Die Militär-Fotografie als historische Quelle für die Uniformkunde
Die Anfänge der Fotografie bis hin zum Foto als Massenphänomen
Bilder prägen die Vorstellung von der Geschichte wesentlich mehr als geschriebene Worte, umso mehr als ab der Mitte des 19. Jahrhunderts die Fotografie das Zeitgeschehen scheinbar objektiv abbildete und damit die Malerei in dieser Funktion weitgehend ablöste.
Die Entwicklung der Fotografie kam nicht plötzlich, sondern die physikalischen und chemischen Voraussetzungen bereiteten sich über einen langen Zeitraum vor. Bereits im Mittelalter waren Vorläufer der späteren Kameras bekannt. Mit der Camera obscura war es möglich durch eine Linse eingefangene Bilder spiegelverkehrt abzubilden. Sie wurde vor allem von Astronomen, aber auch von Künstlern benutzt. Um 1550 wurde die Linse erfunden. Die ersten Linsen wurden für die Korrektur von Kurz- und Weitsichtigkeit als Brillengläser verwendet und später in die ersten optischen Apparate (Fernrohre und Mikroskope) eingebaut. Mit solchen Linsen konnten hellere und schärfere Bilder erzeugt werden. 1685 folgte die Erfindung des Ablenkspiegels. Im 17. Jahrhundert fand die Laterna magica - ein Projektionsgerät – Verbreitung. Der deutsche Arzt Johann Heinrich Schulz entdeckte zudem die Lichtempfindlichkeit von Silbersalzen. Lange suchte man aber vergeblich nach geeigneten Fixiermitteln.
Erst ab Mitte der 30iger Jahre des 19. Jahrhunderts gelangen dem Engländer William Henry Fox Talbot und den Franzosen Joseph Nicéphore Niepce und Louis Jacques Mandé Daguerre schließlich die Entwicklung zukunftsweisender fotografischer Verfahren. Die erste Fotografie soll 1826 durch Joseph Nicéphore Nièpce im Heliografie-Verfahren angefertigt worden sein. Das Verfahren des Franzosen Louis Jacques Mandé Daguerre Jodsilberbilder durch Quecksilberdämpfe zu entwickeln und mit einer Kochsalzlösung zu fixieren, wurde im Jahre 1839 vor der Pariser Akademie der Wissenschaften vorgestellt. Bald öffneten in Frankreich und in anderen Staaten Ateliers von Daguerreotypisten. Auch das preußische Königshaus nahm Notiz von diesem neuen Medium. König Friedrich Wilhelm III. ließ sich das Verfahren im Schloss Charlottenburg vorführen, sein Nachfolger, König Friedrich Wilhelm IV., richtete 1847 sogar dem Daguerreotypisten Hermann Biow/ Hamburg ein Atelier im Schloss ein.
William Henry Fox Talbot beschritt einen anderen Weg. Er belichtete Silberchloridpapiere und erhielt so ein Papiernegativ. Es wurde auf lichtempfindliches Salzpapier kopiert bzw. projiziert. Diese Bilder waren im Verhältnis zur Daguerreotypie unschärfer, standen aber am Anfang des allein zukunftsträchtigen Negativ-Positiv-Verfahrens und der Papierfotografie.
