Das altpreußische Unteroffizierkorps - Innenansichten einer Chargengruppe

Volkstümliches Gruppenbild von Soldaten der altpreußischen Armee unter Friedrich dem Großen. Nach einer originalen auf Pappe aufgezogenen Lithographie aus dem 19. Jhdt.

Positionierung der Unteroffiziere in der Hierarchie der Armee

Zwischen den Gemeinen und den Offizieren standen in der vertikalen Gliederung als Zwischenglied die Unteroffiziere. Betrachtet man die altpreußische Armee als soziales Gebil­de, so ist mit Beginn des 18. Jahrhunderts eine Trennung zwischen (Ober-) Offizier- und Unteroffizierkorps festzu­stellen, was auch darin seinen sinnfälligen Ausdruck fand, dass die Kriegsartikel vom 12.07.1713 nur noch für die Un­teroffiziere und die Gemeinen, also nicht mehr für die Offi­ziere galten. Mit der Reservierung der Offizierstellen für den einheimischen Adel als Mittel zur Verstaatlichung des­selben, ging im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts der so­ziale Abstieg der Unteroffiziere einher, die nunmehr mit den Gemeinen die Mannschaften ausmachten. Dennoch kam ihnen in diesem präzisen System der Über- und Unter­ordnung als untersten Ranginhabern und Funktionsträgern eine gewichtige Bedeutung zu, die Rahmen- und Existenz­bedingungen dieser Chargengruppe verdienen deshalb Ge­genstand der Betrachtung zu sein.

Anzahl der Unteroffiziere in den Kompanien bzw. Regimentern

Seit dem 01.10.1735 zählten die zehn Musketier-Kompanien eines Infanterie-Regimentes zusammen 40 Sergeanten, 30 Mittelunteroffiziere und 30 Korporale, die zwei Grenadier­-Kompanien 2 Sergeanten, 4 Mittelunteroffiziere und 12 Korporale. Demnach gehörten zum Etat eines Regiments 118 Unteroffiziere. Je Musketier-Kompanie waren es also 10, und zwar 4 Sergeanten (einschließlich des Feldwebels, da es ein etatsmäßiges Feldwebeltraktament nicht gab), 3 Mittelunteroffiziere (Fourier, Kapitän d'armes, Gefreiten­ korporal) und 3 Korporale. Die Grenadier-Kompanie zählte nur 9 Unteroffiziere, da sie keine Fahne führte und aus die­sem Grund auch keinen Gefreitenkorporal hatte. Die 5 Es­kadronen umfassenden Kürassier- und Dragoner-Regimen­ter zählten 60, zu den Dragoner-Regimentern mit 10 Eska­dronen gehörten folglich 120 Unteroffiziere. Zum Etat der Husaren-Regimenter (10 Eskadronen) rechneten hingegen 80 Unteroffiziere. Die Rangierung und die Verteilung der Unteroffiziere auf die einzelnen Glieder der Kompanie er­folgte nach der Körpergröße. Im Jahre 1787 wurde die Or­ganisation der Infanterie reformiert, zu einem Infanterie­ Regiment gehörten nun insgesamt 144 Unteroffiziere: 48 Sergeanten (einschließlich von 12 Feldwebeln), 36 Mittel­Unteroffiziere und 60 Korporale. Die Musketier- und Gre­nadier-Kompanien verfügten jetzt über die gleiche Anzahl von Unteroffizieren, nämlich je 12. Ab 1799 gehörten zu ei­nem Infanterie-Regiment 148 Unteroffiziere (ohne das III. Musketier-Bataillon), der Bestand an Unteroffizieren war bei den Musketier- mit 10 und bei den Grenadier-Kompani­en mit 14 fortan wieder unterschiedlich. Die neugebildeten Füsilier-Bataillone hatten je 48 Unteroffiziere. Die Küras­sier-Regimenter zählten ab 1787 80, die Dragoner-Regi­menter 75 und die Husaren-Regimenter 150 Unteroffiziere.

