Die preußische Armee unter Friedrich Wilhelm I. (1713 - 40) - Kapitel 15 - Heeresökonomie, Rüstungsindustrie und Bekleidungswirtschaft

In der Instruktion für seinen Nachfolger aus dem Jahre äußerte sich der König auch über seine wirtschaftspolitischen Ziele und betonte, dass „ ein landt sonder Manifactuhren ... ein Menschlichen Körper sonder lehben ergo ein totes landt das bestendigst Power (arm) und elendig ist und nicht zum flohr sein dage nicht gellangen kahn. Dehrowehgen mein bitte ich euch mein lieben Sucessor conserviret die Manifatturen Protegiret sie und flanzet sie fordt und fordt breittet sie weitter in eure lender absonderl. In Preussen aus und haltet auf die Edicta die ich gegehben das keine fremde wollene wahren in unßeren lender eingeführet werden und die fornehme und Gemeine einwohner unßers landes sich nicht in fremde wollene wahren kleiden sollen ...“1.   

Die Provinzen des preußischen Staates waren überwiegend landwirtschaftlich geprägt2, der einzige bedeutende Rohstoff der Provinzen östlich der Elbe war Schafwolle. Diese sollte zukünftig im eigenen Land verarbeitet werden. Bisher hatten nicht die Produktion und die Vermarktung im In- und Ausland, sondern in erster Linie der Durchfuhr- und Zwischenhandel dominiert. Der König begründete deshalb die Wollindustrie3. Im Jahre 1713 wurde als ein erster Schritt das Lagerhaus gegründet und Johann Andreas v. Kraut als dessen Leiter bestimmt4. 1715 wurde der Betrieb eröffnet: „Ursprünglich als Verlag gedacht, der den Produzenten Berlins die nötige Wolle vorschießen und die fertigen Produkte und die fertigen Produkte vorrätig halten sollte, entwickelte sich das Unternehmen unter Kraut zur Manufaktur. Die feineren Tuchsorten, deren Herstellungsverfahren in Brandenburg noch weitgehend unbekannt war, weshalb der Unternehmer Fachleute aus dem Ausland kommen ließ, wurden in den Räumen des Lagerhauses in der Klosterstraße selbst hergestellt. Hier verfertigte man - abgesehen vom Spinnen - den farbigen Kirsey, und hierfür lieferten die Heimarbeiter zur Endbearbeitung die gewöhnlichen Mannschaftstuche und Boye. Vom Typ her handelte es sich beim Lagerhaus folglich um die Mischform einer zentralisierten mit einer dezentralisierten Manufaktur. Zentralisiert, weil alle Prozesse zur Herstellung eines Produks arbeitsteilig unter einem - einem Dach - ausgeführt wurden, dezentralisiert, da sie wichtige Teilarbeiten von formal selbständigen Handwerkern außer Haus ausführen ließ und die Erzeugnisse nur noch veredelte. Anfangs existierten für die Feintuchproduktion sechszehn Webstühle. Bis 1719 erhöhte sich deren Zahl auf zwanzig. Aber in dem Maße, wie sich das Lagerhaus, dessen eigentliche Leitung bald Severin Schindler übernahm, auch auf den zivilen Bedarf orientierte, vermehrte der Betrieb seine Produktionsmittelbestand und die Belegschaft. Zwischen 1719 und 1724 sollen etwa 450 bis 550 Arbeiter in den Werkstätten des Lagerhauses tätig gewesen sein. Hinzu kamen noch schätzunsgweise 5000 verlegte Spinner„5. Bereits 1716 war das Lagerhaus in der Lage, den Bedarf des Heeres an Tuch vollständig zu decken, denn in erster Linie der ständig wachsenden Armee kam beim Aufbau der einheimischen Wollindustrie als Konsument eine Schlüsselrolle zu. Damit blieben auch die großen Geldmengen für die ab 1725 jährlich stattfindene Neueinkleidung der Soldaten im eigenen Lande. Dies entsprach den Grundsätzen des Merkantilismus. Der Merkantilismus war die Staatswirtschaftspolitik und Lehre der staatlichen Wirtschaftsverwaltung im Zeitalter des Absolutismus und hatte vor allem die Erhöhung der staatlichen Einkünfte zum Ziel. Als wirksame Mittel galt hierbei die Steigerung der Bevölkerungszahl, der gewerblichen Produktion und der Ausfuhr. Das Geld sollte im Lande gehalten werden bzw. durch Ausfuhr Überschuß ins Land gezogen werden6.

