Die preußische Armee unter Friedrich Wilhelm I. (1713 - 40) - 6. Kapitel - Die technischen Truppen
Die Artillerie war neben der Infanterie und Kavallerie die jüngste der drei Waffengattungen, ihre Anfänge gehen in Preußen jedoch bereits auf das 14. Jahrhundert zurück. Die Bedienung der Büchsen und Geschütze erfolgte zunächst von Meistern, die allmählich eine eigene Zunftgenossenschaft bildeten. Erst unter dem Großen Kürfürsten (1640-88) wurde die Artillerie Offizieren unterstellt und damit zu einer regulären militärischen Formation. Am 1.01.1672 erließ der Große Kurfürst einen „Articuls-Brieff vor die Artillerie-Bediente in denen Chur-Fürstlichen Brandenburgischen Vestungen“ [1], der neben der Eidesformel für den Büchsenmeister detaillierte Anforderungen und Verhaltensregeln für das Artilleriepersonal enthielt. 1683 wurden 1 Bombardier- und 4 Kanonier-Kompanien errichtet, damit entstand die Artillerie eigentlich erst als eine selbständige Waffengattung. Auch König Friedrich I. förderte die Artillerie und ernannte am 20.12.1697 den Markgrafen Philipp von Brandenburg-Schwedt (1669-1711) zum Generalfeldzeugmeister und Chef der Artillerie. Dieser bemühte sich um deren Organisation und Ausbildung. Unter seiner Ägide erhielt die Artillerie ein Dienstreglement. Dieses wurde vom König am 15.03.1704 bestätigt und regelte in 12 Artikeln die inneren Verhältnisse der Waffe [2].
[1] Mylius, Corpus Constitutionum Marchicarum, III. Teil, I. Abtlg, V. Von Kriegessachen, Nr. XXXIII
[2] Jähns, Max, Das Kriegswesen unter König Friedrich I., in: Hohenzollern-Jahrbuch 1900, S. 156 ff.
Im Jahre 1700 war die preußische Artillerie 9 Kompanien stark, im Februar 1713 zählte die Artillerie insgesamt 527 Köpfe. .Das Kommando führte Johann Gabriel Michael v. Kühle(n), seit dem 2.12.1713 Generalmajor und Chef der Artillerie. Kühle(n) wurde 1655 geboren, sein Vater war Jürgen Kühle(n), ein Spielmann aus Lübben. 1682 als Bombardier bei der kurbrandenburgischen Artillerie, wurde v. Kühle(n) 1683 Zeugschreiber, 1686 Zeuglieutenant, 1690 Lieutenant der Artillerie, 1694 Kapitän, 1704 Oberstleutenant und 1709 Oberst. Am 9.12.1715 vor Stralsund gefallen, hatte er sich in den Jahren 1714-15 stark für die Vermehrung und Verbesserung der Artillerie eingesetzt [1].
[1] Schöning, Nachrichten zur Geschichte der Brdbg. Pr. Artillerie, Bd. I., S. 251.
Ende 1713 erhielt die Artillerie eine neue Organisation. Die Bombardiere (ursprüngliche Bezeichnung für die Bedienung der Bombarden, später für die der Wurfgeschütze, Dienstgrad zwischen Gemeinen und Korporals) wurden auf die Artillerie-Kompanien verteilt. Die Artillerie gliederte sich nun in ein Feldartillerie-Bataillon und in Artillerie-Garnision-Compagnien, was im Grunde die spätere Aufteilung in Feld- und Fußartillerie vorwegnahm. Das Feldartillerie-Bataillon sollte 5 Kompanien zählen, deren Etat je 6 Feuerwerker, 4 Korporale, 11 Bombardiere, 70 Kanoniere und 2 Tamboure umfaßte [1]. Das Feldartillerie-Bataillon stand nun in Berlin. Die Artillerie-Garnison-Kompanien standen in Wesel, Magdeburg, Stettin und Pillau und zählten je 4 Feuerwerker, 13 Korporals, 4 Bombardiere und 250 Kanoniere. Das Feldartillerie-Bataillon wurde allmählich verstärkt, ab 1731 zählte es 6 Kompanien. Diesbezüglich befahl Friedrich Wilhelm I. dem nunmehrigen Chef der Artillerie v. Linger mit Ordre vom 17.01.1731: „Mein lieber General-Major von Linger. Weil Ich nunmehr das Feldbataillion Artillerie auf 6 Compagnien gesetzet und jede Compagnie bis zu 100 Mann verstärkt habe; also ist Mein Wille: daß per Compagnie zehn Zimmerleute dabei sein sollen, die ihr Handwerk verstehen; jede Compagnie soll auch 5 Ueberkomplette haben. Es sollen auch bei jeder Compagnie, wenn das Bataillon unterem Gewehr stehet, die Bombardiere drei Mann hoch, die Kanoniere aber vier Mann hoch stehen und lasse Ich für dsie Bombardiere Grenadier-Mützen machen: jede Compagnie soll auch noch drei Zimmerleute haben, welche 18 Zimmerleute vor das Bataillon hermarschiren, die Mützen und Äxte für dieselben werde Ich machen lassen, die Schurzfelle aber sollet Ihr bestellen ...“ [2]. Am 22.01.1731 ergänzte der König: „ Es ist Mein Wille, daß die Feuerwehr Corporals und Bombardiers von dem Artillerie Bataillon soviel als möglich große Schnurr Bärthe wachsen lassen, worauf Ihr gehörig zu sehen habt“ [3].