Ergänzung der Unteroffiziere

Das Unteroffizierkorps ergänzte sich aus den Gemeinen, den entsprechenden Ersatz stellte zumeist die Gruppe der Inländer, jedoch stiegen auch Ausländer auf (vgl. Anhang, 1. Tabelle). Häufig waren dies Soldatensöhne, so betrug z.B. im Jahre 1805 deren Anteil am Unteroffizierkorps bei No. 3 (Halle) 9 % und bei No. 16 (Braunsberg) 11 %. Über die soziale Herkunft der inländischen Unteroffiziere ist we­nig bekannt. Nach Knapp 1) wurden die Söhne freier köll­mischer Bauern mit Vorliebe zu Unteroffizieren gemacht. Köllmer waren freie Bauern in Ostpreußen (und Littauen) so dass diese Aussage nur für jene Truppenteile zutreffen kann, welche in dieser Region auch ihre Wehrersatzbezirke hatten. Bei der Artillerie waren unter den Bombardieren und Unteroffizieren viele Söhne gebildeter Bürgerfamilien, deren Ziel die Beförderung zum Offizier war. Die Verhältnisse bei den technischen Truppen waren aber nicht typisch für die altpreußische Armee, es ist jedoch belegt, daß auch in anderen Regimentern „Schulzen- oder auch gute Bürger­ Söhne" als Unteroffiziere dienten.

Voraussetzungen für den Einstieg in die Laufbahn eines Unteroffiziers

Voraussetzung für den Wechsel in die Unteroffizierlauf­bahn war eine mindestens vierjährige Dienstzeit im Regi­ment. Beim Freiwerden der Planstelle eines Unteroffiziers schlug der Kompanieinhaber (Kapitän/Rittmeister) drei tüchti­ge Soldaten vor, die Ernennung erfolgte durch den Oberst. Fehlte einer Kompanie geeigneter Ersatz, konnte dieser ei­nen Soldaten einer anderen Kompanie zum Unteroffizier befördern.

Die Aspiranten sollten „brave" (-tapfere) Soldaten sein, möglichst mit Kriegserfahrung. Schreibfertigkeiten sollten allein für eine Rangerhöhung nicht den Ausschlag geben, man wollte keine „Federfechters" bzw. ,,Schreiber-Jun­gens"! Gefordert wurden also gute militärische Anlagen und Fähigkeiten. Ein Zeitgenosse kritisiert jedoch, dass die Unteroffiziere mehr „nach der Zahl der Dienstjahre, als nach ihren Verdiensten ausgewählt" wurden2.

Auswahlkriterien und zeitgenössische Stimmen

Bevorzugt wurden allerdings altgediente Soldaten, die sich im Krieg bewährt hatten, diese wurden laut Lossow jünge­ren Anwärtern vorgezogen3. Friedrich der Große sprach diesen Grundsatz in seinem Politischen Testament von 1752 offen aus, indem er die Beförderung von Studenten oder anderen jungen Männern (es sei denn, sie waren adlig) - zu Unteroffizieren rundweg ablehnte. Der König verwies auf den Umstand, dass sich ein kriegstüchtiger und „braver" Soldat beim einfachen Soldaten Respekt verschaffen konn­ te, während es dem „Schreiber" zum einen am Kommando­ton, also an Autorität, mangelte, zum anderen dieser seines Erachtens nicht in der Lage war, die Strapazen eines Feld­zuges auszuhalten4.

Hiller bringt hierzu ein Beispiel:

„Dieser Feldwebel Lammers wurde von Sr. Majestät dem König Friedrich II. bei der Revue bei Brackwede höchst­selbst zum Feldwebel ernannt. Bei der damaligen Spezial­ Revue wurden alle Rekruten und Anvancierte vorgestellt. Der Kapitän der Kompagnie führte einen jüngeren Unterof­fizier von guter Konduite (Führung) und mit der Eigen­schaft einer schönen Handschrift zur Beförderung als Feld­ webel vor; der König sah sich die übrigen Unteroffiziere durch, und wählte den ältesten der Sergeanten mit grauem Bart und weißem Haar, mit den Worten: ,,Der soll Feldwe­bel sein"; dies war Lammers, welcher dreist erwiderte: ,,Ich kann ja nicht schreiben, Euer Königl. Majestät", worauf der König sagte: ,,Der Junge Kerl soll ihm schreiben helfen!"5. Von den 10 Unteroffizieren einer Infanterie-Kompanie soll­te „allezeit ein Edelmann Gefreiter-Corpora] sein (und die Fahne tragen)".