Die Förderung des Bevölkerungswachstums und der Auf- und Ausbau einer einheimsischen (Woll)Industrie waren auch markante Eckpfeiler der Wirtschaftspolitik Friedrich Wilhelms I.  Für die wirtschaftliche Belebung sollten strenge staatliche Regularien sorgen. Bereits ab 1713 durften die Regimenter nur noch inländisches Tuch verwenden, der Hof und der Zivilstand sollten diesem Beispiel folgen, im Jahre 1718 (05.05.) erfolgte sogar ein Wollausfuhrverbot. Die inländische Wolle wurde subventioniert und gegenüber ausländischen Konkurrenzprodukten durch eine Schutzzollpolitik abgeschirmt. Für einen wirtschaftlichen Aufschwung mußten aber die inneren Produktivkräfte gefördert und die (mittleren) Provinzen des preußischen Staates als Einheit betrachtet werden. Dies bedeutete eine Abkehr von der bisherigen territorial orientierten Wirtschaftspolitik. Mit dem Lagerhaus hatte der König ein leistungsfähiges Industriezentrum geschaffen, es gelang bald sogar die Belieferung der Russischen Armee mit Tuchen. Durch außenpolitische Wirren folgte aber in den 30iger Jahren eine wirtschaftliche Krise, auch mangelte es in Preußen an einem risikofreudigen und kapitalkräftigen Unternehmertum. Der überforderte Kraut starb schon im Jahre 1723, das Lagerhaus wurde in der Folge (1726) verstaatlicht. Weitere Wollmanufakturen entstanden nur vereinzelt, so in Luckenwalde und Königsberg. Ab 1733 wurden als Antwort auf die wirtschaftliche Krise verschiedene Wollmagazine geründet, so in Königsberg und Berlin. Insgesamt war aber mit dem Lagerhaus auch ein beachtliches Arbeitsprogramm verbunden, vor allem für die aus den unteren Bevölkerungsschichten stammenden Spinner. Hierbei handelte es sich nicht zuletzt um Militärangehörige. Erst unter Friedrich dem Großen (1764) wurde das Lagerhaus wieder privatisiert. Die Bemühungen des Friedrich Wilhelms I. blieben aber nicht ohne Folgen, so nahm die Herstellung von verschiedenen Textilerzeugnissen aus einheimischen Rohstoffen einen solchen Aufschwung, dass in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts bereits mehr als 80 % aller in der gewerblichen Produktion Tätigen in der Textilindustrie beschäftigt sind.    

Ein oder sogar der bedeutsamste Zweig der heimischen preussischen Wirtschaft war die (miltärische) Bekleidungswirtschaft. Der Ersatz von Bekleidung und Ausrüstung, sowie die Ergänzung des Pferdebestandes war im Zeitalter der Söldnerheere in erster Linie den jeweiligen Truppenteilen überlassen. Dies blieb auch im Zuge der Entstehung der stehenden Heere grundsätzlich unverändert. Unter Friedrich Wilhelm I. wurde aber die Heeresökonomie vereinheitlicht und strikten wirtschaftlichen Gesichtspunkten unterworfen. Trotz einer detaillierten staatlichen Planung verblieb aber den einzelnen Formationen ein Rest an Selbstbewirtschaftung, die sogenannte Kompaniewirtschaft.

Musketier aus dem Infanterie-Regiment No. 15 (1729). Figur auf der Ausstellung in Paris im Jahre 1900. Entnommen aus Uniformes de L`Armée Allemande à L`Exposition Universelle de Paris en 1900, S. 46.