[1] Schöning, Nachrichten zur Geschichte der Brdbg. Pr. Artillerie, Bd. I., S. 251.
[2] Priesdorff, Soldatisches Führertum, Bd. I., S. 158 und Schöning, Nachrichten ..., Bd. I., S. 252
[3] Priesdorff, Soldatisches Führertum, Bd. I., S. 158
Mit Christian Nikolaus v. Linger (1669-1755, geadelt seit 1705) verbindet sich bis zum Vorabend des Siebenjährigen Krieges (1756 - 63) die Geschichte der preußischen Artillerie. Am 5.04.1669 als Sohn des kurbrandenburgsichen Zeugmeisters Salomon Linger in Berlin geboren, erfreute er sich der Gunst sowohl Friedrich Wilhelms I, als auch Friedrich des Großen. Er war der erste Fall, daß ein aus dem Artilleriekorps hervorgegangener Offizier bis zu deren Chef und General avancierte. Im Jahre 1688 sehen wir v. Linger als Bombardier bei der kurbrandenburgischen Artillerie, 1696 wurde er Lieutenant, 1701 Kapitän und Kompaniechef, 1705 Major, 1709 Oberstlieutenant, 1713 kurzfristig aus dem preußischen Dienst ausgeschieden und 1714 wieder angestellt, 1716 Oberst und Chef der Artillerie, 1728 Generalmajor, 1739 Generallieutenant und schließlich unter dem Nachfolger des Soldatenkönigs 1743 General von der Artillerie, am 18.04.1744 erhielt er den Schwarzen Adler-Orden [1]. Linger hat sich um die Entwicklung der preußischen Artillerie verdient gemacht, so organisierte und leitete er die Gewehrfabriken in Potsdam und Spandau, verbesserte die Ausstattung des Zeughauses in Berlin, vereinfachte und vereinheitlichte die Kaliber der Geschütze und wurde vom Soldatenkönig oft zu anderen Aufträgen verwendet. So hatte er z.B. 1730 die neuen Laternen in der Friedrichstadt aufzustellen und sollte 1731 dem König eine Zeichnung für eine Kanzel für die Potsdamer Garnisonkirche einreichen. Unter Friedrich dem Großen kümmerte er sich um die Ausstattung der Festungen Glogau und Brieg, leitete die weitere Vermehrung des Feldartillerie-Bataillons (seit 1741 ein Regiment mit 2 Bataillonen) und den Ausbau und die Vermehrung der schlesischen Feldartillerie (1742).
[1] Priesdorff, Soldatisches Führertum, Bd. I., S. 157 ff.