Die Artillerie erhielt erst 1787 Gefreiten­korporale. Ab 1763 erhielten 5 der Gefreitenkorporale be­reits Patente als Fähnriche und durften das Portepee anle­gen (Portepeefähnriche/Säbelfähnriche), sie waren aber da­mit noch keine wirklichen Offiziere, sondern gehörten nach wie vor zum Unteroffizierkorps6.

Hierzu Berenhorst:

,,Der Erziehung nachzuhelfen, verordnete Friedrich Amphi­ bien zwischen Ober- und Unterofficieren Fahnenjunker mit Fähnrichspatent und silbernem Degenquast. Er wollte sie der Gesellschaft der Officiere mehr fähig machen ..."7.

Der Stamm der Gefreitenkorporale sollte durch einen schnellen Beförderungsgang nicht angegriffen werden. Die Fahnenjunker (Gefreitenkorporale, Standartenjunker) durchliefen als Offizieranwärter nur das Unteroffizierkorps, können an dieser Stelle also vernachlässigt werden.

Statusfragen und Bestrafungsmodalitäten

Unteroffiziere wurden nicht mehr mit dem Stock, sondern mit einer besonderen (Fuchtel)-klinge bestraft und mit Sie angesprochen8. Fuchtelhiebe galten als weniger entehrend als Prügel mit dem Stock. Feldwebel und Wachtmeister be­ handelte man „mit einiger Rücksicht" und betrachtete diese als „nützliche Werkzeuge guter Diciplin" und „Unterhänd­ler zwischen Herde und Hirten". General Frhr. Friedrich Wilhelm v. Seydlitz, Chef des Kürassier-Regimentes K 8 (Ohlau u.a.), ließ sogar den verstorbenen Wachtmeister der Leibeskadron offiziermäßig begraben 9). Beim I. Bataillon Leibgarde (No. 15 I) hatten die Feldwebel den Rang von Premier-Lieutenants der Armee 10). Laut Parolebefehl vom 28.05.1741 durften Feldwebel und Wachtmeister nicht mehr gefuchtelt werden. Als im Jahre 1803 ein Lieutenant des In­fanterie-Regimentes v. Kunheim (No. 1, Berlin) einen Feld­webel dennoch fuchtelte, wurde der Offizier nach der Be­schwerde des betroffenen Feldwebels in Arrest gesteckt und an den König gemeldet. Seit dem 21.11.1789 trugen Feld­webel, Wachtmeister und Oberfeuerwerker gleich dem Of­fizier das Portepee11. Auch die Oberjäger des Feldjäger­korps genossen dieses Privileg12.

Die Reglements verlangten die harte Bestrafung der von Unteroffizieren begangenen Exzesse und zählten an Sank­tionen: ,,Schild-Wacht bey Gemeinen Tractament auf ge­wisse Zeit, ewige Schild-Wacht" oder die Verurteilung „in die Karre" auf. Sie konnten aber auch zum Gemeinen deg­ radiert werden. Nach Berenhorst wurden die Unteroffiziere wegen des geringsten Versehens scharf bestraft und erhiel­ten dann „eine gewaltige Menge Hiebe mit der flachen Klinge".