Zu brauchbaren Fotos war der Weg jedoch weit, aufgrund langer Belichtungszeiten waren bewegte Motive lange ausgeschlossen, Schärfe und Kontrast der frühen Bilder mangelhaft. Die Farbfotografie kam erst spät auf. Schon 1842 entstand aber – über den Brand von Hamburg – die früheste fotografische Reportage. Das Ereignis wurde durch Daguerreotypien von Hermann Biow und Carl Ferdinand Stelzner festgehalten. Im Krimkrieg (1854-56) und im amerikanischen Bürgerkrieg (1861-65) agierten erstmals Kriegsfotographen, bekannte Fotographen waren insbesondere Roger Fenton und George N. Barnard Matthew Brady. In den 70iger Jahren wurden erste bewegliche Reihenaufnahmen gefertigt. Durch verbesserte Trockenplatten – entwickelt von dem britischen Arzt Richard Leach Maddox – mussten die Fotografen nicht mehr eine komplette Dunkelkammer mit führen, so wurde die Reisefotografie befördert. Ab 1880 erschienen die ersten Fotos als Illustrationen in Zeitungen. Nachdem das maschinelle Kopierverfahren erfunden worden war, wurden zum Ende des 19. Jahrhunderts (ab 1893) Fotopostkarten üblich. Insbesondere Bilder Kaiser Wilhelms II. oder Gruppenbilder der kaiserlichen Familie waren sehr populär und wurden teilweise mit einer sechsstelligen Auflage vertrieben.
Die weitere Perfektionierung der Fotoapparate – z. B. durch die Erfindung des Schlitzverschlusses durch den Fotografen Ottomar Anschütz im Jahre 1894 – erlaubte nun auch Kurzzeitaufnahmen. Ab Ende 1895 lernten die Bilder zudem öffentlich laufen; in Berlin zeigten die Gebrüder Skladanowsky mit selbstgebauten Kameras gedrehte Varieteszenen. Der Eindruck bewegter Bilder entstand dabei durch zwei wechselweise arbeitende Projektoren. Nach und nach wurden erste Kinos eröffnet, z. B. 1903 in Berlin-Neukölln. Bei den frühen Kameras erfolgte der Filmtransport durch eine Handkurbel. Zunächst vor allem bei den unteren Volksschichten sehr beliebt, wurde der, in der Frühphase noch unausgereifte aber sich technisch rasch verbessernde, Film bald hoffähig. Anlässlich der Hochzeit des Kronprinzen im Jahre 1905 sind erste Filmaufnahmen aus dem Kaiserhaus nachweisbar. Kaiser Wilhelm II. ließ sich im Berliner Schloss einen Vorführraum einrichten und förderte die Filmindustrie.
Bereits 1887 wurde das Verfahren zur Herstellung des Zelluloidfilms patentiert. Eine zentrale Rolle spielte hier der amerikanische Unternehmer George Eastman (1854-1932), der durch geschicktes Marketing seiner Firma die Fotografie für den Massenmarkt öffnete. Die berühmte Kodak Nr. 1 des Konstrukteurs Frank A. Brownell kam 1888 auf den Markt. Die ersten Kodakkameras und der Rollfilm sollten die Fotografie auch für Amateure erschließen. Tragbare und handliche Kameras waren schon im 1. Weltkrieg weit verbreitet, die Fotografie wurde zum Massenphänomen. Millionen Fotos hielten diesen Konflikt und deren Teilnehmer für die Nachwelt in Fotos fest.
Die sich bereits in den 60iger Jahren des 19. Jahrhunderts etablierte Fotografie wurde als neues Medium von den Herrschenden schnell als beliebig reproduzierbares Mittel der Selbstdarstellung begriffen, insbesondere Wilhelm II. nutzte Fotografie und Film bewusst zur Selbstinszenierung1. Der Kaiser war häufig Auftraggeber von Atelierfotografen, es soll etwa 20 offizielle Hof-Fotografen gegeben haben.
Dazu existierten im wilhelminischen Deutschland insgesamt 4 amtliche Manöverfotografien (Franz und Oscar Tellgmann/, Kühlewindt/ Königsberg und Jacobi/ Metz). Zu den bekanntesten Fotografen gehörten die vorgenannten Brüder Tellgmann. Diese gehörten zu einer traditionsreichen Fotografen-Familie, die mit dem Maler Ferdinand Tellgmann (1811-1897) bereits im Jahre 1841 in Mühlhausen/Thüringen begann2. Vor allem Franz (1853-1933) und Oscar Tellgmann (1857 – 1936) dokumentierten die schimmernde Wehr bei Paraden und Manövern in zahlreichen Fotos, die sich großer Beliebtheit erfreuten und weite Verbreitung fanden.