Die Artillerie ergänzte sich wie die übrigen Waffengattungen zunächst durch Werbung, ab 1733 trat dann die Ergänzung aufgrund des Kantonsystems hinzu. Ein besonderes Kennzeichen der Zeit unter Friedrich Wilhelm I. war, dass die Artillerie nur aus Landeskindern bestehen sollte. In den frühen Jahren kam es immer wieder zu Konflikten mit der Bürgerschaft in Berlin. Bereits am 9.05.1714 hatte der König alle Anwerbung unter Zwang verboten und bestimmt, dass der die Ergänzung nur durch freiwillige Werbung bei öffentlichem Trommelschlag und gegen Bezahlung des Handgeldes geschehen sollte. Die „Aushebung der unnützen und ungehorsamen Leute zum Besten der Rekrutierung“ galt allerdings nicht als gewaltsame Werbung. So kamen es immer wieder zu Übergriffen und entsprechenden Beschwerden. Das Verbot der (gewaltsamen) Werbung wurde am 26.02.1721 wiederholt. „Alle aus fremden, in die königlichen Lande gekommenden Wollarbeiter, deren Kinder, auch Hausgenossen“ und „alle in- und ausländischen Zimmerleute, Meister und Gesellen, die sich zum Bau nach Preußen begeben wollten“ wurden aus volkswirtschaftlichen Motiven durch königliche Befehle vom 15.10.1717 bzw. 26.10.1721 vor Werbung geschützt. Am 17.04.1724 erging der Befehl, daß die „gewaltsame Aufhebung und Enrollierung der angesessenen Leute oder Bauern, Wollarbeiter und anderen Manufactuiers, so wie der unerwachsenen Lehrjungens abzustellen“ ist. Am 6.01.1731 beschwerte sich v. Linger anlässlich einer Truppenvermehrung beim König: „Es haben zwar Ew. Königl. Majestät allergnädigst befohlen, daß alle Gewerke hier, wegen des Feld-Bataillons Anwerbung Beihilfe thun sollten; welches auch etwas helfen würde. Allein sie sind so widerspenstig, daß man in Güte nichts erhalten kann; und wenn man mit Force ein Paar wegholet, zerstreuen sich die andern und gehen eine Zeitlang auf dem Lande. Dannenhero Ew. Königl. Majestät allergehorsamst ersuche, ob es Deroselben nicht allergnädigst gefällig sein möchte, dem Herrn Gen.-Maj. Glasenapp Ordre zu ertheilen, daß kein Handwerksbursche aus der Landwehr gelassen werden, welcher nicht einen rechtmäßigen Paß vorzeigen kann. Sodenn kann ich aus unmöglich complett werden, wenn nicht Ew. Königl. Majestät allergnädigst befehlen, daß in der Zeit, da ich werben muß, weder Cavallerie noch Infanterie werben solle, denn ich auf solche Art unmöglich zurecht kommen kann. Übrigens haben Ew. Königl. Majestät mir allergnädigst consentiret, daß der Oberst-Lieutenant Nehring mir 10 Mann anhero schicken solle, und daß Stettin, Colberg und Magdeburg, den Kapitain v. Borck gleichfalls helfen sollen. Von diesen beiden letzteren Compagnien können 20 Mann insgesamt gegeben werden, allein die preußische Compagnie ist nicht im Stande, maßen ich selbst vom Bataillon 5 Mann zusammengebettelt, um dorten die Compagnie zu helfen, weil dorten alles enrolliret ist. Gestern habe ich einen Kaufburschen von 5 Fuß 6 Zoll draussen in der Vorstadt weggenommen. Dieser ist den Lüsten und Spielen so weit ergeben, daß er, da er nur 20 Jahr alt ist, täglich Schlitten miethet, nach Charlottenburg, und in Saufen und Spielen lebet. Und weil ergut rechnet und schreibt, einen guten Bombardier hiernächst abgiebet; gleich ich den jetzigen Capitain Heinrich dazumalen eben so engagirt habe“. Der König bewilligte das Gesuch [1]. Das Werbungs-Reglement vom 14.09.1732 regulierte auch für die Artillerie die Ergänzung, so sollte diese nicht außerhalb des Landes werben, „sondern die Kapitains sollen suchen, lauter Landeskinder anzunehmen, denn obwohl unter den Landeskindern auch fast so viele Schelme anzutreffen sind, als unter den Ausländern, so ist es doch überall so Manier, daß bei der Artillerie lauter Landeskinder genommen werden sollen“. Letztlich betrachtete man offensichtlich den Dienst bei der Artillerie als besondere Vertrauenssache. Der Ersatz sollte im Übrigen nicht kleiner als 4 Zoll sein. Das 1. Glied sollte nur „siebenzöllige Leute“ aufweisen, also auch bei der Artillerie spielte die Körpergrößte eine Rolle. Als Maximalgröße wurde 10 Zoll vorgeschrieben, alle größeren Rekruten waren insbesondere der Infanterie vorbehalten. Aufgrund der vielen Übergriffen und der herrschenden Unsicherheit unter Bevölkerung führte der König im Jahre 1733 das Kantonsystem ein, die Artillerie erhielt als Ergänzungsbezirk eine Reihe von Städten in der Kurmark zugewiesen: Pritzerbe, Ziesar, Mittenwalde, Trebbin, Charlottenburg, Fehrbellin, Als-Landsberg, Müncheberg, Riesenthal, Wrietzen, Freienwalde, Oderberg, Werben, sowie in der Neumark: Berlinichen, Arenswalde, Bernstein, Neuwedel, Sommerfeld, Drossen und Zielenzig. Aus diesem Bezirk sollte sich die Artillerie zukünftig ergänzen, allerdings durfte sie nur Rekruten zwischen 4 - 5 Zoll enrollieren. Berlin wurde kein Kanton, sollte aber zunächst als „Aushilfe“ betrachtet werden (Ordre vom 24.05.1733 an Generallieutenant v. Glasenapp). Bei der Rekrutierung im Rahmen des Kantonsystems waren Befreiungen bestimmter gesellschaftlicher und Berufsgruppen zu beachten, so wurde am 01.10.1737 bestimmt, daß die Söhne der Priester von der Enrollierung frei sein sollten, am 4.10.1737 folgte die Befreiung der Theologiestudenten, allerdings nur dann, wenn kleiner 5 Fuß, 9 Zoll waren. Die ordnenden Maßnahmen führten dazu, daß sich in Berlin das Verhältnis der Einwohner zur Artillerie entspannte. In der Folge, so wird von einem Zeitgenossen berichtet, galt der Dienst bei der Artillerie in bürgerlichen Kreisen als vornehm und war daher gesucht, ähnlich wie bei dem Regiment Gensdarmes [2].