Aufstiegsmöglichkeiten

Nach 12-jähriger Dienstzeit bestand für nichtadlige Unter­offiziere die Möglichkeit des Aufstieges in den Offizier­stand. Unteroffiziere, die „sehr große Meriten (Verdienste) und einen offenen Kopf' hatten, wurden dann unter Über­springung der Fähnrichscharge sogleich zum Seconde-Lieu­tenant befördert. Der Wechsel vom Unteroffizier- in den Offizierstand war aber für Nichtadlige vornehmlich bei den Garnison-, den Husaren-Regimentern und bei den techni­schen Truppen (Artillerie) Praxis, während eine solche Mo­bilität bei den Feldregimentern der Infanterie, Kürassiere und Dragoner eher die Ausnahme darstellte. Grundsätzlich bestand jedoch diese Möglichkeit des Aufstieges von Un­teroffizieren in der Hierarchie. Am 20.11.1727 befahl Friedrich Wilhelm I. dem Obristen v. Plotho: ,,10 tüchtige Un­teroffiziere vor(zu)schlagen, die capable sind, daß Ich sie zu Ober-Offizieren machen kann. Vier davon sollen keine Edelleute sein, es müssen aber solches rechte tüchtige Leute sein, und so viel möglich, die schon in campagne gewesen und capable seind, daß Ich sie gleich zu Lieutenants ma­chen kann, davon Ihr auch versichert, daß es keine Brannt­weinsäufer seind. Sie müssen nicht zu jung sein ...". In ei­nem ähnlichen Schreiben gleichen Datums an den Fürsten Leopold von Anhalt-Dessau waren es 5 von 15 Unteroffi­zieren, die trotz ihrer nichtadligen Herkunft in das Offizier­korps aufsteigen sollten. 1741 wurde befohlen, dass abge­hende Grenadier-Lieutenants durch geeignete Feldwebel zu ersetzen seien. Unteroffiziere, die sich im Bayerischen Erb­folgekrieg 1778/79 im besonderen Maße bewährten, sollten das Adelspatent erhalten und zu Offizieren befördert wer­ den. 1780 wies Friedrich der Große den General v. Löllhö­fel darauf hin, daß „hin und wieder gute Wachtmeister mit zu Officiers vorgeschlagen werden, damit nicht so viel jung Zeug von Officiers bei die Husaren ist". In einer Ordre vom 2.IV.1784 an Generalmajor v. Thun verlangte der König, daß ein Wachtmeister den abgehenden Lieutenant v.d. Golz ersetzen sollte. Als im Jahre 1787 der Offizieretat der In­fanterie-Regimenter von 50 bzw. 51 auf 55 Stellen erhöht wurde, bestimmte König Friedrich Wilhelm II. am 27.11., dass im Rahmen dieser Neuorganisation „zwei lange gedien­te Feldwebel oder Sergeanten zu Lieutenants avanciren und bei fernerem guten Betragen auch mit weiteren Avance­ment begnadigt werden sollen".

Aufgaben der Unteroffiziere

Als Gehilfe des Offiziers oblag den Unteroffizieren im Frieden die Ausbildung der Rekruten, neben dem Exerzier­dienst dominierten der Wachdienst, die Beaufsichtigung der Soldaten in den Bürgerquartieren und Kasernen und Oblie­genheiten als Beistand der Polizei. Bei der Kavallerie spiel­te der Remontedienst eine Rolle. Beim Wachdienst der Garde-Infanterie sollten die Feldwebel allerdings nur die Wache kommandieren, die Kompanien verlesen und rap­portieren, während der übrige Pflichtenkreis dem wachha­benden Offizier (Kapitän) zukam (Parolebefehl vom 11.03.1750). Die visitierenden Unteroffiziere sollten sich in den Revieren beständig „sehen lassen und genau Achtung geben, wo etwas vorfallen sollte" (Gouvernementsbefehl vom 13.1.1803). Mente erwähnt einen Unteroffizier, der für die Aufrechterhaltung „der Ordnung und Reinlichkeit" in und außerhalb der Artilleriekaserne in Breslau zu sorgen hatte13. Da Soldaten mitunter Montur- und Ausrüstungs­gegenstände verkauften, mussten die Unteroffiziere genaue Bestandsverzeichnisse führen (Parolebefehl vom 07.12.1804).

Abwechslung, aber auch hohe Anforderungen und mitunter ein Risiko bedeutete die Abkommandierung zu Werbekom­mandos außerhalb der Landesgrenzen. Dass die einzelnen Regimenter oft jahrelang dieselben Unteroffiziere zur Werbung abkommandiert hatten, wurde als Missstand be­trachtet: ,,... denn wenn die Unter Officiere jahrelang im Reich auf Werbung stehen, dann werden sie dadurch zum Dienst beim Regiment untauglich"14.

