.

Schaffung der Invaliden-Komapnien

Ab 1788 wurden Provinzial-Invalidenkompanien errichtet, und zwar 1Neumärkische, 1 Kurmärkische,1 Magdeburgische, 1 Vor-, 1 Hinterpommersche, 1 Ost-, 2 West- und 3 Südpreu­ßische, sowie 5 Schlesische36, 1 Fränkische (1797) und 1 Hannoversche (1802)37). Sie dienten zur Unterbringung von Invaliden, die noch beschränkt Dienst konnten (Besatzungs-, zumeist Wachdienst). Die Gemeinen dieser Formationen erhielten mtl. 2 Thaler. Voraussetzung für die Aufnahme war eine Dienstzeit von bestimmter Länge (Infanterie: 20, Kaval­lerie: 24 Jahre). Das Invalidenhaus in Berlin bestand fort. Es nahm nur Unteroffiziere und Gemeine aus der ganzen Armee auf, welche »Krüppel und an ihren Gliedmaßen verstümmelt« waren. Ferner entstanden weitere Invalidenversorgungs­ häuser, so in Rybnik, Straußberg, später in Brandenburg, Wittstock, Tangermünde, Prenzlau/Templin und in Tapiau (Ostpreußen). Da all diese Eimichtungen angesichts der großen Anzahl noch unversorgter Invaliden offensichtlich unzureichend waren, begann man im Jahre 1792 mit der Errichtung von Invalidenkompanien bei den einzelnen Infan­ terie-Regimentern. Diese hatten einen jeweiligen Etat von 2 Offizieren, 4 Unteroffizieren, 1 Tambour und 40-45 Gemeinen. Die weiter oben genannten großen bzw. Provin­ zial-Invalidenkompanien blieben bestehen, waren jetzt aber nur noch für die dienstuntüchtigen Soldaten der Kavallerie, Artillerie, Füsilierbataillone usw. bestimmt38l. Diese Invaliden-Einheiten gliederten sich in Korporalschaften, welche  den  einzelnen  Regimentern  bzw.  Bataillonen zugewiesen waren. Aufgenommen werden durften nur solche Invaliden, die sich neben einer ausreichend langen Dienstzeit nicht für die Unterbringung in eine Zivilbedienung eigneten und sich auch nicht »als Freiwächter gut haben ernähren können«. Für die Invaliden des Ersten Bataillons der Kg!. Leibgarde, des Regiments Garde und des Regiments der Gardes du Corps bestand das Korps der Ausrangierten in Potsdam und für die Invaliden des Grenadier-Garde Bataillons existierte nach wie vor die Werdersche Invalidenkompanie. Im Jahre 1803 wurde in Berlin eine besondere Kompanie aus Invaliden formiert, die die neuen Straßenlaternen zu bedienen hatten.

Ansprüche auf Versorgung

Ähnlich wie das Kg!. Pr. Werbemanifest (1787) für Ausländer, sprach auch das Kantonreglement des Jahres 1792 für Inländer die Garantie einer Versorgung bei Invalidität aus, indem es bestimmte, dass jeder Invalide »entweder durch Civil-Bedie­nungen, oder durch Unterbringung in einer Invaliden-Versor­gungsanstalt, Anstellung bei einer Invaliden-Kompagnie oder den Gnadenthalerversorgt werden soll«. Bei der Anstellung im Zivildienst gab es immer noch einer Abneigung der Verwaltung gegen Militäranwärter. Ein Zirculare vom 29. 03. 1792 normierte »Vorsichtigkeits-Maßregeln bey Versorgung der Invaliden« mit Posten in der Zivilverwaltung, da es wohl häufiger vorgekommen war, dass entsprechend untergebrachte Invaliden nach einer gewissen Zeit ihre neue Funktion aus Unzufriedenheit verlassen hatten und dann eine neue Stelle begehrten. Nunmehr sollten die Aspiranten vorab besser über ihre neuen Dienstgeschäfte informiert werden, ohne ein vom Invaliden unterschriebenes Protokoll dieser Belehrung durfte kein Vorschlag zur Versorgung mehr eingereicht werden.