[1] Malinowsky-Bonin, Geschichte der brandenburgisch preußischen Artillerie, Bd. 1, S. 87 ff.).
[2] König, Kurzgefaßte Regierung und Staatsgeschichte Friedrich Wilhelm des I. Königs von Preußen, Bd. I., S. 39
Die Ausbildung der Artillerie wurde nun konsequent betrieben, so fanden jährliche Schießübungen statt. Diese dauerten im Jahre 1737 insgesamt 14 Tage. In den Jahren 1732, 1737 und 1738 wurden Artillerie-Offiziere ins Ausland zu fremden Heeren geschickt. Der Ausbau der Artillerie in dieser Periode wird zum einen deutlich an dem Anwachsen der Personalstärke: 505 (1715), 1208 (1731) und 1208 (1739). Zum anderen nahm aber auch die Zahl der Geschütze ständig zu: 1532 (1702), 1997 (1712) und 2510 (1722) Stücke. Letzterer Bestand setzte sich aus 732 bronzenen, 1425 eisernen Kanonen, 171 bronzenen, 128 eisernen Mösern, 27 bronzenen und 27 eisernen Haubitzen zusammen [1]. Der Vorrat an Pulver erreichte 1721 29440 Zentner, 1702 waren es noch 7167 Zentner gewesen.
[1] Paul v. Schmidt, Der Werdegang des preußischen Heeres, a. a. O., S. 120.
Über den inneren Zustand der deutschen Artillerie zum Ende der Regierungszeit Friedrich Wilhelms I. urteilt Jähns wie folgt: „Der Zustand ... erinnerte noch stark an ihre Zunftzeit. Die meisten ihrer Führer hatten von unten auf gedient, waren nicht selten aus dem Handwerkerstande hervorgegangen, d.h. ursprünglich Büchsenmacher, Schmiede Stellmacher gewesen, um es endlich ziemlich bejahrt zum Offizier zu bringen. Ihre theoretischen Kenntnisse waren gewöhnlich ganz gering“ [1]. Dies galt auch für die preußische Artillerie. Ihren handwerksmäßigen Charakter verlor die Artillerie auch unter Friedrich Wilhelm I. nicht. Dieser hat viel für den Auf- und Ausbau dieser Waffe getan und im Jahre 1740 galt die preußische neben der sächsischen Artillerie als besonders gut, in den schlesischen Kriegen sollte jedoch die österreichische (unter Liechtenstein) und im weiteren Verlauf des 18. Jahrhunderts die französische (unter Gribeauval) eine Vorreiterrolle übernehmen. Auch die russische Artillerie galt traditionell als gut. Der Nachfolger des Soldatenkönigs hatte zu dieser Spezialwaffe eher ein ambivalentes Verhältnis, der wachsenden Bedeutung der Artillerie konnte aber auch er sich nicht verschließen [2]. So wuchs deren Stärke bis zum Jahre 1786 auf insgesamt 4 Feldartillerie-Regimenter (1762/3 bzw. 1772 gegründet). Daneben bestanden eine Reihe von Garnison- und Festungsartillerie-Kompanien (1806 bestanden 15 Kompanien). Insgesamt zählte 1786 das Feldartilleriekorps 9746 und die Garnison-Artillerie 1761 Mann, dazu kamen noch die Mineurs und die Pontonniers [3]. Damit war im Verhältnis zum Ende der Regentschaft Friedrich Wilhelms I. allein das Personal um das 9,5fache angewachsen.
[1] Jähns, Geschichte der Kriegswissenschaften, Bd. 3, S. 2659.