Wilhelm II. verlieh regelrecht – selbst noch im holländischen Exil – teilweise kolorierte Fotos mit persönlicher oder faksimilierter Unterschrift fein abgestuft entsprechend dem Rang und der Stellung des Adressaten. Doch nicht nur Fürsten und der Adel wandten sich mit Begeisterung dem neuen Darstellungsmittel zu und hielten in Fotoalben dynastische und Familiengeschichte fest, sondern auch alle anderen Bevölkerungsschichten suchten sich in dem im Verhältnis zur Malerei preiswerteren und authentischeren Medium zu verewigen.
War noch bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts Bildbesitz ein Privileg des Adels und gehobenen Bürgertums, erlangte nun das Foto als relativ preiswertes Medium große Popularität. Der tief verankerte menschliche Wunsch nach einem eigenen Abbild beförderte die Porträtfotografie, die sich neben der Objektfotografie rasch etablierte. Mindestens in jeder bürgerlichen bzw. großbäuerlichen Familie existierte ein mit Samt überzogenes oder aus gestanztem Leder bestehendes Fotoalbum mit metallener Schließe, welches häufig von Fotos des Kaisers bzw. der kaiserlichen Familie eröffnet wurde. Aus Frankreich stammte das Visitenkartenporträt (Visitenkartenfoto oder Carte-de-visite). Dessen erste Erwähnung datiert vom 28.10.1854. Im gleichen Jahr hatte André Adolphe-Eugène Disdéri in Paris ein entsprechendes Patent angemeldet. Die kleinen Porträts hatten ein standardisiertes Format von 5,5 × 9 cm und wurden auf einen dünnen Karton aufgezogen. Sie hatten demnach etwa die Größe einer Visitenkarte und kosteten etwa zwei – vier Thaler. Der relativ niedrige Preis resultierte auch aus dem Umstand, dass nun mehrere Fotos auf einer Glasplatte untergebracht werden konnten. Visitenkartenporträts zeigten entweder ein Porträt oder eine Ganzfigurenaufnahme. Es fanden auch in dieser Machart Porträts berühmter Persönlichkeiten weite Verbreitung. Das Visitkartenporträt wurde zum Massenartikel. Später kamen dann größere Formate als so genannte Kabinettfotos in Mode. Beide Varianten wurden im ausgehenden 19. Jahrhundert von Fotopostkarten und noch später von den kleinformatigen Fotos der Kleinbildkameras weitgehend abgelöst.
Zur Geschichte und Typologie der Militärfotografie
Stets stießen Abbildungen vom Kriegsgeschehen auf großes Interesse der Öffentlichkeit, früher als Holzschnitte, Lithographien, Stahlstiche usw. Bekannt sind z. B. die Neuruppiner Bilderbogen. Kriegszeichner begleiteten Truppen auf allen Kontinenten an die Front. Jetzt kam das Medium der Fotografie – die Militärfotografie - dazu.