Die Unteroffiziere waren mithin dienstlich enorm belastet, und dies ohne ausreichende berufliche Aufstiegschancen. Insgesamt war der Dienst schwierig und hart, aber eintönig. Im Frieden, wie auch im Kriege kam die Verantwortung für die Verhinderung der stets drohenden Fahnenflucht hinzu. So schrieb am 01.10.1756 ein Unteroffizier des Infanterie-Re­giments No. 3 (Halle) nach Hause: ,,Hier in Türmitz be­kam ich 54 Mann in mein Quartier, auf diese mußte ich Acht haben, um die Desertion zu verhüten und das war die zweite schlaflose Nacht". Laut Parolebefehl vom 24.1.1754 hatte in Berlin ,, ... allemal ein Unteroffizier mitzugehen", wenn „Soldaten zum Thore herausgehen".

Gefreiten-Korporal bzw. Fahnenjunkter. Tafel aus dem Armeewerk von Adolpf v. Menzel. Entnommen aus: Martin Lezius, Das Ehrenkleid des Soldaten, S. 207.

Aufgaben der einzelnen Chargen

Darüberhinaus war den einzelnen Chargen traditionell oder durch Reglement ein bestimmter Kreis an Aufgaben zuge­wiesen. Den Korporalen oblag in erster Linie die Ausbil­dung der Rekruten, sie hatten dies „mit der besten Manier ...(und) ohne die geringste brutalite" zu vollbringen. Der Sergeant war ein „alt gedienter Unterofficier, welcher bes­ser besoldet ist, als die übrigen, sonst aber in nichts von ih­nen unterschieden ist. Die Cavallerie hat keine Sergeanten"15.

Der Gefreitenkorporal trug die Fahne. Neben dem Ge­freitenkorporal und dem Kapitän d'armes war der Fourier einer der drei Mittelunteroffiziere der Kompanie, in einer Arbeit aus dem Jahre 1705 wird er als der Quartiermacher der Kompanie bezeichnet. Seiner besonderen Bestimmung gemäß hatte er auf den Märschen für die Unterbringung der Mannschaften in den zugewiesenen Örtlichkeiten zu sor­gen, wobei ihn einige Fourierschützen unterstützten.

Der Kapitän d'armes gehörte zu den Funktionsunteroffizieren, er besorgte „die Herbeischaffung, Verwahrung und Aust­heilung der Kleidungs- und Waffenstücke". Neben der Auf­sicht über Montur, Waffen und Munition musste er sich um die Kranken kümmern. Seinen Dienst hatte er „nicht bruta­lite, sondern mit Güte von wegen der Liebe, die er vor die Leute hat, (zu) verrichten", durfte aber Simulanten unter den Kranken bestrafen. Wie der Feldwebel war er im Be­reich der Kompaniewirtschaft von besonderer Wichtigkeit.

Der Feldwebel führte die Kompaniestammrolle und vertrat die Interessen der Kompanie gegenüber dem Chef. Nach Streit (S. 64) war er „vorzüglich bestimmt, mit der Feder zu arbeiten, und verrichtet alle Schreibgeschäfte in der Com­pagnie, im eigentlichen Verstande ist er das lebendige Register, welches der Compagniechef täglich durchblättert, um sich von dem Zustande seiner Compagnie genau zu unter­ richten". Bei der Artillerie waren die Unteroffizierchargen: Oberfeuerwerker, Feuerwerker und Unteroffizier16, bei den Jägern hatten die Oberjäger diese Stellung inne.