[2] vgl. hierzu: Duffy, Friedrich der Große und seine Armee, S. 162 ff. und Guddat, Kanoniere, Bombardiere, Pontonniere. Die Artillerie Friedrichs des Großen
[3] Jany, Geschichte der Preußischen Armee, Bd. 3., S. 134.
Ein eigentliches Ingenieur-Korps gab es vor 1713 noch nicht, lediglich bei Bedarf wurde entsprechendes Fachpersonal angestellt. Dieses kam in der Regel aus dem Ausland, zumeist aus Italien, Holland und Frankreich und hatte neben militärischen Aufgaben, wie Festungsbau, auch zivile Aufträge zu erfüllen, wie Vermessungen, Meliorationen usw. Im Frieden waren die Ingenieure auf die einzelnen Festungen verteilt und den dortigen Gouverneuren unterstellt. An der Spitze von Belagerungskorps stand aber schon im 17. Jahrhundert zumeist ein Generalquartiermeister, der einen rein militärischen Rang darstellte und an der Spitze der der Armee bzw. dem Korps zugewiesenen Ingenieure stand. Zu Anfang des 18. Jahrhunderts kamen schon vereinzelt militärische Rangbezeichnungen für jüngere Ingenieure wie Fähnrich oder Lieutenant vor. Erst unter Friedrich Wilhelm I. sollte aber ein Ingenieurkorps mit einer festen militärischen Organisation geschaffen werden. Da es den Ingenieuren an einer solchen festen Organisation zunächst mangelte, gelang es erst Ende 1728 eine vollständige Rangliste zusammenzustellen. Diese umfasste 1 Oberstlieutenant, 5 Majors, 12 Kapitains, 10 Lieutenants und 11 Kondukteurs, also 39 Offiziere [1]. Im Juni 1739 zählte das Ingenieurkorps 41 Personen [2].
[1] Bonin, Geschichte des Ingenieurskorps und der Pioniere in Preußen, Bd. I., S. 33
[2] Jany, Geschichte der Preußischen Armee, Bd. 1, S. 659.
Am Anfang dieser Entwicklung stand die Ordre vom 21.03.1729, damit bestimmte der König gegenüber allen Gouverneuren: „Nachdem ich resolviret das Corps der Ingenieurs auf einen regulairen Fuß zu setzen, und dasselbe dem Commando und der besonderen Aufsicht des Oberstlieutenant von Walrawens zu übergeben, so werden E. die in Dero Gouvernement befindlichen Ingenieurs an den v. Walrawe als ihren Chef weisen, dergestallt, daß sie denselben dafür erkennen, und der älteste ihm alle 14 Tage von dem Zustand derselben und absonderlich von dem Festungsbau fleißigen Rapport abstatten soll“ [1]. Im Ingenieur-Korps nahm Gerhard Kornelius v. Walrave (1692 - 17773, 1724 geadelt) eine wesentliche Stellung ein. Walrave gelangte 1715 durch Vermittlung des „Alten Dessauers“ aus niederländischen in preußischen Dienst. Er baute die Festungswerke von Wesel, Magdeburg, Stettin, Küstrin, Kolberg sowie Philippsburg und Kehl aus und rechnet zu den bedeutendsten Festungsbaumeistern des 18. Jahrhundert. 1692 in Warendorf (a. d. Ems) als Sohn eines Ingenieurs geboren, trat Walrave - wie sein Vater - zunächst in Dienst der niederländischen Generalstaaten (1708). In der preussischen Armee wurde er 1719 zum Major, 1722 Oberstlieutenant, 1729 Oberst und Chef des Ingenieur-Korps befördert, unter dem Nachfolger des Soldatenkönigs wurde er schließlich im Jahre 1741 General-Major und im nachfolgenden Jahr Chef des Pionier-Regiments (No. 49). Trotz verschiedener Missstimmungen erfreute sich Walrave der Gnade Friedrich Wilhelms I. und zunächst auch des Wohlwollens Friedrichs des Großen, doch die Karriere Walraves endete im Jahre 1748 durch Verhaftung wegen Betrug und Unterschlagung. Walrave wurde auf der Sternschanze in Magdeburg festgesetzt und verbrachte dorch die letzten 25 Jahre seines Lebens. Ein förmlicher Prozeß scheint ihm nicht gemacht worden zu sein [2].
[1] Bonin, a.a.O., S. 33/ 34
[2] Priesdorff, Soldatisches Führertum, Bd. 1, S. 230 ff. und Preuß, Friedrich der Große und der General-Major von Walrave, in: Zeitschrift für Kunst, Wissenschaft und Geschichte des Krieges, Bd. 105, 1859, S. 40 ff.