Szenen aus dem Dienstalltag der Alten Armee - Kavallerie - Ausbildung
Die Kavallerie hielt 1893 an der 3jährigen Dienstzeit fest, die Mannschaften blieben aber nur 3 Jahre in der Landwehr des 1. Aufgebots1. Die Kavalleristen wurden im Reiten und Exerzieren ausgebildet, wobei die Ausbildung zu Fuß reduziert war. Zur Ausbildung gehörten auch Schießübungen, aber mit einem deutlich geringeren Zeitvolumen im Verhältnis zur Praxis bei der Infanterie. Die Unteroffiziere erlernten auch das Schießen mit dem Revolver.
Im ersten Dienstjahr sollten Gangarten erlernt werden, wobei der Reiter mit dem Pferd auch seine Waffen gebrauchen musste. Die Reitfertigkeiten wurden dann weiter ausgeformt und von der Einzelausbildung zum Reiten in der geschlossenen Formation (Reiten auf der Stelle, Bewegungen im Verband und Attacken) übergegangen. Hierzu hieß es im Exerzier-Reglement für die Kavallerie vom 03.04.1909: "Die exerziermäßige Ausbildung zu Pferde erfolgt der Hauptsache nach in der Eskadron; sie wird im Regiment weitergeführt und erreicht ihren Abschluss in der Brigade. Aber auch hier wie beim Regiment beruht die Leistung des größeren Verbandes auf dem festen Gefüge der Eskadron"2.
Neben der üblichen Ausbildung des Kavalleristen im Reiten und Exerzieren einzeln und im Verband gab es auch Sonderausbildungen, z. B. Kommandos von Unteroffizieren und Kapitulanten zur Kavallerie-Unteroffiziersschule und zur Schieß- und Telegraphenschule bzw. von Offizieren zum Militärreitinstitut, zur Turnanstalt, Schieß- und Telegraphenschule und zur Kriegsakademie. Das Militärreitinstitut mit Offizier-Reitschule und Kavallerie-Unteroffizierschule war dem X. Armeekorps zugehörig und stand in Hannover bzw. Soltau. Die Entwicklung des Militärreitinstitutes geht auf das Jahr 1816 zurück. Am 10.12.1816 wurde das Militärreitinstitut für Offiziere; Unteroffiziere und Mannschaften der Kavallerie (später auch der Feldartillerie) gegründet. In 1849 kurze Zeit aufgelöst wurde es im gleichen Jahr wieder errichtet, die Trennung zwischen Offizier-Reitschule und Kavallerie-Unteroffizier-Schule erfolgte 1872. Standort der Einrichtung war von 1816 – 1849 Berlin, von 1849 – 1866 Schwedt a. O. und ab 1866 Hannover/ Soltau.
Die sorgfältige Einzelbildung von Mann und Pferd wurde als Grundlage der Gesamtausbildung betrachtet. Im Zuge der Einzelausbildung wurde vor allem Gewicht gelegt auf "Befestigung des Tempos im Schritt, Trab und Galopp, Ausbildung im leichttraben, im verstärkten Galopp und im vollem Lauf, gewandtes reiten im Gelände und Überwinden von Hindernissen aller Art, schnelles Aufnehmen und Festhalten einer gegebenen Marschrichtung, sichere und geschickte Handhabung der Lanze gegen verschiedene Ziele und rasches Auf- und Absitzen"3. Bereits im Sommer des Jahres 1888 erhielten einige preußische Kavallerie-Regimenter die Lanze, zunächst nur die Kürassiere, dann offiziell ab dem 02.06.1889 alle Kavallerie-Regimenter. Vorher war sie nur von den Ulanen und von der Landwehr-Kavallerie (bis 1852) geführt worden. Zunächst aus rohem Holz, wurde sie später geschwärzt. Sie hatte eine eiserne Spitze und wurde bei Nichtgebrauch in einen Schuh am Steigbügel gesetzt. Die geübten Kavalleristen ritten auch die Remonten zu. Zur Ausbildung gehörte ferner das Kontrafechten mit der Lanze, sowie Turnübungen auch zu Pferde. Insgesamt sollte "die Kavallerie ihre Aufgaben stets offensiv zu lösen suchen"4.