Recht auf Züchtigung der Untergegebenen

Die Unteroffiziere trugen den Stock und hatten das Recht auf beschränkte körperliche Züchtigung der Gemeinen, sie mußten sich jedoch „des rechten Prügelns enthalten". Ein Parolebefehl vom 25.IV.1788 verbot den Unteroffizieren (von D V Pasewalk u.a.) das Mitnehmen des Stockes beim Exerzieren, denn diese seien „kein Zierath für die Kavalle­rie" 17. Dem altpreußischen Unteroffizierkorps wird mit­ unter von den Zeitgenossen eine brutale Menschenbehand­lung vorgeworfen18, die Reglements und zahlreiche Gou­vernements-, Parolebefehle und einzelne überlieferte kg!. Schreiben verurteilen jedoch übermäßige Gewaltanwen­ dung und verboten diese, da man die Soldaten nicht „despe­ rat" machen wollte und ein Ansteigen der Desertion fürch­ tete. Ausdrücklich war es den Unteroffizieren untersagt, Soldaten „in ihren Reviers und Stuben (zu) schlagen, sie seien besoffen oder nicht, sondern sollten sie arretiren, oder an die Kompanie melden"19.

Löhnungssituation

Nach den Reglements von 1743 sah die Löhnungssituation für die Unteroffiziere wie folgt aus: an Löhnung erhielten bei der Infanterie ein Korporal 3 Thaler, ein Mittelunteroffi­zier 3 Thaler, 1 Groschen, 6 Pfennig und ein Sergeant 4 Thaler. Bei der Kavallerie (Kürassiere / Dragoner) waren die Löhnungssätze ein wenig höher, hier erhielt der Wacht­meister an „Tractamenten und Speise-Geld" 6 und der Kor­poral 4 Thaler. Bei den Husaren bekam der Wachtmeister 5 und der Korporal 4 Thaler. Oberjäger bezogen mtl. 10 Tha­ler. Der relativ geringe Stellenwert der Garnisontruppen wird im Löhnungsgefälle zu den Hauptwaffen deutlich, es erhielten hier der Sergeant 2 Thaler, 10 Groschen und der Korporal 2 Thaler. Wie den Gemeinen war auch den Unter­offizieren Schuldenmachen verboten.

Unteroffizier aus dem Garnison-Regiment Nr. 8. Beilage zum Soldatenfreund.

Beurlaubungen, Verheiratung, Lebens- und Dienstalter

Außerhalb der Exerzierzeit durften nur 2 Unteroffiziere je Kompanie gleichzeitig beurlaubt werden, bei der Kavallerie konnte aufgrund des geringeren Etats und dem vermehrten Arbeitsanfall durch die Pferde nur 1 Unteroffizier je Kom­panie beurlaubt werden. Wollte ein Unteroffizier heiraten benötigte er dazu die Genehmigung des Regimentschefs, je­doch „wann ein Unter-Officier durch eine Heyrath sein son­derliches Glück nicht machen kan, so soll der Obriste ihm gar nicht erlauben zu heyrathen, absonderlich wann es noch ein junger Unter-Officier ist"20. Trotz dieser einschrän­kenden Normierung, waren viele der Unteroffiziere verhei­ratet (siehe Anhang, 7. Tabelle). Die Unteroffiziere wiesen mitunter ein hohes Lebens- und Dienstalter auf, hierzu eini­ge Beispiele: Das Infanterie-Regiment No. 10 (Bielefeld, Herford) hatte 1766 5 Unteroffiziere, die über 60 Jahre alt waren, ein Sergeant der Kompanie v. Bandemer zählte 66 Lebens- und 46 Dienstjahre. Ein Sergeant des Infanterie­-Regimentes No. 14 (Bartenstein, Schippenbeil, Pr. Fried­land) war im Jahre 1792 60 Jahre alt und hatte bereits 39 Dienstjahre absolviert. Ein Feldwebel im Depot-Bataillon dieser Einheit zählte 65 Lebens- und 45 Dienstjahre. Zum Infanterie-Regiment No. 23 (Berlin) gehörten im Jahre 1784 6 Unteroffiziere, die älter als 60 Jahre waren. Im In­fanterie-Regiment No. 58 (Garnisonen wie No. 14, jenes Regiment stand nun in Goldap, Oletzko, Gumbinnen) dien­te ein 59-jähriger Unteroffizier mit 40 Dienstjahren im III. Musketier-Bataillon. In der Leib-Eskadron des Regiments Gardes du Corps (K 13) befand sich 1788 noch ein 65 Jahre alter Unteroffizier, der 1741 in den Dienst eingetreten war und seit 1744 in dieser Eliteformation diente. Die ältesten Unteroffiziere im Dragoner-Regiment D V. (Pasewalk u.a.) waren 1764 zwei Korporale: beide 63 Jahre alt und 40 bzw. 45 Jahre im Dienst. Der älteste Wachtmeister im Husaren­-Regiment H 8 (Stolp, Lauenburg, Bütow usw.) war um 1784 ein 52-jähriger Husar, der bereits seit 23 Jahren diese Charge inne hatte (vgl. auch Anhang, 2. - 5. Tabelle).