Seit dem Jahr 1725 erfolgte eine jährliche Neueinkleidung der Regimenter7, das Infanterie-Reglement von 1714 hatte noch die zweijährige Tragezeit der Uniformen vorgesehen (S. 242 ff.). Die Regimenter hatten sich nun jedes Jahr zum 1. Mai neu einzukleiden (Infanterie-Reglement von 1726, S. 616), besuchte jedoch der König die Revue, sollten die neuen Uniformen einen Tag vor dem königlichen Besuch ausgegeben werden. Mitunter kam es vor, dass Regimenter die alljährliche Neuuniformierung aus Sparsamkeitsgründen überschlugen, hiergegen wandte sich ausdrücklich eine Ordre vom 14.12.1738, die darauf hinwies, dass „die Regimenter doch alle Jahr neu mundiert werden und also eine vorrätige Mondur noch auf der Kammer zu haben, wie solches bishero eingeschlichen ist, nicht von Nöten ist und nur von den Motten gefressen wird“8. Von den alten Kamisölern sollten sich die Unteroffiziere und die Gemeinen Brusttücher und Schlafmützen fertigen (Infanterie-Reglement von 1726, S. 617). Jeder Diensttuer hatte einen Anspruch auf die jährliche Ausgabe von folgenden - sogenannten - kleinen Montierungsstücken: 2 Paar Schuhe, 2 Paar Schuhsohlen, 2 Hemden, 1 Oberhemd, 1 Paar Stiefelletten, 1 Paar Hosen aus Leinwand, 2 rote Halsbinden, 2 Haarbänder, sowie in jedem zweiten jahr ein Paar Knieriemen. Die kleinen Monterungsstücke kosteten zusammen 5 Thaler, 6 Groschen, 2 Pfennige, wobei der Soldat das Gros der Summe durch einen monatlichen Soldatabzug in Höhe von 8 Groschen ansparte. Dem beurlaubten Soldaten stand an kleinen Montierungsstücken nur 1 Paar Schuhe, 2 rote Halsbinden, 1 Haarband und in jedem zweiten Jahr ein Paar Knieriemen zu (zuzüglich 2 Groschen Kompanieunkosten, zusammen: 1 Thaler, 10 Groschen, 10 Pfennige, Infanterie-Reglement von 1726, S. 599, 600). Außer den vorgenannten Kosten für die kleinen Montierungsstücke durfte keinem Soldaten etwas in Rechnung gestellt werden. Das Infanterie-Reglement von 1726 (S. 602) bestimmte deshalb: „Wenn die Regimenter im Monat Martii zum Exerciren zusammen kommen, sollen die Soldaten in Gegenwart einer Stabs-Officier laut ihren Rechnungs-Büchern befraget werden, ob sie in guter kleriner Munidrungs-Stücken, nichts von Nöthen haben, auch etwa zu Anschaffung kleiner Mundirungs-Stück(en) von ihren Capitaines gezwungen worden sind. Welches aber von denjenigen nicht zuverstehen ist, welche allezeit Urlaub haben, selbige nur von der Compagnie ein paar Schuh, ein Haarband und 2 rothe Halsbinden bekommen, die Stiefeletten, Halb-Hembden, Unter-Hembden und Leinwands-Hose aber sich selbst von Hause mitbringen sollen. Denjenigen hingegen, welche niemahlen Urlaub haben, und ihre Dienste beständig bey der Compagnie thun, sollen die Capitaines, wenn sie es fordern und nöhtig haben, desto mehr Mundirungs-Stücke geben, auch ihnen nicht anmuthen seyn, daß sich sich selbst was anschaffen sollen“. Die alten Uniformen konnten die Soldaten verkaufen (Infanterie-Reglement von 1726, S. 525 ff.), allerdings waren zuvor die Knöpfe zu entfernen „und in gutem Stande an die Compagnien zu liefern“ (Infanterie-Reglement von 1726, S. 617).

Grenadier aus dem 1. Bataillon des Infanterie-Regiments No. 6 (1729). Figur auf der Ausstellung in Paris im Jahre 1900. Entnommen aus Uniformes de L`Armée Allemande à L`Exposition Universelle de Paris en 1900, S. 45.