Seit dem Anfang der 90iger Jahre des 19. Jahrhunderts die Gefechtsentfernungen der Infanterie sich auf über 2000 m erweiterten, musste man von den herkömmlichen Exerzierplätzen auf regelrechte Truppenübungsplätze ausweichen. Diese wurden nun für die jeweiligen Armeekorps aufgekauft. Hier wurden die Regiments- und Brigade-Exerzierübungen und kriegsmäßigen Schießübungen der Infanterie- und Feldartillerie abgehalten. Auch die Kavallerie absolvierte hier eine Reihe von Übungen. Truppenübungs- und Schießplätze waren in Döberitz, Arys, Jüterbog, Alten-Grabow, Posen, Lamsdorf, Senne, Wesel, Elsenborn, Lockstedt, Munster, Hagenau, Gruppe und Hammerstein, Darmstadt, Wahn, Thorn, Lechfeld, Hammelburg, Zeithain, Münsingen. Bei den größeren Truppenübungen unterschied man Regiments- und Brigadeübungen, größere Kavallerieübungen und besondere Übungen bzw. Manöver. In jedem Jahr wurden die Armeekorps bestimmt, die vor dem Kaiser größere Truppenübungen (= Kaisermanöver) abzuhalten hatten. Bei den jährlichen Übungen sollten die Übungsgegenden gewechselt werden, auch um die Belastung der Bevölkerung zu minimieren. Während der größeren Truppenübungen wurde der Wachdienst in den Garnisonen auf ein Mindestmaß beschränkt, Beurlaubte wurden zur Erhöhung der Ausrückstärke eingezogen. Die Eingezogenen wurden zunächst durch Einzelausbildung wieder auf das ursprüngliche Ausbildungsniveau gebracht.
Die größeren Truppenübungen dauerten in der Regel 10 Tage. Es gab Manöver zweier Parteien oder gegen einen markierten Feind im Verband der Division oder des Armeekorps Hierbei sorgten Schiedsrichter für im Frieden fehlende kriegsmäßige Bedingungen, um einen zu schnellen – unrealistischen – Verlauf der Übungen zu verhindern. Dazu allerdings ein Zeitgenosse: „Im Verlauf dieser Kaisermanöver merkte man einsichtigen Generalstäblern und vielen älteren Offizieren eine gedrückte Stimmung an. Statt das man die Führer vor wichtige Entschließungen stellte, die kriegsgemäßen Situationen entsprangen, handelte es sich lediglich um eine größere oder geringere Abhängigkeit vom Kaiserlichen Hauptquartier. „Es darf nicht zu weit werden“. „Es müssen Bilder gezeigt werden“. „Massenangriffe sind bevorzugt“. „Es muss hier zum Kampfe kommen, da nur hier die Kavallerie attackieren kann“. Das waren mehr oder minder leitende Gesichtspunkte. Und nun die Ausführung! Wirkliche Aufklärung der Kavallerie kam kaum zur Darstellung. Auf Artilleriewirkung wurde gar keine Rücksicht genommen. Ebenso wurde auch kaum ein Infanterieangriff vorbereitet. Vom Schießen hielt man ebenso wenig. Die Führer befanden sich vor den Schützenlinien, die Kolonnen beinahe in den Schützenlinien, die Kavallerie attackierte, wenn es sicher ganz unmöglich war, kurz, man konnte hin und wieder sehen, wie man es nicht machen soll. Sehr selten das Gegenteil. Und dazu die Zusammenziehung dieser Massen, diese Kosten! Nein, es war betrübend, und für mich, da ich häufig in der Nähe der fremdländischen Offiziere war, auch beschämend. Dahin kommt man in Friedenszeiten mit dem Befehl: „ Zu Befehl, Eure Majestät“. Und wie wird es im Kriege sein?“5.
Dennoch brachten die großen Herbstübungen auch Erkenntnisse, so offenbarte der kommandierende General Hermann August von Grolmann (1829 - 1893) nach einem solchen Manöver mit den drei Divisionen seines Korps seinen Untergebenen: "Ich habe heute etwas gelernt, von hinten kann man nicht führen! Ich danke, meine Herren!"6.
Nachfolgend werden Bilder aus dem Nachlass eines Kavallerieoffiziers (aus dem Ulanen-Regiment „Großherzog Friedrich von Baden“ - Rheinisches Nr. 7) gezeigt, die bei Felddienstübungen bzw. Manövern auf dem Truppenübungsplatz Elsenborn in den Jahren 1908 ff. gefertigt wurden. Fotograf: Fr. Osw. Kluge/ Truppenübungsplatz Elsenborn. Bei dem vorgenannten Offizier handelt es sich um den Rittmeister Stilke. Die Rangliste der Kgl Preuß. Armee aus dem Jahre 1912 ordnet ihn als Reserve-Offizier dem besagten Regiment zu.
Fußnoten:
- 1. Jany, Curt, Geschichte der preußischen Armee, Vierter Band, S. 306.
- 2. Berlin 1909, S. 2.
- 3. Exerzier-Reglement für die Kavallerie vom 03.04.1909, Berlin 1909, S. 22.
- 4. Exerzier-Reglement für die Kavallerie, vom 03.04.1909, Berlin 1909, S. 3.
- 5. Zedlitz-Trützschler, Zwölf Jahre am deutschen Kaiserhof, Stuttgart-Berlin-Leipzig, 1925, S. 42 ff. Über die Folgen fehlender Kooperation bei dem unrealistischen Ansatz von Manöverübungen berichtet Lily Braun (geb. von Kretschmann) in ihren Memoiren (Dieselbe, Memoiren einer Sozialisten. Lehrjahre. Roman, München 1909, S. 347). Betroffen war ihr Vater.
- 6. Priesdorff, v., Soldatisches Führertum, Band X., S. 481.
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