Die Militärfotografie dokumentiert alle Aspekte des Soldatenlebens, die Kriegsfotografie als speziellere Fotogattung hält Szenen kriegerischer Auseinandersetzungen fest. Die ersten militärischen Daguerreotypien stammen aus dem mexikanisch-amerikanischen Krieg (1846-48). Sie zeigen amerikanische Truppen in der mexikanischen Stadt Saltillo. Eine frühe Fotografie von schottischen Soldaten auf den Festungswällen von Edingburgh ist aus dem Jahre 1844 überliefert. Als Fotografen werden David Hill und Robert Adamson genannt. Auch im 2. Sikh-Krieg (1848-49) und im 2. Burma-Krieg (1852-53) wurden frühe Militärfotografien von einem als Sanitätsoffizier in der Ostindischen-Kompanie dienenden Amateurfotografen gemacht. Er hieß John McCosh. Die Kriegsfotografie entstand aber vor allem im Krimkrieg (1854-56) und im Amerikanischen Sezessionskrieg (1861-65). Als Reaktion auf die kritischen Berichte des Kriegskorrespondenten der Times, William Howard Russel, schickte das britische Kriegsministerium im Jahre 1854 den Mitbegründer der Royal Photographic Society, Roger Fenton (1819-69), als offiziellen Kriegsfotografen auf den Kriegsschauplatz auf der Krim. 1855 kehrte der Fotograf nach Großbritannien zurück und seine arrangierten Aufnahmen fanden auch den Gefallen der Königin Viktoria und des Prinzgemahls Albert. Die Fotos wurden in Ausstellungen gezeigt und schließlich 160 Aufnahmen veröffentlicht. Die Dokumentation des Krimkrieges setzten die Fotografen James Robertson (1813-88) und Felice Beato (1833/34- 1907/08) fort. Beide fotografierten später auch beim Sepoy-Aufstand in Indien (1857) und letzterer gemeinsam mit Charles Wigman (1832-91) im 2. Opiumkrieg, z. B. bei der Besetzung Pekings durch britische und amerikanische Truppen im Jahre 1860.
Der amerikanische Sezessionskrieg (1861-65) wurde von zahlreichen Korrespondenten begleitet und dokumentiert, die - unterstützt von vielen Zeichnern – das Kampfgeschehen an den verschiedenen Fronten für die Leser von Wochenzeitungen - wie z. B. „Harper´s „ oder „Illustrated Weekly“ - aufbereiteten. Insbesondere Mathew B. Brady (1823-96) – bereits vor Kriegsausbruch eine angesshener Porträtfotograf – hielt diesen blutigen Bürgerkrieg in vielen Fotos für die Nachwelt fest. Mit 2 Dunkelkammerwagen begleitete er die Truppen der Nordstaaten, später ließ er fotografieren. Ca. 20 (22) vollständig ausgerüstete Fotografen (so genannte Operateure) waren an allen Fronten zu finden. In späteren Jahren verarmt, musste Mathew B. Brady sein Archiv mit 5721 Glasplatten an das amerikanische Kriegsministerium verkaufen. Hier haben sie sich erhalten. Der amerikanische Sezessionskrieg war das erste geschichtliche Ereignis, welches umfassend fotografisch festgehalten wurde. Die ganze Bandbreite dieser umfassenden Dokumentation wird bei der Betrachtung der ca. 2000 Fotografien in den beiden voluminösen Bänden: Photographic History of the Civil War von William C. Davis und Bell I. Wiley (New York, 1981/82) deutlich.
Auch Szenen der Deutschen Einigungskriege 1864, 66, 70/71 wurden fotographisch festgehalten. Aber Fotos von Kampfhandlungen waren nicht möglich und Aufnahmen von Gefallenen nicht erwünscht.
Die Militärfotografie kennt offizielle und private Fotos. Offizielle Fotos stammen von berufsmäßigen Hof- und Militärfotographen. Im 1. Weltkrieg gab es regelrechte Kriegsberichterstatter. Offizielle Fotos konnten auch propagandistische Zwecke verfolgen. Ferner diente die Fotografie auch militärischen Zwecken, die Kamera wurde zur Waffe. So hatte die Fliegerei zunächst vor allem die Aufgabe der Erkundung, die aus der Luft gemachten Aufnahmen sollten feindliche Positionen aufklären. Daneben wurden unzählige private Fotografien von Soldaten (und sonstigen Zeitgenossen) gefertigt. Das Foto begleitete den Soldaten im Frieden und im Krieg in seinen dienstlichen und privaten Lebensräumen: in der Kaserne, in der Stube, auf dem Exerzierplatz, beim Marsch, im Quartier, auf dem Truppenübungslatz, bei der Besichtigung und dem Vorbeimarsch, aber auch im Biwak, im Schützengraben, im Lazarett, zeigen Platzkonzerte, Ordensverleihungen, Begräbnisse usw.