Die Details der Tragezeiten und Kostenstruktur usw. sollen am Beispiel der Dragoneruniform verdeutlicht werden. Die Tragezeit und der Preis der Uniform- und Ausrüstungsstücke eines Dragoner-Offiziers (D III.) wurden wie folgt festgesetzt: jährlich: 1 Hut (6 Thlr. 22 Gr., 5 Pf.), 1 weißen Leibrock mit goldenen Schleifen (37 Thlr., 1 Gr.), 1 Paar Handschuhe (1 Thlr.,  8  Gr.), 1 Feldzeichen (2 Thlr.), alle 2 Jahre: 1 Degengehenk, besetzt mit goldener Tresse: 7 Thlr., 18 Gr., 9 Pf., 1 Paar (bockfellene) Hosen: 4 Thlr.), alle 3 Jahre: 1 Paar Steifeln mit Sporen: 5 Thlr., 10 Gr.), alle 4 Jahre: 1 Kaputrock: 18 Thlr., 13 Gr.), alle 5 Jahre: 1 Sattel mit Zubehör: (5 Thlr., 10 Gr.), 1 Schärpe (30 Thlr.), 1 Degen (14 Thlr.) und alle 8 Jahre: 1 Schabracke (80 Thlr.), zusammen 212 Thlr., 11 Gr., 2 Pf. Alle 10 Jahre waren ferner von jedem Offizier 2 Pferde anzuschaffen, hierfür wurde eine Summe von 230 Thlr. angesetzt. Die Tragezeit und die Kosten für die Uniform- und Ausrüstungsstücke eines Gemeinen waren: jährlich: 1 weißer Kaputrock (4 Thlr., 10 Gr., 4 ½ Pf.), 1 weißer Leibrock (2 Thlr., 14 Gr., 3 Pf.), 1 weißes Kamisol (1 Thlr., 7 Gr., 3 Pf.), 1 (bockfellenes) Kamisol (4 Thlr., 22 Gr., 3 Pf.), 1 Hut (1 Thlr., 21 gr., 8 Gr.), 1 Paar (bockfellene) Hosen (2 Thlr., 10Gr., 6 Pf.), alle 2 jahre: 1 Kittel aus Leinwand (19 Gr., 3 Pf.), alle 3 Jahre: 1 Paar Strümpfe (8 Gr.), alle  Jahre: 1 Fouragiermütze (6 Gr., 3 Pf.), alle 6 Jahre: 1 Paar Stiefel einschließlich Knieriemen (4 Thlr., 10 Gr.), dazu alle 8 Jahre: 1 Degengehenk (22 Gr.), 1 Schabracke (3 Thlr., 21 r.), alle 10 Jahre: 1 Patronentasche (1 Thlr., 4 Gr.), 1 Patronentaschenriemen (1 Thlr., 4 Gr.), 1 Flintenriemen (7 Gr.) und alle 12 Jahre: 1 Sattel und Zaumzeug (6 Thlr., 21 Gr.), zusammen 37 Thlr., 16 Gr., 9 ½ Pf. Zu diesen Montierungsstücken kamen eine Reihe von Feldgerätschaften, wie Pfähle, Stricke zum Anbinden der Pferde, Feldkrippen, Beile, Kessel, Flaschen usw.9.   

Schnitt und Stoffverbrauch für die einzelnen Uniformteile war den Regimentern genau vorgegeben und das Reglement betonte: „Die Regimenter können mit dem Ellen-Maaß laut Mundirungs-Reglement genugsam auskommen, dahero auch die Mundirung vollkommen, auch nicht länger und kürzer wie die Probe gemachet werden soll“ (S. 521 ff. und S. 624). Das Reglement von 1726 forderte zudem, daß „jede Unter-Officier, Hautbois, Pfeiffer, Tambour, Grenadier und Musquetier-Mundirung ... nicht mehr auch nicht weniger, wie in der Rechnung im Mundirungs-Reglement specificiret ist, kosten“ sollte (S. 616). Die für jedes Regiment gesondert gefertigten Montierungs- bzw. Ökonomiereglements regelten Beschaffenheit, Tragezeit und Kosten der einzelnen Bekleidungsteile. Die Infanterie erhielt in den Jahren 1724, 1725, 1733, 1736 und 1739, die Kavallerie 1727, 1733, 1737 und 1740 entsprechende Regelwerke, daneben finden sich auch in den allgemeinen Dienstreglements diverse Vorschriften zur Uniformierung und Ausrüstung. Frühe Montierungs-Reglements sind nur vereinzelt überliefert, z. B. für No. 1 (1725), No. 3 1725), No. 14 (1725), No. 15 (1733, 1736, 1739), K 2 (1733), K 4 (1727), K 5 (1737), D II (1733), D VII (1733)10. Für den Rock der Infanterie waren im Jahre 1714 noch 5, 1718 noch 4, 1724 noch 3 Ellen blauen Tuchs angesetzt, 1725 jedoch nur noch 2 ¾ Ellen. Der knappe Sitz der Uniform wurde in der Folge für den preußischen Soldaten charakteristisch, war aber noch weit von der extremen modischen Entwicklung der postfriderizianischen Epoche entfernt.

Fußnoten:

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