Finanzielle Ausstattung der Invaldienkasse in der späten altpreußischen Zeit

Das Volumen der Invalidenkasse konnte im Laufe der Zeit beträchtlich vermehrt werden. Ihre Einnahmen betrugen 1799/ 1800 insgesamt 541925 Thaler, wobei sich diese Summe wie folgt zusammensetzte:aus anderen Kassen 400796, Zinsen von Kapitalien 33506, aus unbeständigen Gefällen (z.B. Geldstrafen, Deserteur- und Rezepturgelder) 32535, Kantoni­stengelder 9960 und sonstige Einnahmen (z.B. Lotteriegelder) 4723 Thaler. Diesen Einnahmen standen an Ausgaben insgesamt 507127 Thaler gegenüber, darunter 237629 Thaler für Pensionen und Wartegelder für 736 Offiziere und 100676 Thaler für Gnadengehälter der Unteroffiziere und Gemeinen (ausschließlich Schlesien).

König Friedrich Wilhelm II. (1744 - 1797). Lichtbild. in CDV-Format aus dem 19. Jhdt.

Bewertung

Die vorstehend geschilderten Reformen bedeuteten für die Invalidenversorgung eine erhebliche Besserung, dennoch reichten sie zur Lösung dieses Problems nicht aus. Es gab nach wie vor viele unversorgte dienstuntüchtige Soldaten, die sich teilweise noch bei den Regimentern befanden und dort sogar noch als Diensttuende geführt wurden. Ein Gouvernements­ befehl (Berlin) vom 14.10. 1803 wendet sich hiergegen: »Da bei dem Regiment von Kunheim bemerkt worden, daß die Capitaine sehr viele alte Leute, welche schon mehrere Jahre als Invaliden ausrangirt sind, dennoch in Reih und Glied und in Paraden stehen lassen, so befehlen Se. König!. Majestät, daß diese Leute nach den Invaliden-Conipagnien gebracht und statt deren von den Compagnie-Reserven junge Leute einge­ stellt werden sollen ...«. Ähnliche Vorkommnisse sind auch von anderen Einheiten bekannt. Während für v. d. Golz eine solche Praxis bedingt ist durch fehlende Versorgungsmöglich­ keiten und damit eine humanitäre Maßnahme darstellt, betrachtet Büsch das Hinauszögern der Ausrangierung von invaliden Soldaten als Unterschleif und erklärt diese Fälle mit der Gewinnsucht der entsprechenden Kompaniechefs39.

Zeitgenössische Urteile

Die zeitgenössischen Urteile über die Fürsorgemaßnahmen für invalide Soldaten nebst deren Angehörigen sind aufgrund des unbefriedigenden Ergebnisses in der Regel negativ, beziehen sich aber zumeist auf die Zeit vor 1786: »Die Versorgung alter Soldaten war in der Armee Friedrich des Zweiten die schwächste Seite, und die damaligen Einrich­ tungen in dieser Beziehung waren, vielleicht um die Kosten zu sparen, so mangelhaft, daß sie keiner Erwähnung verdienen. Ja oft grenzte die Entlassung der Invaliden an Grausamkeit, wenn sie sonst zu keiner Civil-Versorgung sich eigneten, und es ist nach dem großen Kriege nichts Seltenes gewesen, verstüm­ melte Krieger betteln gesehen zu haben ... «40.

Neben Lossow äußert sich auch Berenhorst zu diesem Thema: »Ein inländischer Soldat, der jung, dennoch aber zu fernerem Dienst unbrauchbar ist, erhält die Erlaubnis, sein Brot zu suchen, der Ausländer, im gleichen Falle, wird über die Grenze gebracht«41.

Der ehemalige preußische Generalleutnant und nachherige General der Infanterie indänischen Diensten Friedrich August von Finck fordert in seinen »Gedanken über militärische Gegenstände«: »Ein oder mehrere wohl eingerichtete Invali­ denhäuser nach Verhältniß der Stärke einer Armee die ein Souverän zu halten für gut findet, sind eine unentbehrliche Sache. In diese Invaliden-Häuser wird aber niemand aufge­ nommen, als wer gar nicht mehr im Stande ist sein Brod zu verdienen; und diejenigen Ausländer, die keinen Ort im Lande wissen wo sie sich hinbegeben können. Die übrigen Invaliden, welche Landeskinder sind, müssen mit einem monatlichen Gnadenthaler nach ihrer Heimath gelassen werden; so fallen sie dem Staate nicht zu sehr zur Last, und können selbigen durch ihre Arbeit dennoch Dienste leisten, wie denn diese Einrichtung sehr weißlich in den preußischen Staaten einge­ führt ist«. Gleichzeitig weist Finck daraufhin: »Was kann wohl einen Soldaten mehr zu seiner Schuldigkeit ermuntern, als wenn er gewiß weiß, daß er zeitlebens eine gute Versorgung hat, er mag Alters oder Verwundungen wegen ausser Stand zu dienen gesetzt werden? Es ist also eine Hauptsorge eines Landesherrn seinen unvermögenden Officieren und Gemeinen eine gute Versorgung zu verschaffen, damit solche alte und verdiente Leute, die so oft ihr Leib und Leben, Gut und Blut fürs Vaterland gewagt haben, nicht nöthig haben ihr Brod zu betteln. Es ist unglaublich was beides für Eindruck auf die Menschen macht.«42.