Der 1. Weltkrieg war der erste Medienkrieg. Er wurde in Millionen von Fotos festgehalten, die neben den unzähligen Feldpostbriefen1 einen wesentlichen Bestandteil der Erinnerungskultur ausmachen. Diese werden erst jetzt nach und nach als hervorragende Quellen entdeckt. Das Erscheinungsbild dieser ersten wirklich die ganze Welt umfassenden kriegerischen Auseinandersetzung ist im öffentlichen Bewusstsein allerdings geprägt durch Fotos vor allem von der West-, seltener von der Ostfront. Diese weithin bekannten Fotomotive zeigen stark zertrommelte Gebiete mit vollkommen niedergelegten Wäldern und mit gänzlich zerschossenen Ortschaften, klägliche Mauerreste inmitten von tausenden Granattrichtern. Sie zeigen mit Sandsäcken befestigte oberirdische Stellungen im total versumpften Flandern oder ganze von Stacheldraht überzogene Gebiete mit einem System tief angelegter Laufgräben und stark ausgebauten Schützengräben. Das umfangreiche und kompliziert angelegte Grabensystem bot den Soldaten vor allem Schutz vor der enorm gesteigerten Artillerieeinwirkung. Die Stellungen reichten im Westen von der Nordsee bis zur Schweiz, ganze Ländergrenzen wurden zu Fronten. Der Kriegsalltag erinnerte mehr an die Formen des Festungskrieges und hatte mit den letzten Kriegseinsätzen deutscher Truppen in den Einigungskriegen nur noch wenig gemein. Bis zum Ende des Krieges versuchten die streitenden Parteien in ungeheuren Materialschlachten die feindliche Hauptkampflinie zu durchbrechen und aufzurollen, letztlich scheiterten aber alle Offensiven trotz hoher Feuerdichte und Massenangriffen und rechtfertigten nicht die geringfügigen territorialen Verschiebungen. Zahlreiche Bild- und sonstige Prachtbände aus den 20-igern und 30-igern Jahren haben das heute noch weit verbreitete visuelle Image des 1. Weltkrieges geprägt, beispielhaft sollen hier nur das Werk „Der Weltkrieg im Bild“ mit „Originalaufnahmen des Kriegs-, Bild- und Filmamtes aus der modernen Materialschlacht“ (Berlin-Oldenburg 1928) und das „Kriegsbilder-Werk mit 600 Bildern aus allen Fronten nach authentischen, wahrheitsgetreuen photographischen Original-Aufnahmen durch den Kriegsfotographen Hermann Rex, Operateur des Kriegs-, Bild- und Filmamtes im Dienste der OHL von 1914-18“ genannt werden, letzteres erschien im Jahre 1921 in dritter Auflage unter dem Titel „ Der Weltkrieg in seiner rauhen Wirklichkeit“ im Verlag Hermann Rutz (Oberammergau).
Das Foto als schwierige - historische - Quellengattung
Mit der zunehmenden Verbreitung wurde das Foto für die Nachgeborenen zur historischen Quelle, denn es will Vergängliches festhalten und die Gegenwart konservieren. Reizvoll war und ist es für den Betrachter, den historischen Akteuren ins Gesicht zu schauen, plötzlich wird Geschichte für einen Moment real.