Verabschiedung und Versorgung

Die Versorgung war nicht geregelt, jedoch die Anstellung in unteren Graden der Zivilverwaltung üblich. Die verab­schiedeten invaliden Unteroffiziere sollten Stellen als Tor­schreiber, Mühlenbereuter, Polizeireuter, Ausreuter usw. er­halten21. Nach Ledebur wurden schreibkundige Unterof­fiziere als Kontrolleure, Torschreiber, Holzwärter, Landreu­ter, Hegemeister, Haidereuter eingestellt. Die Vermittlung in Schulmeisterstellen wird mangels Eignung vieler Unter­offiziere kritisiert, jedoch in der Literatur hinsichtlich der Bedeutung und des Volumens dieser Maßnahme abge­schwächt22. Friedrich Wilhelm I. beklagte in einer Ordre vom 06.01.1740 an Generallieutenant v. Glasenapp, dass viele ,,Schulzen- oder auch gute Bürger-Söhne" nur kurz als Un­teroffiziere dienten, um dann möglichst rasch abzugehen und im Rahmen der Versorgung gedienter Soldaten einen Posten in der Zivilverwaltung zu erlangen. Die Unteroffi­ziere sollten hingegen erst bei Dienstuntüchtigkeit verab­schiedet werden und den „Dienst wirklich tun und nicht zu ­hause liegen"23. Wurden Soldaten infolge Krankheit oder Alters dienstuntauglich-und ausrangiert, mussten sie jedoch mitunter lange Zeit auf eine Versorgung warten, denn die finanzielle Lage des Staates gestattete eine befriedigende Lösung dieses Problems nicht. Das unzureichende System der lnvalidenversorgung und die hieraus resultierende ,,Noth ausgedienter Krieger" wurde schon von Zeitgenos­sen bemängelt. Von dieser Misere waren auch invalide Un­teroffiziere betroffen, so wurden z.B. bei No. 3 (1805) 13, bei No. 8 (1783) 7 und bei K 8 (1756) 3 invalide Unteroffi­ziere teilweise schon seit Jahren als Anwärter für eine Ver­sorgung geführt. Neben der bereits erwähnten Zuteilung ei­ner Zivilbedienung waren die Unterbringung in Invaliden-­ und Gamison-Kompanien, in den „Neuen Garnisonen" oder im Invalidenhaus weitere Möglichkeiten der Versorgung. Die Zuweisung einer Unterstützung in Form einer Geldren­te, des sogenannten „Gnadenthaler's", war in der Regel zu gering.

Zeitgenössische Urteile

Die zeitgenössischen Urteile über das altpreußische Unter­offizierkorps sind unterschiedlich, zumeist aber nicht ohne Sympathie. Laut Berenhorst konnten die Unteroffiziere ,,unmöglich ganz schlecht sein"24. Suckow beklagt vor al­lem die mangelnde Unterrichtung der Unteroffiziere. Er be­schreibt sie als Männer im „vorgerückten" Lebensalter und bezeichnet sie als „alte, harte Köpfe". Häufig verheiratet und meist mit einer zahlreichen Nachkommenschaft bela­stet, zwang sie die geringe Besoldung zu einem Nebensver­dienst, der in der Regel in einem früheren Handwerk be­stand25. Ein allerdings düsteres Bild malt Wachholz26: für ihn waren die Unteroffiziere eine Art von Automaten, einer strengen Disziplin unterworfen und mechanisch ihren schweren Dienst verrichtend, stets gewärtig die Klinge des Adjutanten zu spüren und selbst allezeit bereit, den Stock über den Rücken des Soldaten zu schwingen. ,,Von Jugend auf an ihren Beruf gewöhnt, führten sie ruhig ihr ärmliches Leben fort, schritten im engen Kreise ihrer Pflichten wie der Stier in der Tretmühle umher, genossen kein Glück und fühlten kein Unglück".