Zu den Kritikern der Invalidenversorgung in der altpreu­ßischen Armee gehörte auch Freiherr vom und zum Stein. Stein setzte sich als Kammer-Direktor des Mindenschen Kammer-Departement für eine bessere Versorgung der Invaliden ein. Allein im vorgenannten Departement betrug gegen Ende des 18. Jhdts. die Zahl der unversorgten Invaliden 1855. Hiervon bedurften 646 dringend einer Unterstützung. Stein kritisierte, daß auf der einen Seite die Dienstpflicht in erster Linie auf den Schultern der unteren gesellschaftlichen Schichten ruhe, auf der anderen Seite die ausgedienten Soldaten häufig Mangel und Hunger leiden müßten. Die durch Kantonfreiheit privilegierten Bevölkerungsgruppen müßten deshalb wenigstens zur Versorgung der Invaliden beitragen. Als Mindestversorgung betrachtete die Mindensche Kammer eine monatliche Geldzuwendung in Höhe von 1½ Thalern. Die Vorschläge des späteren Reformers fanden aber nicht nicht die volle Billigung der Zentralbehörden, so daß dieser in einem Promemoria vom 16.II.1803 resignierend Bilanz zog: »Garni­ son-Stand, Canton-, Invaliden-Wesen, militärische Gebäude sind in ihrer bisherigen und größtenteils unvolkommenen Verfassung geblieben«43.

Resümee

Rückblickend lässt sich trotz dieser nachdenklich stimmenden Äußerungen von Zeitgenossen festhalten, dass das Bewusstsein vorhanden war, invalide Soldaten unterstützen zu müssen. Ein entsprechender Versorgungsstaat war zwar nur in Ansätzen ausgebildet, aber es gab bereits einen rechtlich fixierten Anspruch des Soldaten auf Fürsorge durch den Staat bei Dienstuntüchtigkeit. Die materiellen Grenzen des altpreu­ßischen Staates ließen es nicht zu, das Problem der Invaliden­versorgung befriedigend zu lösen.Wenn, wurde nicht mehr als Existenzsicherung geboten, Selbsthilfe in der Regel erwartet. Zusätzlich erschwerten Gruppenegoismen eine hinreichende Lösung dieser sozialen Frage, z. B. bei der Unterbringung von Militäranwärtern in der Verwaltung. Nicht zu leugnen ist, dass die Versorgung auf einem geringen Niveau verblieb und auch die Not einer größeren Anzahl unversorgter invalider Soldaten nicht bereinigt wurde. Dennoch bedeuteten die Maßnahmen insbesondere nach 1786 eine positive Entwicklung. Dem Soldaten hatte man zumindest einen Teil der Angst vor einer ungewissen wirtschaftlichen Zukunft im Falle der Invalidität genommen.

Literatur (Auswahl)

Neben den in den Anmerkungen genannten Werken wurden vor allem noch die nachfolgenden Titel herangezogen: Anmerkungen eines Patriotischgesinnten über die Versorgung der in Kriegesdiensten grau und zu fernem Miltairdiensten unbrauchbar gewordenen Menschen, Berlin 1787.

Hans Bleckwenn, Das Königlich Preussische Invalidenhaus Berlin, in: Les Invalides. Trois Siecles aHistoire, Paris 1974, S. 383 f.

Cavan, Krieges- oder Militär-Recht, wie solches jetzt bei der Königlich-Preußischen Armee besteht, 1801, Nachdruck Bad Honnef 1982.

Hansen, Ernst Willi, Berichte und Kritik zur Problematik einer Sozialgeschichte des deutschen Militärs im 17. und 18. Jahrhundert, in: Zeitschrift für Historische Forschung, Bd. 6., Heft 4, 1979, S. 425 ff.

Ollech, v., Geschichte des Berliner Invlidenhauses von 1748 bis 1884, Beiheft zum Militär-Wochenblatt, 1885.

Sonst und Jetzt im Königlichen Invalidenhaus Berlin 1748- 1913, Berlin 1913.

Fußnoten:

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