Fotos gelten als schwierige Quellengattung, die unvermutete Probleme mit sich bringt. Das Foto vermittelt ein Gefühl der Wirklichkeit. Es ist insoweit objektiv, weil der Fotoapparat das von der Oberfläche von Motiven zurückgeworfene Licht aufnimmt. Gleichzeitig schafft das Foto bzw. der Fotograf stets eine eigene Wirklichkeit. Der soziale Status des ausgewählten Fotomotivs hat wie der Fotograf selbst Einfluss auf den fotographischen Prozess. Regelmäßig muss deshalb immer gefragt werden, ob es sich um authentische oder um arrangierte Bilder handelt. Wird vor der Kamera posiert oder handelt es sich um einen Schnappschuss, der die Wirklichkeit getreu abbildet. Immer geht es um die Frage von Identität von Wirklichkeit und Abbild. Das Foto kann historischer Beweis sein, aber sein Nachrichtenwert sollte nie ungefragt übernommen werden. Von Interesse ist, ob das Foto von einem professionellen Fotografen oder um von einem Amateur stammt. Ferner sind die Entstehungsbedingungen des Fotos von Bedeutung, z. B. im Studio, in der Garnison, im Felde, in der Etappe, an der Front, im Schützengraben, im Gefecht. Die Rahmenbedingungen für die Entstehung des Fotos sind für eine Quellenkritik von Bedeutung, insbesondere wenn es um die soziologische Deutung überlieferter Fotos geht.
Außerdem ist die zwangsläufige Beschränkung des Aussagewerts eines Fotos zu berücksichtigen. Das Foto bildet ein dreidimensionales Objekt zweidimensional ab. Durch die Linse wird stets nur ein Ausschnitt der Wirklichkeit festgehalten, denn die Sicht durch das Objektiv der Kamera entspricht nicht dem menschlichen Gesichtsfeld. Der Fotograf beeinflusst durch die Wahl des Ausschnitts und der Blende bzw. Belichtungszeit das Foto. Es ist damit das Produkt einer bewussten und einer unbewussten sozialen und technischen Konstruktion.
Das Foto entsteht aber immer in einem bestimmten historischen Kontext. Die zeitgenössische Ästhetik und Mode beeinflusst die Motivwahl. Der beeinflussende geschichtliche Hintergrund der Fotografie ist dabei zwangsläufig einem Wandel unterworfen.
Die Militärfotografie als Quelle für die Uniformkunde
Soweit in der klassischen Geschichtswissenschaft eine gewisse Fixierung auf Textquellen zu beobachten ist und der Umgang mit überlieferten Fotos zu mindestens als problematisch betrachtet wird, muss doch für die Heereskunde und insbesondere für die Uniformkunde das historische Foto als hervorragende Quelle gelten. Die Uniformkunde als Teildisziplin der Heereskunde hat die Kulturgeschichte der Bekleidung, Bewaffnung und Ausrüstung der Streitkräfte im Wandel der Zeit zum Inhalt. Ist der Uniformkundler beim Studium der militärischen Bekleidung und Ausrüstung in früheren Zeiten ausschließlich - neben erhalten gebliebenen Realien - auf gedruckte und ungedruckte Vorschriften, Akten, Berichte und sonstige Bildquellen, wie Zeichnungen von Augenzeugen bzw. Tafelwerke von zeitgenössischen (und späteren) Künstlern angewiesen, dient das Foto für spätere Zeiten als vorzügliche Quelle der Sachkultur des Soldaten.
Anhand historischer Fotos können Trageweise der Uniform- und Ausrüstungsstücke und etwaige Abweichungen zuverlässig dokumentiert werden. Letzteres ist vor allem vor dem Hintergrund der Erkenntnis relevant, dass die verbindliche Vorgabe einer bestimmten Adjustierung noch lange nicht heißen muss, dass in der Praxis die entsprechenden Befehle auch wirklich umgesetzt worden sind. Die Uniformgeschichte ist geprägt durch Eigenmächtigkeiten, vor allem unter den realen Bedingungen eines Feldzuges. Hierzu Hans Kling: „Immer ist zu bedenken: „Eingeführt“ bedeutet noch lange nicht, dass die Truppe es auch trug, vor allem im Laufe des Krieges (Einheitlichkeit infolge Rohstoffknappheit nicht möglich). Stellt man also einen Truppenteil 1915 mit Helm und abnehmbarer Spitze dar, so mag es für viele einzelne Leute richtig sein, für die Gesamtheit ist es falsch. In der Sommeschlacht trug die Infanterie, von wenigen Ausnahmen abgesehen, noch nicht den Stahlhelm. 1916 kam er als bodenständiges Gerät an die Hauptkampffronten…“4.