Dennoch genossen sie als Funktions- und Autoritätsträger eine hohe Wertschätzung27, vor allem Friedrich Wilhelm I. und Friedrich der Große haben sich wiederholt über die Stellung und Bedeutung der Unteroffiziere in diesem Sinne geäußert: Friedrich Wilhelm I. bewertete die Unteroffiziere als „den Fuß der Compagnie"28. Für ihn waren die Unter­offiziere „je älter je besser". Schon als Kronprinz und Regi­mentschef des Infanterie-Regiments No. 15 in Neuruppin äußerte sich Friedrich der Große über die Unteroffiziere: ,,Ich komme nun auf ihren Entwurf die Unteroffiziere be­treffend. Er ist gewiß vortrefflich, um von diesen Leuten den verlangten Dienst zu haben; es ist auch nicht zu leugnen, daß sie zu schlecht besoldet werden, und doch hängt von unseren Unteroffizieren der kleine Dienst ab, und wenn wir nicht zuverlässige Leute haben, könnte es im Kriege schlimm um uns stehen, denn unsere Offiziere können nicht doppelten Dienst thun"29. In einem Schreiben vom 9.VIII.1747 an Markgraf Karl empfahl der königliche Feld­herr, ,,die alten Unterofficiers so lange als möglich bei dem Regiment zu behalten und nicht abzuschaffen, weil sie die base von denen Compagnien ausmachen"30. Die Verab­ schiedung alter Unteroffiziere bemängelte Friedrich der Große auch in einem Schreiben vom 21.Vl.1783 an General Georg Ernst v. Holzendorff, Chef des 1. Artillerie-Regi­ments und Inspekteur der gesamten Artillerie31.

Bewertung

Das altpreußische Unteroffizierkorps wies sicherlich auch so kuriose Typen wie den Unteroffizier Zutzel auf, von dem der Magister Laukhard (Soldat im Infanterie-Regiment No. 3/ Halle) so beredt zu berichten weiß32, das Gros der Un­teroffiziere waren aber ernsthafte und pflichtbewußte Sol­daten33, die zumeist tief religiös, dienstlich enorm bela­stet waren und, es ist nicht zu leugnen, in finanziell beeng­ten, wenn nicht gar ärmlichen Verhältnissen lebten. In den Beschreibungen zeitgenössischer Offizier-Memoiren be­gegnen wir ihnen immer wieder, als Fahnen-(Stan­darten)junker hatten die späteren Vorgesetzten in den ersten Jahren ihrer dienstlichen Laufbahn in der Regel zwangsläu­fig engen Kontakt zu den Unteroffizieren, wohnten sie doch häufig bei ihnen und erfuhren auch hier die ersten militäri­schen Grundbegriffe,- ihre Berichte sind beinahe grundsätz­lich positiv. Das Problem des Alkoholismus soll aber hier nicht verschwiegen werden, auch Härte in der Menschenbe­handlung kam vor. Diesbezügliche Entgleisungen sind aber häufig als Folge von Überlastung zu begreifen, der Hinter­grund mangelnder beruflicher Perspektive sollte hierbei auch nicht vergessen werden. Letztlich waren jedoch die Unteroffiziere maßgebliche Kräfte im dienstlichen Alltag und unverzichtbare Korsettstangen im Gefecht, sie waren eben die „base (Basis) von der Compagnie" und hatten an der Exerzierfertigkeit vor allem der altpreußischen Infante­rie einen wesentlichen Anteil.

Fußnoten:

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