Quellen zum Kapitel: Die Anfänge der Fotografie bis hin zum Foto als Massenphänomen
Willfried Baatz, Geschichte der Fotografie, Köln 1997.
Jens Jäger, Photographie: Bilder der Neuzeit. Einführung in die Historische Bildforschung, Tübingen 2000.;
Timm Starl; Knipser. Die Bildgeschichte der privaten Fotografie, München/ Berlin 1995.;
Ronald Berg, Die Photographie als alltagshistorische Quelle., in: Berliner Geschichtswerkstatt (Hb.), Alltagskultur, Subjektivität und Geschichte. Zur Theorie und Praxis der Alltagsgeschichte, Münster 1994, S. 187 ff.
FOTOGRAFIEN ALS HISTORISCHE QUELLEN. Über den Umgang mit visuellen Medien in den Geschichtswissenschaften. http://bildwissen.hs-fhg.geschichte.uni-frankfurt.de/ueber-den-umgang-mit-fotografien.
Bernd Haunfelder, Münster und das Münsterland in frühen Photographien 1841 bis 1900, Münster 1988 (hier: S. 1-7).
IIdikó Kovács, Die Bedeutung von Fotografien im Archiv. Masterarbeit. 2014.
Volker Jacob, Menschen im Silberspiegel. Die Anfänge der Fotografie in Westfalen, Greven 1989 (hier: Einleitung).
Jens Jäger, Fotografie und Geschichte, Frankfurt a. M. 2009.
Quellen zum Kapitel: Zur Geschichte und Typologie der Militärfotografie
Rolf Hochhuth/ Hans-Heinrich Koch, Kaisers Zeiten. Bilder einer Epoche. Aus dem Archiv der Hoffotographen Oscar und Gustav Tellgmann. Gütersloh 1977.
Rainer Fabian/ Hans Christian Adam, Bilder vom Kriege. 130 Jahre Kriegsfotografie, Hamburg 1983.
Christian Frei: War Photographer (Dokumentarfilm über James Nachtwey). 2003.
Anton Holzer, Mit der Kamera bewaffnet. Krieg und Fotografie, Marburg 2003.
Anton Holzer, Die andere Front. Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg, Darmstadt 2007.
Martin Luksan: Fotos von der Front. Die deutsche Kriegsfotografie im Zweiten Weltkrieg. (Erstsendung: 7. September 2009).
Wolfgang Michalka, Der Erste Weltkrieg. Wirkung und Wahrnehmung, in: Bernd Hüppauf, Kriegsfotografie, München 1994, S. 876 ff.
Quellen zum Kapitel: Das Foto als schwierige - historische - Quellengattung
Michael Sauer, Fotografie als historische Quelle., in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht, 2002, S. 570 ff..
Fußnoten:
- 1. Klaus-D. Pohl, Der Kaiser im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. Wilhelm II in Fotografie und Film, in: Hans Wilderotter/ Klaus-D. Pohl, Der Letzte Kaiser. Wilhelm II. im Exil. Gütersloh/ München 199S. S. 9 ff.
- 2. Rolf Hochhuth/ Hans-Heinrich Koch, Kaisers Zeiten. Bilder einer Epoche. Aus dem Archiv der Hoffotographen Oscar und Gustav Tellgmann. Gütersloh 1977
- 3. Bernd Ulrich/ Benjamin Ziemann, Frontalltag im Ersten Weltkrieg. Wahn und Wirklichkeit. Frankfurt am Main 1994.
- 4. Hans Kling, Bemerkungen zur Felduniform 1914 beim Ausrücken, in: Zeitschrift für Heereskunde, 194, S. 13 ff.